ebm-papst St. Georgen gibt in der Antriebstechnik mächtig Gas. Dabei verfolgt das Unternehmen vorrangig das Ziel, die Systemkompetenz auszubauen. Mit der Übernahme von Zeitlauf kommen die Schwarzwälder diesem Ziel einen Schritt näher. Aber auch der jüngste Motorspross, der bürstenlose Innenläufermotor ECI 63 mit integrierter Regelelektronik K4, ist Teil der Offensive.
Branchenkenner verbinden mit dem Namen ebm-papst historisch betrachtet eher Lüfter-Lösungen. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Unternehmen auch einen Namen im Bereich der Antriebstechnik erarbeitet. Das offenbart der Blick auf die Meilensteine der Unternehmensentwicklung:
1963: Gründung der Elektrobau Mulfingen durch Gerhard Sturm und Heinz Ziehl
1965: Entwicklung des ersten Kompaktlüfters in EC-Technik, damals noch kollektorlose Gleichstrommotoren genannt
1992: Übernahme der Papst Motoren GmbH in St. Georgen (gegründet 1942 durch Hermann Papst)
1995: Entwicklung der ersten Baureihe von bürstenlosen Außenläufermotoren (Variodrive)
1997: Kauf des Werkes Landshut von Alcatel, Umbenennung in Motoren Ventilatoren GmbH (mvl)
1998: Entwicklung der ersten energiesparenden Radial- und Axialventilatoren mit integrierter Elektronik
2000: Baureihenentwicklung bürstenbehafteter Gleichstrommotoren
2003: Umfirmierung der drei Unternehmen in ebm-papst Mulfingen, ebm-papst St. Georgen und ebm-papst Landshut
2004: ebm-papst St. Georgen stellt EC-Innenläufermotor mit integrierter Betriebselektronik vor
2007: ebm-papst überschreitet die Umsatzschwelle von einer Milliarde Euro
2010: Mit GreenTech setzt ebm-papst eine Unternehmensphilosophie rund um Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit um.
2013: Übernahme des langjährigen Getriebepartners Zeitlauf Antriebstechnik.
Eine erste Basis der Antriebstechnik lag somit in der Lüftertechnik. Johannes Moosmann, in St. Georgen Geschäftsbereichsleiter der industriellen Antriebstechnik, erklärt den Zusammenhang: „Wir produzieren schon seit über 40 Jahre bürstenlose Lüfter. Die Erfahrung mit der bürstenlosen Technologie konnten wir auch für unsere bürstenlosen Motoren nutzen. Unsere Kompetenz in diesem Bereich zeigt sich insbesondere auch in der Elektronik und Software.“
Um nun zu verstehen, wie die Antriebstechnik heute aufgestellt ist und zukünftig positioniert sein soll, sollte man die Struktur in St. Georgen kennen und muss den Kreis zur Mutter in Mulfingen schließen. Die ebm-papst-Gruppe mit Sitz in Mulfingen erwirtschaftet mit etwa 11.000 Mitarbeitern knapp 1,4 Mrd. Euro Umsatz. ebm-papst St. Georgen beschäftigt rund 3200 Mitarbeiter, der Umsatz liegt bei knapp 300 Mio. Euro.
In St. Georgen sind drei Geschäftsbereiche angesiedelt: industrielle Lufttechnik, Automobilindustrie und industrielle Antriebstechnik. „Somit können die unterschiedlichsten Branchen mit unseren Lüftern und Antriebslösungen bedient werden“, sagt Moosmann.Um den Geschäftsbereich industrielle Antriebstechnik zu stärken, hat ebm-papst St. Georgen zum 1.1.2013 den Getriebehersteller Zeitlauf übernommen. „Die Akquisition ermöglicht uns zukünftig optimierte Antriebslösungen, bestehend aus Motor, Getriebe und softwaregestützter Steuerungstechnik, anzubieten“, sagt Dirk Schallock, Geschäftsführer ebm-papst St. Georgen. „Die Firma Zeitlauf ist für uns daher strategisch wichtig, da sie unsere Systemkompetenz in der Antriebstechnik erweitert und damit den Standort St. Georgen stärkt.“ Schallock ist sich sicher, dass diese Erweiterung und die Möglichkeit, nun Komplettsysteme anzubieten, ein klarer und richtiger Schritt in die Zukunft ist.
Das im fränkischen Lauf (bei Nürnberg) angesiedelte Unternehmen Zeitlauf gilt als Spezialist von industriellen Getrieben. Zum Produktportfolio zählen Planeten-, Stirnrad- und Winkelgetriebe. Mit 280 Mitarbeitern generiert Zeitlauf einen Jahresumsatz von rund 32 Mio. Euro. Im industriellen Antriebstechnikbereich besteht die Möglichkeit, am deutschen Markt noch sehr stark wachsen zu können. Das Marktpotenzial für Motoren bis 750 W ist sehr groß. Derzeit wird ein großer Anteil des Umsatzes in Deutschland erwirtschaftet. Über die Infrastruktur der Muttergesellschaft mit einem weltweiten Netz an Niederlassungen plant ebm-papst St. Georgen auch international höhere Markanteile zu generieren.
Bürstenlose Technik im Fokus
Dass damit auch der Ausbau des Produktportfolios einhergeht, versteht sich beinahe von selbst. Fokussiert auf den Leistungsbereich soll es aber fürs Erste noch bei 10 bis 750 W bleiben. Johannes Moosmann: „Im ersten Schritt soll es mal so bleiben. Wenn man sich zukünftig aber verstärkt in der Automatisierungstechnik engagiert, bleibt ein Ausbau nach oben unausweichlich.“
Im Motorenbereich bleibt bei Produktentwicklungen auch zukünftig die bürstenlose Technik im Fokus. Man sei zwar auch bei den Bürstenmotoren sehr gut aufgestellt, aber die weitere strategische Ausbauphase soll von den bürstenlosen Motoren im Bereich der Außenläufer- und Innenläufermotoren geprägt sein, betont der Geschäftsbereichsleiter: „Da sind einmal die Innenläufermotoren ECI 42 mit 42 mm Außendurchmesser. Neu ist nun der ECI 63 mit 63 mm Durchmesser. Das sind die Kernmotoren, auf denen wir unsere Systeme ausbauen wollen.“ Der Vollständigkeit halber sei an der Stelle erwähnt, dass es obendrein noch die Größen 32, 52 und 80 gibt.
Wenn Johannes Moosmann von Motor spricht, ist im Grunde ein Antriebssystem gemeint – denn da sind neben dem eigentlichen Motor auch Komponenten wie Elektronik, Getriebe, Geber und Bremse inbegriffen. Hier kommt nun wieder der Vorteil des Zusammenwirkens der drei Geschäftsbereiche zum Tragen. Moosmann: „Zusammen mit dem Automotivebereich können wir auf die gleichen Aktivteile zurückgreifen. Mit Aktivteilen bezeichnen wir den Stator und den Rotor. Ziel war, diese leistungstechnisch und kostentechnisch möglichst optimal auszulegen. Diese Aktivteile bilden das Herzstück. So gesehen erweitern wir unser System mit den bürstenlosen Innenläufermotoren modular.“
Da kommt nun der neue dynamische EC-Motor mit integrierter Regelelektronik ins Spiel. Der elektronisch kommutierte Innenläufermotor der Baugröße 63 (ECI 63) in Kombination mit einer integrierten Steuerung K4 erweitert nun die Auswahlpalette für den Anwender bei der Kombination von Modulen ganz wesentlich. Die Steuerung beinhaltet eine kompakte sinuskommutierte Leistungsendstufe und kann den Motor mittels feldorientierter Regelung bis zum Stillstand betreiben. Außerdem bietet sie mehrere analoge und digitale I/O-Schnittstellen für Drehzahl- und Positionsregler inklusive Halteregler mit Drehmomentbegrenzung (Strombegrenzung) und für schnelle Wechsel zwischen unterschiedlichen, vordefinierten Betriebszuständen. Obendrein bietet sie die Möglichkeit zur einfachen Parametrierung und zum Firmware-Download mittels einer seriellen Schnittstelle (RS485). Die Motoren gibt es je nach Leistungsanforderung von 150 bis 400 W in drei Varianten mit Paketlängen von 20, 40 und 60 mm. Der Motorwirkungsgrad liegt bei rund 90 %. Getriebe-, Brems- und Gebermodule vervollständigen den Baukasten. Je nach Baulänge sind verschiedene Spannungsvarianten vorgesehen: 24 und 48 V.
Die unterschiedlichen K-Klassen
Modular ist bei ebm-papst St. Georgen auch die Elektronik, gekennzeichnet durch sogenannte K-Klassen. Hier gilt: je höher die Ziffer, desto größer der Funktionsumfang. Dabei bedeuten:
- K1: Motor mit Rotorlagegeber; Motor für externe Kommutierung; Funktion: Erfassung der Rotorlage
- K3: Motor mit Motorcontrol-Basisausstattung; Motor blockkommutiert; Funktion: Drehzahlregler, Sicherheitsfunktionen, digitale und analoge I/Os
- K4: Motor mit erweiterter Motorcontrol-Basisausstattung; Motor sinuskommutiert mit feldorientierter Regelung bis n=0; Funktion: Drehzahl- und Drehmomentregler
- K5: Motor mit erweiterten Motorcontrol; Motor sinuskommutiert mit feldorientierter Regelung bis n=0; Funktion: Strom-, Drehzahl-, Positionsregler, erweiterte Sicherheitsfunktionen, Bussystem beispielsweise CANopen, programmierbar (Phyton Interpreter), einfachen SPS-Funktionalitäten, Firmware-Download.
Der Einsatz des „kleinen Genies“, wie Johannes Moosmann den Motor nennt, ist vielschichtig: industrielle Automatisierung, Intralogistiksysteme, Medizintechnik, Gebäudeautomation und Textiltechnik. Moosmann ergänzt: „Wir können mit dem ECI 63 noch Applikationen abdecken, bei denen der Wettbewerb längst schon einen größeren Motor-Durchmesser benötigt.“ Und noch eines: ebm-papst St. Georgen bietet mit der Neuheit auch Alternativen zu Motorkonzepten an, die aufgrund ihres Motorprinzips vergleichsweise ineffizient sind.
Fakten auf einen Blick
Der neue ECI 63.xx K4
- Antrieb mit komplett integrierter 4Q-Betriebs- und Regelelektronik K4
- Drehzahl-, Positionier- oder Drehmomentmodus möglich
- Auswahl der Betriebsmodi und Parametrierung über RS 485
- Umfangreiche Schnittstelle mit diversen Ein- und Ausgängen
- Freischaltung der Endstufe über digitalen Eingang
- integrierter Bremschopper
- Drehzahlsollwerte von n=0 mit Haltemoment bis 4000 U/min möglich
- Feldorientierte Regelung
- Hohe Schutzart IP 54, 15-poliger Anschlussstecker
- Anwenderfreundliche Parametrierung über PC-Software ‚Kickstart‘ möglich.
Was noch bleibt ist die Frage nach der Markteinführung: Darauf antwortet Moosmann: „Wir haben in verschiedenen Industriezweigen Muster im Feld. Die Anwender waren überrascht, welche Features wir auf kleinem Bauraum abdecken können und wie einfach der Umgang mit diesem System ist. Komplexe regelungstechnische Anwendungen können jetzt über eine bedienerfreundliche Benutzeroberfläche realisiert werden. Im April ist Serienstart.“
Autor: Franz Graf, Chefredakteur