
Real und virtuell: Links die 60 Jahre alte Fräse, rechts auf dem Bildschirm ihr digitaler Zwilling. (Bild: A. Sell/Smartfactory-KL)
Grüner Schlaglack und 1,5 Tonnen schwer: eine Maschine, wie sie zu Tausenden in deutschen Unternehmen zu finden ist. Doch die Fräse der Werkzeugmaschinenabrik „Friedrich Korradi“ ist damit nicht mehr zu vergleichen. Einige Hardware-Umbauten und vor allem ein Digitaler Zwilling ermöglichen bisher undenkbare Erweiterungen, Zeitersparnis und Präzision. Zudem öffnet der Digitale Zwilling das Tor in die Produktion der Zukunft.
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Retrofitting als günstige Industrie 4.0-Option
Andreas Wagner von der RPTU Kaiserslautern-Landau liebäugelte schon länger mit der Idee des Retrofittings, seit die Fräsmaschine vor zwei Jahren angeliefert wurde. Seine Idee: sie so umzurüsten, dass sie Skill-basiert arbeiten kann. Er selbst promoviert zu dem Thema Skills und sieht Retrofitting als günstige Option, um neueste Technologien mit alten Maschinen zu verbinden.
„Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeiten von Industrie 4.0-Technologien nicht, weil sie denken, sie müssen dann neue Maschinen anschaffen“, erklärt er. „Ich will zeigen, dass das nicht richtig ist. Die Digitalisierung kann überall Einzug halten und ihre effiziente Wirksamkeit entfalten.“
Was wurde an der Fräse geändert?
Vorschubmotoren und CNC-Steuerung
Die Maschine wurde mit Vorschubmotoren, Digitalem Zwilling und einer CNC-Steuerung ausgestattet. Die physikalischen Fähigkeiten (Skills) der Fräse sind nun als digitale Skills aufrufbar, so zum Beispiel das Fräsen von Rechteck- oder Kreistaschen. Sie sind über eine einheitliche OPC UA -Schnittstelle ansteuer- und parametrisierbar. Der Digitale Zwilling kalkuliert vor Arbeitsbeginn unter anderem Kosten und Energiebedarf, plant die Trajektorie und prüft diese auf Kollisionen. Somit übernimmt er die Rolle eines CAM-Systems und gibt Informationen zurück, die etwa zur Erstellung eines Angebots genutzt werden können. Der Digitale Zwilling hilft somit, den gesamten Planungsprozess zu automatisieren und zu optimieren.
Über welche zusätzlichen Fähigkeiten verfügt die SkillMill jetzt?
Geometrische Features eines Bauteils können mithilfe modernster Industrie 4.0-Paradigmen direkt aus dem CAD heraus gefertigt werden. Das spart zeitaufwändige Programmierarbeit. Bei der Suche nach passenden Maschinen für einen bestimmten Auftrag, meldet sich die SkillMill wie auch alle weiteren Maschinen mit ähnlichen Fähigkeiten im Maschinenpark gemäß dem Skill-basierten Ansatz automatisch zurück. Um sicherzugehen, dass ein Skill mit seinen spezifischen Parametern ausführbar ist, führt der Digitale Zwilling im Vorfeld einen Feasibility-Check durch, um die Machbarkeit des Arbeitsauftrages zu überprüfen.
Wieso ist die SkillMill beispielhaft für andere Maschinen im Bownfield?
„Alte Maschinen stehen auch heute noch in Produktionshallen herum“, so Wagner. Das Beispiel zeigt, dass auch solche Maschinen durch ein Retrofitting in die Zukunft transferiert werden können. „Denkbar wäre, dass sie über den Digitalen Zwilling in Datenräume eingebunden werden, wie sie mit Gaia-X oder Manufacturing-X angedacht sind“, erklärt Wagner weiter.
„Dann könnte die Maschine ihre Skills dort anbieten und diese dann von anderen Unternehmen gemietet werden. So würde sie neue Aufträge bekommen und verstärkt genutzt werden.“ Durch den Digitalen Zwilling kann die Maschine einen anfragenden Kunden exakt über die Arbeitsdauer, den CO2-Fußabdruck, den Energiebedarf oder den Preis informieren. So öffnet der Digitale Zwilling das Tor zur Produktion der Zukunft.