
Die Hughes Glomar Explorer (HGE), bei der United States Navy ehemals USNS Glomar Explorer (T-AG-193) genannt, war ein Schiff, das 1972 von den Vereinigten Staaten zur Bergung eines sowjetischen U-Boot-Wracks aus 5.000 Metern Tiefe gebaut wurde. (Bild: gemeinfrei)
Im Juni 1974 wurde in die Büros der Summ Corporation in Los Angeles eingebrochen. Und hiermit fängt eine der seltsamsten und kühnsten Spionage-Geschichten des kalten Kriegs an. Und ja – die Konstruktion, die hierbei entstand, entstammt wahrlich der Hölle. Und es ist alles dabei: U-Boote, ein verrückter Millionär und eine absolut wilde Cover-Story.
Als die Öffentlichkeit am 7. Februar 1975 ihre Ausgabe der L.A. Times aufschlug, stand da in fetten Lettern „Sunken Russian Sub Deal by CIA“. Das war aber nur der erste kleine Einblick in eines der geheimsten US-Spionage-Projekte, von dem man selbst heute noch nicht viel weiß – wissen darf.
Die erste Information kam in Form eines Memos ans Licht als eine unbekannte Person im Hauptquartier der Summa Corporation – ein Teil der Hughes Tool Company – eingebrochen ist. Wahrscheinlich suchten die Diebe nur nach wertvollem Kram, aber unter den gestohlenen Sachen befand sich auch ein Memo über ein geheimes CIA-Projekt, an dem die Firma maßgeblich beteiligt war. Das Memo tauchte niemals wieder irgendwo auf, aber in den weiten Kreisen der Geheimdienste schrillten die Alarmglocken und man musste diverse Personen über ein mögliches Informationsleck informieren.
Ironischerweise waren es wohl genau dieses Meetings, die dazu geführt haben, dass die Presse Wind von der Story bekommen hat.
Hören Sie den Artikel hier als Podcast!
Aber wir schweifen ab – worum geht es denn nun? Die wahre Geschichte begann schon viel früher und ganz woanders. Genauer gesagt am 24. Februar 1968, tausende Meilen von Los Angeles weg. An diesem schicksalsträchtigen Samstag verließ das U-Boot K-129 der sowjetischen Marine den Hafen der Rybachiy Marine Basis in Kamchatka zu einer Routine-Patrouille, die alles andere als Routine werden sollte.
K-129 war ein diesel-elektrisches U-Boot der Golf-Klasse mit einer Bewaffnung aus ballistischen Atomraketen, sowie Torpedos mit Nuklearsprengköpfen. Die drei R-13 Raketen an Bord hatten eine Reichweite von 1.670 km und jede trug einen 1-Megatonnen-Sprengkopf, der eine mittlere Großstadt von der Landkarte tilgen konnte. Eigentlich gab es nichts Spektakuläres an der Mission des U-Bootes. Missionen wie diese fanden während des kalten Krieges (und auch heute noch) ständig statt. Das Boot folgte einem bestimmten Kurs in den Pazifischen Ozean, der Kommandant öffnete dann einen versiegelten Umschlag mit weiteren Befehlen und befolgte diese dann. Als der Kapitän der K-129 also seine Position am 180. Breitengrad einnahm, schickte er ein Check-in Signal nach Kamchatka und das U-Boot verschwand spurlos.
Nachdem weitere Check-ins antwortlos verstrichen waren, machte sich im Kreml eine gewisse Unruhe breit und die sowjetische Marine schickte eine kleine Anzahl U-Boote los, in der Hoffnung K-129 zu finden und nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Leider waren alle Bemühungen erfolglos und das U-Boot wurde als „Verschollen auf See“ abgeschrieben. Im Kreml lehnte man sich zurück, im guten Gewissen alles getan zu haben, was möglich war und wenn sie das Boot in den weiten Tiefen des Pazifiks nicht finden konnten, dann kann das niemand.
Junge, Junge, lagen die falsch.
Denn – so unbemerkt, wie sie dachten, war der Zwischenfall nämlich doch nicht. Es stellt sich heraus, dass die US Navy seit dem Verschwinden von K-129 alles andere als untätig war. Um es abzukürzen: Am 8. März 1968 um 23:59:47 Uhr zeichneten die US-Beobachter ein Sekundenbruchteil dauerndes Ereignis auf, bei dem es sich um das Bersten eines U-Boot-Rumpfes gehandelt haben könnte. Durch Triangulation lokalisierten sie das Ereignis etwa bei 40° nördlicher Breite und 180° westlicher Länge (der genaue Ort ist immer noch geheim).
Was die Amerikaner im Gegensatz zu den Sowjets nicht hatten, war eine Tiefsee-Ortungs- und Bergungskapazität, die ursprünglich entwickelt worden war, um sowjetische Raumfahrzeuge und andere kleine Objekte, die im Meer landen könnten, zu orten und zu bergen. Teil dieses Systems war das Atom-U-Boot Halibut. Ursprünglich für den Transport von Marschflugkörpern gebaut, war es inzwischen zu einem supergeheimen Unterwasser-Spionageschiff umgebaut worden.
Am 20. August entdeckten die hochpräzisen Sonargeräte und Kameras der Halibut die Überreste von K-129 in einer Tiefe von knapp 5 Kilometern. Das Schiff lag auf der Seite und war in zwei Teile zerbrochen, wobei sich die Bruchstelle direkt hinter dem Querruder befand. Und so lag sie da bis ins Jahr 1970 als man unter dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater Henry Kissinger den – ja, nennen wir ihn – wahnwitzigen Plan schmiedete K-129 doch zu heben, um so an die Atomsprengköpfe und vielleicht auch an die Codes für die geheime Kommunikation zu kommen – das hat mit den Nazis und der Enigma hat damals ja auch geklappt.
Jetzt begann die Sache erst richtig seltsam zu werden. Die Amerikaner wussten eigentlich, dass es mit konventionellen Methoden unmöglich sein wird, in einem der unwirtlichsten Gebiete des Pazifiks irgendwas aus der Tiefe zu bergen – geschweige denn Taucher da herunterzuschicken. Also musste eine neue Idee her. Und diese Idee konnte ein ganzes Rudel Bond-Bösewichter neidisch machen.
Der Plan, der sich bei der CIA allmählich herauskristallisierte, war, dass man ein speziell konstruiertes Schiff einsetzt. Auf dem Schiff sollte ein riesiger Bohrturm stehen, der wie eine Ölbohrinsel mit Stahlrohren bestückt werden sollte. Dieser sollte sich über einem „Swimmingpool“ in der Mitte des Schiffes befinden, der groß genug war, um das Wrackteil problemlos aufnehmen zu können. Der Boden des Pools sollte zwei Türen haben, die sich zum Meer hin öffneten. Der Plan sah vor, das Schiff über dem Wrack zu platzieren und mit Hilfe des Rohrstrangs eine riesige Klaue herabzulassen, die das Wrack packen und zurück zum Schiff ziehen sollte, wo es verstaut, und an Land zurückgebracht werden würde - und das alles, ohne dass es von neugierigen Augen in der Nähe gesehen werden könnte.
Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wie man diese Aktion in die Tat umsetzt ohne, dass es die Sowjets bemerken und man (wieder mal) den 3. Weltkrieg riskiert. Man braucht also eine gute Cover-Story – Sie hatten die Idee, der Welt öffentlich mitzuteilen, dass das Schiff Teil einer kommerziellen Operation zur Erprobung der Machbarkeit des Abbaus von Manganknollen mit wertvollen Mineralien auf dem Meeresboden war.
Dummerweise war Tiefseebergbau in den 1970ern etwa so verrückt wie die eigentliche CIA-Operation selbst – wie könnte man der Öffentlichkeit eine so haarsträubende, unglaubliche Geschichte verkaufen? Eigentlich ganz einfach.
Man muss die haarsträubende, unglaubliche Geschichte nur mit einem haarsträubenden, unglaublichen Mann verknüpfen - Howard Hughes. (Nein, nicht verwandt mit Michael Mad Mike Hughes, dem Flat-Earther, dessen Geschichte gibt es hier)
Schon in jungen Jahren hatte der brillante und (gelinde gesagt) exzentrische Mr. Hughes ein Talent dafür, sich mit seinen verschiedenen Taten ins Rampenlicht zu drängen - von seinem Geschäftsimperium, das er wie sein privates Sparschwein für seine leidenschaftlichen Projekte behandelte. Er war Hollywood-Filmproduzent aus Überzeugung, mit Katherine Hepburn liiert, Rekord-Pilot und verantwortete den Bau des größten Flugzeugs der Welt. In den 1970er Jahren war Hughes so etwas wie eine Legende und galt als der geheimnisvolle Einsiedler, der angeblich nie sein Penthouse auf dem Dach eines seiner Casino-Hotels in Las Vegas verließ, Kleenex-Schachteln an den Füßen trug - um Bakterien abzuwehren - und sich den Film „Eisstation Zebra“ immer wieder ansah, bis die Filmrollen abgenutzt waren. Sein Leben wurde viermal verfilmt - davon einmal mit Tommy Lee Jones und einmal mit Leonardo DiCaprio (Aviator).
Viele wussten zu dem Zeitpunkt nicht einmal, ob er noch lebte.
Wenn jemand behauptet, er will im Meer Manganknollen abbauen, und man ihm glauben soll, dann Hughes. Also ging die CIA zu dem einsiedlerischen Industriellen und fragte ihn, ob er dem Plan zustimmen würde. Hughes stimmte zu. Obwohl Hughes nichts direkt mit „Projekt Azorian“ zu tun hatte, lieh er der Medienkampagne seinen Namen und ließ sein Unternehmen als Kanal für die Wäsche von CIA-Geldern für das Projekt fungieren, wobei die verwirrende Hughes-Bürokratie dabei half, die Ermittlungen gegen jeden abzuschirmen.
In der Zwischenzeit wurde das Schiff gebaut, das offiziell als „Hughes Glomar Explorer“ bekannt ist. Im Rahmen der Tarnung wurde das Projekt Azorian in eine „weiße“ und eine „schwarze“ Phase unterteilt. In der weißen Phase wurden der Bau, die Probefahrt und die Auslieferung des Schiffes so durchgeführt, als ob es sich tatsächlich um ein Tiefseebergbauschiff handelte. Es wurde kein geheimes Material an Bord installiert, und die meisten Besatzungsmitglieder hatten keine Ahnung, was vor sich ging. Die Presse wurde eingeladen, sich über das Bergbauprojekt zu informieren und es wurden sogar Besichtigungen des Schiffes durchgeführt. Ein bemerkenswert unauffälliges Schiff.
Bei ihrer Fertigstellung hatte die Glomar Explorer eine Besatzung von 160 Personen, eine Verdrängung von 50.500 Tonnen, eine Länge von 189 m (619 Fuß) und einen Tiefgang von 12 m (38 Fuß). Angetrieben wurde sie von fünf 16-Zylinder-Dieselmotoren von Nordberg, die 4.160-V-Wechselstromgeneratoren antrieben, die sechs Gleichstrom-Wellenmotoren mit 2.200 PS (1,6 MW) für zwei Propellerwellen antrieben und ihr eine Höchstgeschwindigkeit von 10 Knoten (19 km/h, 12 mph) verliehen. Zusätzlich gab es eine Reihe von automatischen Bugstrahlrudern, um das Schiff genau über der Bergungsstelle zu halten.
Währenddessen baute Lockheed das Bergesystem, das den vorderen Teil des U-Boot-Wracks greifen sollte. Diese 2.000 Tonnen schwere Vorrichtung sollte an einem 2.000 Tonnen schweren Rohrstrang herabgelassen werden und das 4.000 Tonnen schwere Wrack packen. Das bedeutet, dass das System an Bord der Glomar Explorer in der Lage sein musste, 8.000 Tonnen vom Boden des Pazifiks zu heben.
Das Bergesystem bestand aus einem Rahmen mit acht Greifarmen, vier entbehrlichen Landebeinen, um es auf dem Meeresgrund zu stabilisieren, einer Reihe von Kameras und Wasserdüsen, die den Greifern halfen, sich unter das Wrack zu graben.
Am 4. Juli 1974 erreichte die Glomar Explorer die Wrackstelle mitten im Pazifik, allerdings nicht allein. Sie wurde von zwei sowjetischen Kriegsschiffen verfolgt, von denen eines während des größten Teils der Bergungsarbeiten in der Nähe blieb. Die Sowjets waren sehr neugierig, aber sie schöpften zu keinem Zeitpunkt Verdacht. Das sowjetische Oberkommando hatte Geheimdienstberichte über eine Bergungsaktion als absurd abgetan. Die Amerikaner konnten die K-129 nie finden, geschweige denn erreichen.
Das war allerdings kein Trost für die CIA-Offiziere an Bord, die wussten, dass die Glomar Explorer im Fall der Fälle zu langsam war, um einer feindlichen Verfolgung durch die Sowjets zu entgehen, und dass sie, wenn etwas schiefging, dafür sorgen mussten, dass das gesamte geheime Material über Bord geworfen wurde - vorausgesetzt, die Sowjets versenkten sie nicht einfach so.
Trotz der Schaulustigen wurde die Bergung fortgesetzt, als das Bergesystem am 31. Juli langsam herabgelassen wurde. Mit bemerkenswerter Präzision schwebte es über den Überresten der K-129 und senkte sich schließlich auf den vorderen Teil herab. Die Beine fuhren aus, die Zangen schlossen sich und gruben sich in den Meeresboden ein. Um 9:13 Uhr Ortszeit war das Ergreifen abgeschlossen.
Am 1. August um 12:55 Uhr war das Schiff vom Grund losgelöst und auf dem Weg an die Oberfläche. Aber: Das Wrack war nicht ganz fest im Griff der Klaue.
Langsam stiegen die Reste der K-129 auf, dann, am 4. August, als sich das Bergesystem fast im Pool befand, gaben mehrere der Klauenarme nach. Das Wrack brach entzwei, ein Teil rutschte heraus und stürzte zurück auf den Boden, wo er in Stücke zerbarst.
Keine Atomraketen. Keine Codebücher. Nur der vordere Batterie- und der Torpedoraum. Zwei Drittel der Beute waren verloren.
Das Team wollte sofort einen neuen Versuch starten, aber das war nicht möglich ohne das Wenige, das sie geborgen hatten, aufzugeben. Da K-129 mit Atom-Torpedos bewaffnet war, mussten erst alle radioaktiven Stoffe entfernt werden. Das war allerdings nicht einfach, denn es stellte sich heraus, dass der Sprengstoff in den Torpedos explodiert war. Nur die Sicherheitsvorrichtungen haben eine nukleare Explosion verhindert.
Was genau geborgen wurde, ist immer noch geheim.
Nach der Veröffentlichung in der Los Angeles Times ging die Geschichte um die Welt, und die Sowjets warnten die Amerikaner über sehr höfliche diplomatische Kanäle, dies nicht noch einmal zu versuchen. Oder sonst…
Mit Kosten in Höhe von etwa 800 Millionen US-Dollar, was heute 4,9 Milliarden Dollar entspricht, war Projekt Azorian teurer als eine bemannte Apollo-Mondlandung. In vielerlei Hinsicht war die Aktion ein Misserfolg, aber es zeigte, zu welchen Leistungen die US-Geheimdienste fähig waren, welche technischen Fähigkeiten sie besaßen und dass sie in der Lage waren, streng geheime Operationen direkt unter den Augen der Sowjets durchzuführen. Da fragt man sich doch glatt, was nicht sonst so passiert ist, von dem wir nichts wissen sollen.

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.
Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.