Noch vor wenigen Jahren zeigten die neuen Schiffbaukonzerne in Asien stolz ihre riesigen neuen Werftanlagen. Während heute asiatische Werften über Milliardenverluste klagen, können sich insbesondere die Schiffbau-Zulieferer in Deutschland über gewaltige Steigerungen bei Neuaufträgen freuen.
Expansionsbestrebungen in Asien und die Konzentration auf den traditionellen Frachtschiffbau fielen mit zurückgehenden Frachtraten zusammen, die durch die sich abschwächenden Wachstumsraten der Weltwirtschaft ausgelöst wurden. In der Folge davon machen viele asiatische Werften hohe Verluste, die sich zusammengenommen im vergangenen Jahr auf weit mehr als zehn Milliarden Dollar anhäuften.
Die japanische Mitsubishi Heavy Industries meldete alleine in Verbindung mit dem Bau von zwei Kreuzfahrtschiffen Verluste von annähernd einer Milliarde US-Dollar. Beim größten Schiffbauunternehmen der Welt, Hyundai Heavy Industrie, führten hauptsächlich Großprojekte für die Offshore Öl- und Gasindustrie zu einem negativen Jahresergebnis von knapp drei Milliarden Dollar.
Doch selbst diese riesigen Verluste wurden in China von mindestens zwei Unternehmen, den Großwerften Rongsheng Heavy Industries und STX Dalian mit Schulden in Höhe von 3,1 Milliarden beziehungsweise 3,8 Milliarden Dollar deutlich übertroffen.
Die gewaltigen Verluste entstehen in den Ländern, welche gewaltige Schiffbaukapazitäten aufbauten. China hatte 2014 nach den Daten des Portals für Marineinformationen IHS Fairplay mit einem Marktanteil von 37 Prozent und 16,9 Millionen CGT (Compensated Gross Ton) zum dritten Mal in Folge die Spitzenstellung als führende Schiffbaunation.
Angesichts der anhaltenden Verluste und der hohen Überkapazitäten erstellte die chinesische Regierung jetzt eine „White List“ mit 51 Werften, welche durch Fusionen gestärkt werden sollen und die für ihre Existenz staatliche Unterstützung bekommen.
Südkorea konnte im vergangenen Jahr Aufträge für 12,6 Millionen CGT erzielen und liegt mit einem Marktanteil von 28 Prozent auf Platz zwei. Japan kommt auf einen Marktanteil von 22 Prozent und liegt auf Platz drei.
Die steigenden Überkapazitäten halten andere Länder jedoch nicht davon ab, eine eigene nationale Schiffbaubranche auszubauen. Die Philippinen verdoppelten im vergangenen Jahr ihren Weltmarktanteil auf aktuelle 1,7 Prozent. Indonesien setzt ebenfalls einen Schwerpunkt auf den Ausbau seiner maritimen Wirtschaft. Indien versucht mit seiner Initiative „Make in India“ industrielle Produktion ins Land zu locken. Auch dort ist Hafenwirtschaft und Schiffbau ein Schwerpunkt. Insgesamt kommen damit bereits 90 Prozent der produzierten Schiffstonnage aus Asien.
Absatzsteigerung in Deutschland
Während in Asien mit dem Bau gewaltiger Werften die reine Tonnenideologie regierte, setzten viele Unternehmen der maritimen Wirtschaft in Deutschland auf zukunftsträchtige Nischen und Hightech. Damit erhöhten sich die Umsätze der deutschen Werften im vergangenen Jahr um 28 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro, teilt der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) mit. Es gingen neue zivile Aufträge für 16 Schiffe im Wert von 4,3 Milliarden Euro ein.
Der Auftragswert steigerte sich damit um 65 Prozent gegenüber dem schwachen Jahr 2013, so VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. Damit erhöhte sich der Auftragsbestand auf 40 Schiffe im Auftragswert von 10,8 Milliarden Euro, das ist der höchste seit 2008. Und das vor dem Hintergrund, dass weltweit die Auftragseingänge um weitere 18 Prozent zurückgingen, eine besonders imponierende Leistung.
Frachtschiffe werden mit großem Verlust in Asien gebaut. Aus Deutschland kommen bislang das größte Offshore-Seimik-Schiff für die Suche nach Öl und Gas, umweltfreundliche Kreuzfahrtschiffe, die längste private Mega-Yacht und das modernste Forschungsschiff der Welt. Hier werden Brennstoffzellen-U-Boote sowie aufwendige Rohr-Kabelleger und Offshore-Konverterplattformen gebaut.
Damit löste sich der deutsche Zweig der Schiffbauindustrie von den weiter anhaltenden Problemen des weltweiten Schiffbaus. „Die Konzentration auf Kernmärkte zahlt sich aus“, freut sich Harald Fassmer vom VSM. Kreuzfahrtschiffe und Mega-Jachten machten inzwischen 88 Prozent des Auftragsbestands aus, so der VSM-Vorsitzende. Hinzu kommen Forschungsschiffe, Spezialschiffe für die Offshore-Windindustrie und im militärischen Schiffbau Brennstoffzellen-U-Boote.
Schwierige Umstrukturierung
Doch die klassischen Werften kämpfen zumeist in Deutschland immer noch ums Überleben oder halten sich mit Wartungs- und Umrüstungsaufträgen über Wasser. Der Ausbau der Offshore-Windparks verläuft schleppend, und durch die niedrigen Ölpreise könnte sich das Geschäft dort weiter abschwächen. Der Offshore-Zulieferer Nordseewerke in Emden meldete Insolvenz an. Der Laubegaster Werftbetrieb in Dresden hat den Schiffbau inzwischen komplett aufgegeben.
Der Erfolg in den Nischenmärkten ist nicht gepachtet. Wie bereits beim Frachtschiffbau versuchen die asiatischen Konkurrenten auch die Zukunftsmärkte zu besetzen. Beispiel dafür sei das wachsende Interesse der Chinesen am Kreuzfahrtmarkt, erklärte Bernard Meyer, Inhaber der gleichnamigen Werft in Papenburg. „Kurzfristig können wir davon profitieren, weil mehr Schiffe benötigt werden.
Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann die Chinesen auf die Idee kommen, diese Schiffe selbst herzustellen und eine eigene Zulieferindustrie aufzubauen“, sagt Meyer. Der neue Konkurrent China ist jedoch gleichzeitig ein neuer Markt. Etwa 200 bis 300 Millionen Chinesen gehören bereits einer Mittelklasse an, die sich eine Kreuzfahrt leisten kann.
Das Geschäft mit Kreuzfahrten könne in Kürze in China explodieren, prognostiziert Meyer. Er hält am Standort Papenburg fest. „Bereits in den 70er-Jahren bekamen wir immer wieder die Frage gestellt: Warum baut ihr in Papenburg? Dort konzentriert sich unser Know-how. Wir bauen unsere Forschung weiter aus, wir wollen beim Kreuzmast-Schiffbau auch zukünftig Spitze sein.“
Im Anlagenbau und in der Fertigung von Hightech-Komponenten im Schiffbau habe China erhebliche Fortschritte gemacht, ergänzte Hans Christoph Atzpodien, Vorstand von ThyssenKrupp Marine Systems. Die Exportunterstützung solle daher ausgebaut werden. Im Schiffbau wird immer mehr Wertschöpfung mit teurer Technologie und hochwertiger Ausstattung erwirtschaftet.
„Bei unseren Kreuzfahrschiffen dürfte bereits über die Hälfte der Wertschöpfung aus Bereichen kommen, die wenig mit dem klassischen Schiffbau zu tun haben. Besonders schnell nimmt der Anteil von Elektronik und elektronischen Elementen zu“, meint Meyer.
Branchencluster wandert nach Süddeutschland
Durch diese Fokussierung auf Hightech verlieren die klassischen Schiffbaustandorte schnell an Bedeutung. Der einst größte deutsche Werftenstandort Hamburg verzeichnete 2014 einen Umsatzeinbruch von 480 auf 260 Millionen Euro. Der Hamburger Anteil am gesamten deutschen Markt liegt bei nur noch vier Prozent. Der Schwerpunkt der Schiffbaubranche liegt jetzt nicht mehr an der Nord- oder Ostsee, sondern in Süddeutschland.
Die Milliardenverluste und Probleme im Welt-Schiffbau haben nicht hauptsächlich individuelle betriebswirtschaftliche Ursachen. Sie zeigen die strukturellen Defizite im Bereich der globalen Handelspolitik. Diese Politik befeuert eine aggressive Expansion und schafft dadurch Spekulationsblasen. „Es sind dieselben Regierungen, die sich seit Jahrzehnten gegen verbindliche internationale Handelsregeln im Schiffbau sperren.
Antidumping und Antisubventionsregeln, in anderen Branchen etablierte Grundlage für die Ordnung der Weltmärkte, greifen im Schiffbau bis heute nicht“, klagt Lüken vom VSM. Die USA haben daher ihre Märkte abgeschottet, halten sie an ihrem 100-prozentigen Protektionismus für den Schiffbau fest. Schiffe für den inner-amerikanischen Verkehr müssen per Gesetz in den USA gebaut werden. „Dies ist sicher kein Modell für Deutschland, aber ein wichtiges Thema für die Freihandelsverhandlungen TTIP“, erklärt Lüken.
Konsequente Industriepolitik gefordert
Die weltweiten Entwicklungen erfordern in Deutschland eigene Ansätze für eine vernünftige Industriepolitik. Nicht nur China, sondern auch Japan und Südkorea betreiben eine umfassende staatliche Industriepolitik, gegen die Anbieter aus Deutschland zu kämpfen haben. Doch die Globalisierung schreite mit hoher Geschwindigkeit voran, und besonders der Schiffbau müsse sich diesen neuen Herausforderungen stellen.
Die IG Metall Küste und der VSM haben gemeinsam Vorschläge für eine Neustrukturierung der Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation in Schiffbau und Meerestechnik entwickelt. „Wir haben den Strukturumbruch nach dem Kollaps der Frachtschiffsmärkte weitgehend verdaut und uns erfolgreich bei unterschiedlichen Spezialschiffen positioniert. Jetzt heißt es, die Zukunft im Wachstumsmarkts maritime Industrie zu erschließen. Dazu wollen wir eine Innovationsoffensive auf den Weg bringen und damit auch den Stillstand in der deutschen Politik für Schiffbau und Meerestechnik aufbrechen“, erklärt Lüken.
Auch die Gewerkschaften sehen Bedarf und entwickeln selbst Vorschläge: „Wir setzen auf die Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft. Mit technologischen Spitzenprodukten können die Werften und Zulieferer in Deutschland auch weiterhin auf den Zukunftsmärkten punkten. Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame maritime Hightech Strategie für das nächste Jahrzehnt“, erklärt Heino Bade, Bezirkssekretär der IG Metall Küste.
Zentrale Forschungsstelle gefordert
Alexander Nürnberg, MacGregor Hatlapa, regt bei der Vorstellung der gemeinsamen Initiative die Gründung einer zentralen Forschungseinrichtung der maritimen Wirtschaft an. Aus verschiedenen Töpfen erhält die Branche pro Jahr insgesamt rund 74 Millionen Euro, sagt Lüken. Die Vorschläge laufen darauf hinaus, die Forschungsförderung für maritime Technologien der nächsten Generation von 32 auf 64 Millionen Euro zu verdoppeln, die Innovationsförderung für die Werften von 30 auf 45 Millionen Euro aufzustocken.
„Der Weltmarkt hat sich seit 2008 enorm entwickelt, aber die deutsche Politik für Schiffbau und Meerestechnik steht still“, klagt Lüken. Die maritime Industrie werde in Berlin und in den südlichen Bundesländern nicht richtig wahrgenommen als innovative Hightech-Branche mit großem Zukunftspotenzial. Dabei ist ein Großteil der maritimen Zulieferindustrie in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ansässig. So seien auch die vergleichsweise geringen Förderbeträge für die Branche zu erklären. Zum Vergleich: Die Luft- und Raumfahrtindustrie wird vom Staat mit rund 1,4 Milliarden Euro jährlich gefördert.
„Die maritime Industrie ist eine Zukunftsindustrie mit 100.000 Beschäftigten“, verdeutlicht Gewerkschaftsvertreter Bade. Sie produziere jedoch – anders als die Automobil- oder Flugzeugindustrie – keine Serienmodelle, sondern Einzellösungen und Unikate. Jedes Schiff sei wieder ein neues Projekt. Die deutschen Reeder unterstützen die Vorschläge der Schiffbauer und machen dazu Vorschläge: „Um innovative Technologien wie das saubere Flüssiggas LNG an Bord zum Durchbruch zu bringen, brauchen die Reedereien ein wirksames Förderprogramm, solange der Markt die hohen Mehrkosten nicht honoriert“, betont Ralf Nagel aus dem Präsidium des Verbands Deutscher Reeder (VDR).
Die zentrale Bündelung der Kräfte einerseits und viele unterschiedliche Initiativen andererseits sollen den deutschen Schiffbau weiter zukunftsfähig machen. Der VSM startete im Juni 2014 mit der KFW-Ipex-Bank die German Maretime Export Initiative (GeMaX). Damit soll insbesondere das maritime Zulieferpotenzial der deutschen Industrie gegenüber den weltweiten Bestellern vermarket werden. GeMAX unterstützt nicht nur die Exportfinanzierung, sondern bietet auch flankierende Langfristfinanzierungen.
Zur besseren Vermarktung gibt es jetzt ein Online-Angebot, das kontinuierlich ausgebaut werden soll. Durch diese Bündelung der Informationen sollen die ausländischen Schiffbauer besser und schneller über das Potenzial der deutschen Schiffbau-Zulieferer informiert werden. Das Portal zeigt: die Schiffbau-Zulieferer liefern nicht nur Standardprodukte aus dem Verkaufsregal. Ihre Stärke liegt darin, im Verbund zukunftsfähige Systemlösungen anzubieten. fa
Trends im Schiffbau
Grün auf dem Wasser
- Derzeit wird die Technologieentwicklung im Schiffbau von den drei großen E – Emissionen, Effizienz und Energie – vorangetrieben.
- Die Emissionen von Seeschiffen, vor allem in Häfen, müssen künftig erheblich reduziert werden. Die Vorteile der Energieerzeugung mittels Brennstoffzellen an Bord von Schiffen liegen in der Reduzierung von klima- und gesundheitsschädlichen Schadstoffen und der besseren Effizienz der Anlagen. Das Projekt e4ships hat zum Ziel, die Energieversorgung an Bord großer Schiffe deutlich zu verbessern. Zum Einsatz sollen Hochtemperatur- und PEM-Brennstoffzellen kommen, die die deutliche Reduzierung von Abgasemissionen sowie die Reduzierung des Brennstoffeinsatzes ermöglichen sollen.
- Nur saubere Meere und Destinationen führen zu einem gelungenen Kreuzfahrterlebnis. Deshalb investiert die Kreuzfahrtbranche seit Jahren erheblich, um jede neue Schiffsgeneration noch grüner zu machen. Aber auch in den Häfen spielt der Umweltschutz zunehmend eine wichtige Rolle. Bei der diesjährigen Seatrade Europe steht das Thema „Green Cruising“ im Mittelpunkt.
Die europäische Leitmesse für die Kreuzfahrtindustrie findet vom 9. bis 11. September 2015 auf dem Gelände der Hamburg Messe statt. Fa
ke NEXT hakt nach bei Dr. Reinhard Lüken, VSM
Drei Fragen an den Hauptgeschäftsführer vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik
Was sind die wichtigsten Herausforderungen für die deutsche Schiffbau-Branche?
Wir haben den Strukturumbruch nach dem Kollaps der Frachtschiffsmärkte weitgehend verdaut und uns erfolgreich in unterschiedlichsten hochspezialisierten Märkten positioniert. Aber neue Lösungen und Erfolge ziehen auch schnell Nachahmer an. Zusätzlich hat die Krise erneut zu einem Aufblühen ausufernder Unterstützungsprogramme in vielen Wettbewerber-Nationen geführt.
Wie kann die Politik dabei helfen?
Um die Zukunft im Wachstumsmarkt maritime Industrie zu erschließen, brauchen wir eine Innovationsoffensive. Weltweit werden jeden Tag eine Milliarde US-Dollar in maritime Hardware investiert. Durch gezielte Forschungsförderung könnte Deutschland an diesem High-Tech-Markt noch viel stärker partizipieren. Dafür muss Deutschland aber seine Wachstumschance erkennen und mit politischen Weichenstellungen ebenso konsequent verfolgen wie in anderen Schlüsselindustrien, etwa der Luft- und Raumfahrt oder der IT-Industrie.
Und auf welche Stärken setzt die Branche zukünftig?
Gerade in Deutschland, wo die maritime Wirtschaft deutlich stärker als in vielen anderen Teilen der Welt mittelständisch geprägt ist, beruht Erfolg auf einer Kombination von Spezialisierung und Kooperation. Wir setzen auf die Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft und auf technologische Spitzenprodukte. Dazu gehören große fachliche Kompetenz, hohe Qualitätsstandards und kontinuierliche Innovationsanstrengungen sowie die ständige Anpassung des Produktportfolios an die neuen Anforderungen.
Die Fragen stellte Dr. Thomas Kiefer, Autor für fluid und ke NEXT