Future Tech

21. Okt. 2025 | 12:34 Uhr | von Bernhard Richter

Ammoniak, KI und Windflügel

So steuert Rockwell Automation das emissionsfreie Mega-Labor EO3

Deep Dive Maritime Dekarbonisierung: Rockwell Automation steuert mit fortschrittlicher IT/OT-Integration die "Energy Observer 3" (EO3). Das emissionsfreie Mega-Labor testet Ammoniak als Wasserstoffträger und setzt neue Standards für autonome, nachhaltige Schifffahrt. Jetzt lesen, wie die Technik funktioniert.

Rockwell

Das schwimmende Labor arbeitet ohne direkte Treibhausgasemissionen. (Bild: Rockwell)

Das Connected Enterprise erobert die Weltmeere. Mit der „Energy Observer 3“ (EO3) legen Rockwell Automation und die französische Innovationsplattform Energy Observer die Messlatte für maritime Dekarbonisierung radikal höher. Im Fokus: Ammoniak als Wasserstoffträger und eine nie dagewesene IT/OT-Integration.

Die industrielle Automatisierung beschränkt sich längst nicht mehr auf die Werkshalle. Ein prominentes Beispiel dafür ist die seit 2016 bestehende Partnerschaft zwischen Rockwell Automation und Energy Observer. Nach dem weltweit ersten Katamaran mit vollständiger Wasserstoff-Bordkette, der sieben Jahre lang die Welt umrundete, präsentieren die Partner nun ihr bislang ambitioniertestes Projekt: Die Energy Observer 3 (EO3).

Das neue Labor-Schiff wird als schwimmendes Testgelände für CO₂-arme Lösungen dienen und die Zukunft der emissionsfreien Schifffahrt neu definieren. Dabei geht es nicht nur um eine Evolution, sondern um eine Revolution der Bordtechnik.

Die Energiemaschine der Zukunft

Herzstück der EO3 ist ein komplexes, direktes Treibhausgas-emissionsfreies Energiesystem, das Ammoniak als primären Wasserstoffträger nutzt. Die Integration dieses Systems erfordert ein Höchstmaß an Präzision und Datentransparenz, genau hier kommt Rockwell Automation ins Spiel.

Die technologischen Highlights an Bord:

  • Ammoniak-Pionier: Das Schiff integriert einen Ammoniakcracker, um Wasserstoff für die Brennstoffzellen zurückzugewinnen.

  • Dualer Brennstoffzellen-Einsatz: Es kommen sowohl Protonenaustauschmembran- (PEM) als auch Festoxidbrennstoffzellen (SOFC) zum Einsatz – eine Kombination, die maximale Effizienz bei unterschiedlichen Lasten sicherstellen soll.

  • 100%-Ammoniakmotor: Der Antrieb verfügt über einen reinen Ammoniakmotor, ergänzt durch eine Stickoxid (NOx)-Nachbehandlung.

  • Hybrider Antriebsmix: Hinzu kommen Batterien, automatisierte, effizienzsteigernde Windantriebsflügel und eine komplette Abdeckung der Aufbauten mit Hochleistungssolarzellen.

 

IT/OT-Integration: Das Hirn des Schiffes

Die extreme Komplexität dieses hybriden Energiesystems erfordert eine Steuerungsebene, die weit über konventionelle maritime Standards hinausgeht. Die Lösungen von Rockwell Automation bilden das "Connected Enterprise" an Bord.

Die Crew setzt auf neueste IT/OT-, Visualisierungs- und Datenmanagementlösungen. Diese sind essenziell, um die Ammoniakspaltung, die Brennstoffzellen und die Batteriespeicher in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren.

„Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, eine nachhaltigere Zukunft aufzubauen – eine Mission nach der anderen.“ – Emmanuel Guilhamon, Global VP Sustainability, Rockwell Automation.

Die Vorteile der Automatisierungs-Plattform:

  1. Echtzeit-Optimierung: Die Technologie ermöglicht eine datengetriebene Entscheidungsfindung für Onshore- und Offshore-Operationen, was die Energieeffizienz maximiert und Umweltauswirkungen minimiert.

  2. Robustes Datenmanagement: Die kontinuierliche Erfassung und Analyse von Betriebsdaten treibt die Innovation an und erlaubt eine sofortige Anpassung der Energieflüsse.

  3. Offene, Benutzerfreundliche Plattformen: Das Team von Energy Observer kann die Systeme selbst programmieren und warten. Diese Autonomie ist für den Betrieb in den entlegensten Winkeln der Welt entscheidend.

Kontinuität schafft Vertrauen

Die Partnerschaft ist ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche, langfristige Zusammenarbeit. Rockwell Automation begleitet die Mission von Energy Observer seit fast einem Jahrzehnt und stellt mit seinen Field Engineers weltweiten Service und technische Expertise zur Verfügung – unabhängig davon, wo das schwimmende Labor gerade unterwegs ist.

Die EO3 ist nicht nur ein Technologie-Demonstrator, sondern auch ein Wissenszentrum für Bildung, Forschung und internationale Zusammenarbeit. Die enge Verzahnung von fortschrittlicher Automatisierung, datengestütztem Management und dem Pioniergeist von Energy Observer zeigt, wie kollektive Expertise die Energiewende im maritimen Sektor und darüber hinaus massiv beschleunigen kann.

Die Botschaft ist klar: Die Zukunft der Schifffahrt wird nicht nur durch alternative Kraftstoffe, sondern vor allem durch die Intelligenz und Transparenz ihrer Steuerungssysteme bestimmt. Der EO3 ist dafür das ultimative Deep Dive.

5 FAQs zur Energy Observer 3 (EO3) und der Rockwell-Automatisierung

1. Welche Rolle spielt Ammoniak (NH₃) im Energiesystem der EO3?

Ammoniak dient in der EO3 als Wasserstoffträger. Es ist deutlich einfacher und effizienter zu speichern als reiner Wasserstoff. An Bord wird das Ammoniak in einem speziellen Ammoniakcracker wieder in Wasserstoff gespalten, welcher dann zur Stromerzeugung in den Brennstoffzellen genutzt wird. Ziel ist es, die Machbarkeit dieses Energiekreislaufs für große Schiffe zu demonstrieren. Zusätzlich kommt ein reiner Ammoniakmotor zum Einsatz, dessen Emissionen (insbesondere NOx) durch eine Nachbehandlung neutralisiert werden.

2. Wie managt die Automatisierung von Rockwell Automation die Komplexität des Hybrid-Antriebs?

Rockwell Automation liefert die zentrale IT/OT-Integrationsplattform (Connected Enterprise). Diese vernetzt alle Energiequellen – von den Solarzellen und den automatisierten Windflügeln über den Ammoniak-Kreislauf (Cracker und Motor) bis hin zu den PEM- und SOFC-Brennstoffzellen und den Batteriespeichern. Die Automatisierung ermöglicht:

  • Echtzeit-Datenanalyse: Kontinuierliche Überwachung aller Komponenten.

  • Intelligente Energieströme: Automatische Optimierung der Energieverteilung für maximale Effizienz und Autonomie.

  • Vorausschauende Wartung: Datengestützte Vorhersage von Wartungsbedarfen, was besonders wichtig für ein autarkes, globales Forschungsschiff ist.

3. Warum setzt man auf eine Kombination aus PEM- und SOFC-Brennstoffzellen?

Die Nutzung beider Zelltypen dient der maximalen Flexibilität und Effizienz unter variierenden Betriebsbedingungen:

  • PEM-Brennstoffzellen (Protonenaustauschmembran): Bieten eine schnellere Anlaufzeit und eine hohe Leistungsdichte, ideal für dynamische Lastwechsel oder Spitzenlasten.

  • SOFC-Brennstoffzellen (Festoxid): Arbeiten bei höheren Temperaturen, was sie sehr effizient macht. Sie eignen sich besonders gut für den stabilen Dauerbetrieb und können die Abwärme zur Dampferzeugung oder für andere Prozesse an Bord nutzen.

4. Was unterscheidet die EO3 von der ursprünglichen Energy Observer 1?

Die Energy Observer 1 war der erste Katamaran mit einer kompletten Wasserstoffkette an Bord. Sie diente als Machbarkeitsstudie. Die EO3 geht deutlich weiter: Sie ist ein dediziertes Labor-Schiff und ein Integrations-Demonstrator. Der Fokus liegt auf der Erprobung neuer, komplexerer Energieträger (Ammoniak), der Dual-Brennstoffzellen-Technologie und der extrem tiefen Verzahnung von digitaler Automatisierung (IT/OT), um eine hoch autonome und emissionsfreie Mobilität in großem Maßstab zu ermöglichen.

5. Inwiefern können die Erkenntnisse der EO3 die breitere Industrie beeinflussen?

Die EO3 ist ein Technologie-Katalysator. Die Erkenntnisse aus der Steuerung und Optimierung dieses extrem komplexen, hybriden Energiesystems unter härtesten realen Bedingungen sind direkt übertragbar auf:

  • Industrielle Energiesysteme: Microgrids und Energiespeicherlösungen in der stationären Industrie.

  • Schwerlastmobilität: Die Dekarbonisierung von Frachtschiffen, Zügen oder Mining-Fahrzeugen, die ebenfalls vor der Herausforderung der Ammoniak- oder Wasserstoffnutzung stehen.

  • Edge Computing in Remote-Umgebungen: Das robuste Datenmanagement unterbrechungsfreier Autonomie in abgelegenen Gebieten.

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