Single Pair Ethernet – Schlüsseltechnologie für die Automatisierung

Der Schlüssel für viele Zukunftstechnologien liegt im schnellen Zugriff auf Daten und in nahtloser Kommunikation, innerhalb der Netzwerke ebenso wie vom Sensor in die Cloud. Single Pair Ethernet (SPE) kann genau hier seine Vorteile ausspielen und als Gamechanger für die Automatisierungsbranche fungieren.

Aber der Reihe nach. Was ist SPE eigentlich? SPE stammt ursprünglich aus der Automobilindustrie und hält nun nach und nach Einzug in andere Branchen. Zum einen ermöglicht die Technologie eine nahtlose Anbindung der Sensorik und Aktorik von der OT in die IT-Ebene. Zum anderen ist per SPE – statt wie bisher über eine zwei- oder vierpaarige Leitung – Datenübertragung und Stromversorgung über nur ein einziges Adernpaar möglich. Die Kommunikation zwischen den SPE-Geräten ist nicht nur transparent und protokolloffen, sie ermöglicht auch Kabellängen bis zu 1 000 Metern. Auf genormten Schnittstellen der IEEE 802 sind Datengeschwindigkeiten von 10 Mbit/s bis 10 Gbit/s auf einer einfachen Zweidrahtleitung möglich.

Die bestehenden und künftigen SPE-Lösungen besitzen somit das Potenzial, eine Kernkomponente einer Internet-of-Things-fähigen Netzwerkarchitektur zu werden. Zahlreiche Vorteile durch SPE Je nach Applikation kann SPE mit ganz unterschiedlichen Vorzügen punkten:

• Mit nur einem Adernpaar anstatt vier- oder achtadrigen Systemen gewinnen Anwender viel Raum. Ein Aspekt, der zunehmend wichtiger wird, schließlich werden Sensoren der neuesten Generation immer komplexer, außerdem ist der vorhandene Platz häufig limitiert.
• Ein System, das einen Sensor mit nur einer Leitung sowohl mit Energie als auch mit Daten versorgen kann, ist anderen Systemen überlegen – Stichwort Power over Data Line (PoDL).
• Andererseits erlaubt SPE deutlich größere Distanzen und entschlackt aufgrund der kleineren Leitungsdurchmesser die Kabelarchitektur enorm.

Aufgrund dieser zahlreichen Vorteile – Reduktion von Adernpaaren, längere Leitungslängen oder die effiziente Kombination von Energie- und Datenübertragung – ist SPE dazu prädestiniert, als Enabler-Technologie für die gesamte Automatisierungstechnik zu wirken. Obwohl bisher nur vereinzelt Produkte verfügbar sind, arbeiten aktuell viele Hersteller – darunter auch Murrelektronik – an neuen SPE-Lösungen. Darüber hin aus zeigt das gestiegene Interesse unserer Kunden, dass die Technologie für zukünftige Maschinen- und Anlagenkonzepte besonders relevant ist.

Im Gegensatz zu den üblichen Ethernet-Technologien eignet sich SPE aufgrund seiner Stärken insbesondere für den Einsatz in der Prozessindustrie, beispielsweise beim Tausch des Feldbussystems von Profibus auf Profinet. Notwendige Wechsel zwischen verschiedenen Technologien lassen sich durch den Einsatz von universellen SPE-Standards vermeiden. SPE leistet so einen entscheidenden Beitrag zur nahtlosen Vernetzung für Industrie-4.0-Anwendungen.

Werfen wir noch einen Blick auf Reichweite und Datenübertragung: Bereits jetzt ist SPE mit Ethernet, EtherCAT, TSN, Profinet und Ethernet/IP kompatibel. Über Zweidraht-Infrastruktur erlaubt 10BASE-T1L derzeit die Übertragung von 10 Mbit/s bei Leitungslängen von bis zu 1 000 Metern. Das ist beispielsweise für die Prozessautomatisierung relevant, in der sich Sensoren und Aktoren oft nicht im unmittelbaren Steuerungsumfeld befinden. Auf Basis von 1000BASE-T1L sollen künftig Datenübertragungsraten von 100 Mbit/s über eine Distanz von 500 Metern möglich werden.

Der IEEE 802.3cy-Standard verspricht einen noch höheren Durchsatz: In der Fabrik der Zukunft sollen Daten mit rasanten 100 Gbit/s in Leitungen von bis zu 11 Metern Länge fließen und vielfältige Applikationen wie autonome Roboter oder KI-optimierte Produktionsprozesse ermöglichen.

Die SPE-Technologie ist komplex und weist in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Reifegrade auf. Meiner Meinung nach wird SPE zuerst dort Einzug halten, wo der Nutzen für die Anwender am größten ist. Also in der Prozessindustrie oder in der Gebäudeautomation. In den kommenden ein bis zwei Jahren werden wir hier vermutlich die ersten Anwendungen erleben. In rund drei bis fünf Jahren rechne ich mit der breiten Implementierung von SPE in der Logistik.

Bis SPE dann branchenübergreifender Standard sein wird, beispielsweise beim vollständigen Einsatz in Feldbussystemen, vergehen sicherlich noch ein paar Jahre. In den kommenden zehn Jahren werden wir hier aber in großen Schritten vorankommen. In bestehenden Brownfield-Umgebungen wird es dann zu einer Co-Existenz zum bestehenden Ethernet-System kommen, neue Greenfield-Anwendungen werden dann in der Mehrzahl mittels SPE realisiert.

Umso wichtiger ist es für Unternehmen, nicht untätig auf den Technologie-Change zu warten, sondern sich bereits jetzt dafür in Stellung zu bringen. Deshalb ist Murrelektronik im September vergangenen Jahres der SPE System Alliance beigetreten. Dabei handelt es sich um einen weltweiten Zusammenschluss führender Technologieunternehmen. Sie alle eint das Ziel, SPE in verschiedenen Märkten und Applikationen zu etablieren. Darüber hinaus sind wir auch im Single Pair Ethernet Partner Network aktiv. Mit diesem Engagement möchten wir zusammen mit den anderen Mitgliedern Industriestandards neu definieren und die Zukunft der Automatisierung aktiv mitgestalten. SPE nimmt bei Murrelektronik jetzt schon eine wesentliche Rolle ein: Wir setzen auf dezentrale Automatisierung und bieten unseren Kunden vollständig schaltschranklose Lösungen für den Einsatz im Feld – ohne Umwege.

Wir werden deshalb auch die SPE-Technologie als Systemkomponente in unser Konzept der dezentralen Automatisierung aufnehmen. Schließlich möchten wir unseren Kunden stets die bestmögliche Lösung für ihre Automatisierungsvorhaben bieten – jetzt und in Zukunft. Das ist unser Anspruch.