Gussasphalt besitzt im Vergleich zum Walzasphalt Vorteile, die ihn in vielen Alltagssituationen zu einem geeigneten Baustoff für Bodenbeläge machen – vorrangig im Straßenbau, aber auch als Industrieboden und sogar im Hausbau. Einerseits ist er sehr strapazierfähig, andererseits wasserdicht und zudem sehr langlebig. Vor allem im Brückenbau ist er deshalb sehr gefragt – und nicht nur dort. „Obwohl dieses Material gegenüber dem Walzasphalt eher als Nischenprodukt anzusehen ist, steht ihm aufgrund seiner positiven Eigenschaften eine überaus vielversprechende Zukunft bevor“, kommentiert Heiko Steidl, Produktmanager bei Benninghoven.
Als Spezialist in der Herstellung von Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen für den Straßenbau erwirtschaftet der Konzern mit weltweit rund 7000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz in Höhe von 2,25 Milliarden Euro. Für das Familienunternehmen zählen moderne Technologien in Verbindung mit hoher Fertigungsqualität zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Bestes Beispiel dafür ist die Entwicklung des neuen Gussasphalt-Transportkochers GKL, der erstmals auf der Baumaschinenmesse Bauma im April 2016 in München einem internationalen Fachpublikum vorgestellt wurde. Heiko Steidl bestätigt: „Die moderne Konzeption unserer Fahrzeuge sowie unserer stationären Systeme hat die gesamte Branche schon vorab in Aufregung versetzt.“
Der feine Unterschied: moderne Getriebe- und Antriebstechnik
Ein wesentlicher Grund dafür ist die besondere Antriebstechnik, die dort zum ersten Mal in einem solchen Fahrzeugtyp zum Einsatz kommt. Während es bisher üblich war, die zentrale Mischerwelle eines auf dem Fahrzeug liegenden Tanks hydraulisch anzutreiben, hat Benninghoven nun zusätzlich eine Variante mit rein elektrischem Antrieb gebaut. GKL Silence heißen diese Gussasphalt-Mischer und signalisieren damit schon den wichtigsten Unterschied zur konventionellen Bauweise, wie Heiko Steidl erklärt: „Bei laufendem Betrieb geben wir für diese Fahrzeuge einen Geräuschpegel von circa 60 Dezibel an.“
Möglich ist das durch den Einsatz eines kompakten zweistufigen Planetengetriebemotors von Siemens. Damit wird eine Gesamtuntersetzung von rund 1:230 erreicht. In Verbindung mit einem vierpoligen Drehstrom-Asynchronmotor und dessen maximaler Antriebsdrehzahl von circa 1500 min–1 ergibt sich eine höchste Ausgangsdrehzahl von etwa sieben Umdrehungen pro Minute an der Mischerwelle. In Verbindung mit einer Frequenzregelung kann der Maschinenbediener nun präzise und feinfühlig die für das Gussasphaltgefüge notwendige Drehzahl zwischen Null und sieben Umdrehungen pro Minute justieren. Das Optimum liegt in der Größenordnung von vier Umdrehungen pro Minute.
Leise Fahrzeuge für längere Einsatzzeiten
Die geringe Geräuschentwicklung aufgrund der rein elektrischen Antriebslösung sorgt in der Praxis für eine höhere Verfügbarkeit und damit mehr Arbeitsleistung, da in Wohngebieten besondere Schallpegel eingehalten werden müssen. Arbeiten in den frühen Morgenstunden, in den späten Abendstunden und nachts sind mit konventioneller Antriebstechnik zu solchen Zeiten in aller Regel nicht zumutbar. „Mit dem Silence funktioniert das besser, da die Geräuschentwicklung entsprechend gering ist“, versichert Heiko Steidl. Die Fahrzeuge können sogar an eine stationäre Drehstrom-Energieversorgung angeschlossen und so ohne Dieselmotor als Energiequelle betrieben werden.
Was sich im Ergebnis einfach anhört, ist bei der konstruktiven Erklärung natürlich etwas komplexer. Insofern ist viel Know-how beim Fahrzeugaufbauhersteller in Bezug auf die verfahrenstechnischen Abläufe notwendig, ebenso wie beim Zulieferer die antriebstechnischen Details. Ein Beispiel hierfür ist, dass im ersten Drittel des Beladevorgangs am Kocher materialbedingt Drehmomentspitzen auftreten, denen der Planetengetriebemotor ausgesetzt ist.
Ein Vorteil der neuen elektrischen Lösung im GKL Silence ist, dass das Drehmoment von bis zu 35.000 Newtonmeter bei jeder Drehzahl übertragen wird. Das ist deshalb wichtig, weil das Aufheizen des Gussasphalts entsprechend zeitintensiv ist und während dieser Zeit die erwähnten Leistungsspitzen auftreten. Außerdem kann je nach gewählter Zusammensetzung eine sehr zähe Mischung entstehen, bei der eine homogene Durchmischung an die Leistungsgrenzen des Antriebs gehen könnte.
Insofern ist die Qualität der Antriebstechnik ein entscheidender Aspekt für die Vermarktungsstrategie der Kocher. „Wird eine Stunde lang nicht gerührt, ist die Gussasphaltmischung unbrauchbar und muss aufwendig entsorgt werden“, weiß Steidl aus langjähriger praktischer Erfahrung im elterlichen Betrieb.
Drehmomente bis 80.000 Newtonmeter
Ein weiterer Aspekt für den Einsatz einer solchen rein elektrischen Lösung ist die Kompaktheit. So bietet Siemens diese Einheit als hochintegrierten Planetengetriebemotor an, bei der der Motor so nahe wie möglich an das Planetengetriebe herangerückt wurde. Die Planetengetriebe gibt es standardmäßig bis zu 80.000 Newtonmeter. Durch den modularen Aufbau kann der Planetengetriebemotor flexibel an den jeweiligen Drehzahl- und Leistungsbereich angepasst werden, denn die GKL-Silence-Fahrzeuge gibt es mit Behältergrößen von fünf, 7,5 und zehn Kubikmeter. Bei den stationären Gussasphalt-Vorratsbehältern (GAV) mit Behältergrößen von 10,4 bis 25 Kubikmeter treiben zwei solcher Planetengetriebemotoren die Mischerwelle beidseitig an – und erbringen die Vorteile eines elektromechanischen Antriebs, wie zum Beispiel die bessere Regelbarkeit gegenüber hydraulischen Lösungen.
Sowohl die Getriebemotoren als auch die Planetengetriebe wurden aus dem Standardprogramm von Siemens ausgewählt. Die SIP-Planetengetriebe von Flender gibt es optional sogar mit Öltemperaturkontrolle, in explosionsgeschützter Ausführung und Tieftemperaturauslegung bis minus 40 Grad Celsius sowie hochwertigen Taconite-Dichtungen. Welche Vorteile das hat, zeigt das Einsatzspektrum von Taconite: Durch die Dichtheit des Materials wird es auch gerne in sehr kalten Regionen eingesetzt. Aufgrund der Materialzähigkeit werden die gesamte Antriebstechnik und damit auch die Dichtungen stärker belastet als sonst. Steidl bestätigt: „Wir kennen Fälle, in denen hydraulische Lösungen im Verlauf des Gussasphalt-Transports am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt waren, während unsere elektrische Lösung ohne Probleme bis zum Ziel gemischt hat.“ Beispielsweise wird die Wicklungstemperatur des Motors über PT100-Sensoren überwacht. Sollte die Temperatur zu weit ansteigen, wird ab 70 Grad Celsius die Fremdlüftung am Motor zugeschaltet.
Gestalterischer Spielraum
Die große Variantenvielfalt der SIP-Planetengetriebe ergibt sich durch fünf Abtriebswellentypen sowie das Getriebedesign für Motoren in koaxialer und in 90-Grad-Anordnung. Die Getriebe können sowohl horizontal als auch vertikal montiert werden. Neben modularem Aufbau und breitem Leistungsspektrum ist auch die Flexibilität beim Anschluss an die Arbeitsmaschine ein wichtiger Erfolgsfaktor: Zylindrische Welle mit Passfeder oder mit Passverzahnung, Hohlwelle mit Schrumpfscheibe oder mit Passverzahnung sowie Flanschwellenanschluss gehören somit zum Standard. Das ergibt den gestalterischen Spielraum für Anwender, um die Planetengetriebemotoren in den vorgegebenen Bauraum einzupassen.
„Die Flexibilität der Getriebe in Kombination mit dem breiten Einsatzspektrum plus die Siemens-Getriebemotoren ist für unsere Standardisierungsstrategie, die wir ja nicht nur bei den Gussasphalt-Kochern verfolgen, ideal“, fasst Steidl zusammen. Bei Benninghoven entschied man sich für eine Schrumpfscheibenverbindung, weil es einerseits eine kostengünstige Verbindungslösung ist und andererseits in das Standardisierungskonzept des Unternehmens passt. Außerdem kann diese einfach selbst gefertigt werden, was bei einer Fertigungstiefe von etwa 75 Prozent ein nicht unwesentliches Detail darstellt.
Moderne Getriebetechnik führt zur leisen Lösung
Mit den neuen Gussasphalt-Transportkochern beginne eine neue Ära in der Kochertechnik, wie vom Hersteller zu hören ist. Möglich war das unter anderem durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem MD-Fachvertrieb von Siemens, dem Siemens-Stammhaus und dem Anwender, also mit geballter Beratungskompetenz zur geeigneten Gesamtlösung. Durch Einsatz der SIP-Getriebe in Verbindung mit Drehstrom-Asynchronmotoren von Siemens als komplett einbaufertige Planetengetriebemotoren ist die Antriebstechnik robust, feinfühlig regelbar und schafft auch steuerungstechnische Vorteile. Heiko Steidl berichtet: „Durch den vollelektrischen Antrieb der Mischerwelle können wir auf der Steuerungsebene eine Messdatenerfassung machen, die uns bezüglich Prozesstechnik und Service wertvolle Informationen gibt.“
Diese möchte der Experte in der Praxis so umfassend wie möglich nutzen. Beispielsweise gibt es für den GKL Silence schon eine Handy- beziehungsweise Tablet-App, die das Display des Fahrzeugs in Echtzeit abbildet. Das erleichtert dem Fahrer nicht nur den Fahrzeugbetrieb, sondern auch das Vorheizen am Morgen, das er per Datenfernübertragung starten kann, sofern er sich im Empfangskreis des fahrzeugeigenen WLAN-Knotens befindet. Für den Fachmann ist klar: „Moderne technische Lösungen, wie zum Beispiel der vollelektrische Mischerwellenantrieb bilden die Grundlage für deutliche Prozessverbesserungen und einen immensen Arbeitsgewinn; der Markt wird dieses leise Angebot zu schätzen wissen.“ jl