Italienische Hydraulik- und Pneumatikhersteller als Partner Deutschlands 1

Bei Italien denken wir zuerst an Gelatto, Vino und Pizza. Doch sind die Hersteller von Hydraulik- und Pneumatik-Komponenten mit rund 14 000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 2,5 Milliarden im Jahr 2010 einer der wichtigsten Zweige der verarbeitenden Industrie in Italien. Die Italiener sind besser als ihr Ruf! Nicht nur, dass Italien seit den 1950er Jahren das Lieblings-Urlaubsland der Deutschen ist, italienische Fußballspieler wie Luca Toni die Fans in Begeisterungsstürme ausbrechen ließ, sich Modebewusste in italienischer Haute Couture kleiden und die italienische Küche wichtiger Bestandteil unserer Kochkultur geworden ist – längst haben sich italienische Industrieunternehmen in Deutschland etabliert, gehört Italien mit zu den bedeutenden In- und Exportländern für die deutsche Antriebs- und Fluidtechnik.

Zahlreiche Unternehmen dieser Branche haben sich bereits seit Jahrzehnten in Deutschland angesiedelt, sind als Zulieferer wichtige Handelspartner vieler deutscher OEMs. Grund genug für die fluid-Redaktion, sich den Handelspartner im Süden einmal genauer anzusehen.

In unserem Italien-Spezial stellen wir Ihnen deshalb Firmen vor, die seit vielen Jahren in Deutschland ansässig sind. Aber auch solche, die sich mit ihren Produkten erst noch im deutschen Markt etablieren wollen.

Interview: Giorgio Beretta, Präsident von Assofluid
Autorin: Ingrid Fackler, Redakteurin

„Deutschland ist wichtigstes Partnerland“

Im italienischen Verband für die Ölhydraulik- und Pneumatikbranche haben sich 195 Unternehmen zusammen geschlossen, die gemeinsam rund 70 Prozent des italienischen Fluidmarktes repräsentieren und insgesamt über 14 000 Mitarbeiter beschäftigen. Mit seinem Präsidenten, Giorgio Beretta, sprach fluid-Redakteurin Ingrid Fackler.

fluid: 2009 musste die italienische Ölhydraulik- und Pneumatikbranche Verluste zwischen 40 und 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften. Wie steht die Branche Anfang 2011 da?
2009 war ein äußert schwieriges Jahr, doch im letzten Jahr konnten wir gute prozentuale Zuwächse verzeichnen; in Italien betrug der durchschnittliche Zuwachs über 30 Prozent – in der Produktion konnte die Branche hingegen einen Zuwachs von durchschnittlich über 40 Prozent erreichen.

In den ersten Monaten des Jahres 2011 scheint dieser positive Trend anzuhalten, auch wenn die Zuwachsraten geringer ausfallen. Wenn wir 2011/2012 den gleichen Umsatz wie im Jahr 2008 erreichen, können wir sicherlich zufrieden sein.

fluid: In welchem Verhältnis steht umsatzmäßig die Mobil- zur Stationärhydraulik?
Der im Bereich der mobilen Maschinen erzeugte Umsatz ist eindeutig höher als bei den fest installierten Anlagen: Er beträgt etwa 65 Prozent des Gesamtumsatzes des Ölhydraulikmarktes.

fluid: Die Umsätze werden stark von der Exportquote beeinflusst. Können Sie hier Zahlen zum Export nach Deutschland, in die EU und in die restliche Welt nennen?
Deutschland ist ganz klar das wichtigste Partnerland Italiens in der Fluidbranche, dies gilt sowohl für den Export als auch für den Import. Prozentual gesehen machen die Exporte nach Deutschland  über 15 Prozent der gesamten Exporte aus.

Für ganz Europa liegt die Quote bei etwa 65 Prozent, während von den restlichen 35 mehr als 25 Prozent nach Asien und die USA exportiert werden.

fluid: Worin bestehen Ihrer Meinung nach die Stärken der italienischen Firmen aus dem Bereich Ölhydraulik und Pneumatik?
Die Stärken der italienischen Produkte aus dem Fluidbereich liegen in der Innovation, Leistungsfähigkeit, Verlässlichkeit und im Preis/Leistungsverhältnis.

Ich bin der Meinung, dass die gesamte Produktionskette, angefangen bei den eingesetzten Materialien über die Verarbeitungsprozesse bis hin zur Qualitätskontrolle und dem After-Sales-Service zu den Faktoren zählen, die italienische Unternehmen im Bereich der strömungstechnischen Leistungserzeugung weltweit zu den wettbewerbsstärksten Akteuren machen.

fluid: Welche Branchen sind der Hauptkundenkreis der italienischen Unternehmen?
Innerhalb der spezialisierten Anwendungszweige sind die Hauptabsatzbereiche für industrielle Fluidkomponenten die Stationärhydraulik (wie Werkzeugmaschinen, Holz-, Gummi- und Kunststoffverarbeitungsmaschinen) sowie die Mobilhydraulik (Erdbewegungsmaschinen, Bau-, Hebe- und Landmaschinen).

fluid: In der Vergangenheit wurden italienische Produkte als qualitativ minderwertiger angesehen. Glauben Sie, dass diese Vorurteile heute noch bestehen?
Ich denke, der Satzanfang „In der Vergangenheit“ trifft zu und verweist auf eine weit zurückliegende Zeit. Schon lange sind italienische Produkte Synonym für Qualität und Zuverlässigkeit, angefangen bei den bekannteren Branchen, wie dem Modebereich und der Automobilindustrie, bis hin zu den Maschinenprodukten allgemein, also Maschinen und Industriekomponenten.

Gerade das Qualitätsmerkmal gehört zu den Stärken der italienischen Unternehmen: Der Umstand, dass viele italienische Produkte „kopiert“ werden, zeigt doch, wie sehr sie auf dem weltweiten Markt Ansehen und Wertschätzung genießen.

fluid: Was sind aus technologischer Sicht die Trends für die Branche?
Sicherlich die stark zunehmende Elektronik-Integration und die Energieeinsparung, die zukünftig eine zentrale Rolle im gesamten Industriebereich einnehmen wird.

Die Innovationen im Bereich der in der Fluidbranche eingesetzten Elektronik haben eine große Bedeutung in allen Produktionsprozessen: Die Nachfrage nach Produkten und Leistungen für diese Technologien lässt keine Anzeichen einer Richtungsänderung erkennen.

Fachleute in diesem Bereich sagen ein stetiges Wachstum für die Zukunft voraus. Zweifellos hat die Integration der Fluidtechnik in die Elektronik im Laufe der Jahre so bedeutende Fortschritte gemacht, dass daraus weltweit ein äußerst solider und spezialisierter Sektor geworden ist.

Die eingeflossenen Innovationen haben zur Entwicklung von Anwendungslösungen geführt, die eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig niedrigen Kosten ermöglicht. Die Zukunft der Industrie liegt in der Tat in der vollständigen Verbindung sich ergänzender Bereiche, egal welcher Natur.

Auf einzelne Sektoren beschränkte Märkte ohne Integrationsfähigkeit existieren nicht mehr. Die Energieeinsparung ist sicherlich ein wichtiger Innovationsbereich für alle Branchen. Alle Industriesektoren werden hier ihre Hausaufgaben machen müssen und als Ergebnis Forschungsstudien und Anwendungen präsentieren, die auch im Bereich der Fluidtechnik zu neuen Entwicklungen führen werden.

fluid: Worin sehen Sie die größte Herausforderung für italienische Firmen in dieser Branche?
Zweifelsohne in den technologischen Investitionen, in der Durchdringungsfähigkeit ausländischer Märkte und in der Ausbildung der Fachkräfte.

Es ist heute undenkbar, auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu sein, ohne in die Forschung und Entwicklung von Anwendungslösungen und Gesamtpaketen zu investieren, die Zuverlässigkeit, hohe Leistungsfähigkeit, Energieeinsparung und lange Lebenszeit in sich vereinen.

Parallel dazu ist es notwendig, sich entsprechend auf dem Markt zu positionieren, um alle Chancen zu nutzen, die sich ergeben. Um diese zwei Aufgaben bewältigen zu können, ist es daher unverzichtbar, über hoch qualifizierte Mitarbeiter zu verfügen, um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern.

www.assofluid.it

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