Baukasten ABMAXX,

Mit dem modularen Baukasten ABMAXX bietet Bosch Rexroth eine Lösung an, mit der Anlagenhersteller und Endanwender die Komplexität und Kosten von Großaggregaten für den 24/7-Betrieb entscheidend reduzieren. (Bild: Bosch Rexroth)

Covid-19 hat in diesem Jahr zu vielen Veränderungen geführt. Viele Unternehmen sind an ihre Belastungsgrenzen gestoßen oder können sich bis heute von den Auswirkungen des wochenlangen Shutdowns nicht erholen. Auf der anderen Seite hätte es ohne die Pandemie wahrscheinlich weder im privaten noch im industriellen Bereich einen derartigen Digitalisierungsschub gegeben.

Festo Smartenance,
Digitalisierung ist in der Corona-Krise voll im Trend: Ein Beispiel ist der digitale Wartungsmanager Smartenance von Festo. (Bild: Festo)

Das zeigt sich zum Beispiel bei Festo, wie Dr. Ansgar Kriwet, Vorstand Vertrieb bei Festo in Esslingen, verdeutlicht: „Festo spürt während der Corona-Krise sehr deutlich Veränderungen im Onlinegeschäft. Dieser Trend wird ein bleibender, langfristiger sein. Wir erleben also eine nachhaltige Verschiebung zu digitalen Kanälen und Angeboten.“ Das Unternehmen hat Kunden und Partnern eine Digital-Collaboration-Platform zur Verfügung gestellt. Sie enthält Engineeringtools, den Online-Shop, Zugriff auf alle Festo-Services oder den digitalen Wartungsmanager Smartenance. Der Ansatz lautet: Mensch und Technik ganzheitlich betrachten. Kriwet erklärt: „Um neue Technologien effizient nutzen zu können, benötigen die Menschen lebenslang entsprechende Bildungsangebote.“ Aktuell bietet Festo Didactic den Kunden neue digitale Lerntools und Lernformate an, die Festo auch für seine eigene Mitarbeiter nutzt.

Dr. Ansgar Kriwet,
(Bild: Festo)

Dr. Ansgar Kriwet, Vorstand Vertrieb bei Festo. Bild: Festo

Hawe eDesign,
Mit Hawe eDesign wird Kunden eine grafische Programmieroberfläche angeboten, um kleinere Softwareprogramme für Fahrzeuge leicht selbst schreiben und Anpassungen in der Programmierung vornehmen zu können. (Bild: HAWE)

Eine unschöne Begleiterscheinung der Pandemie sind unterbrochene Lieferketten. Wie es gelingen kann, diese Schwankungen abzufedern, zeigt das Beispiel SMC: Ulrich Lampen, Manager Product Management bei SMC Deutschland, berichtet: „Dank unseres globalen Fertigungskonzepts, der sehr hohen Fertigungstiefe und der ausreichend dimensionierten Lager blieb unsere Lieferperformance auch in den vergangenen Wochen konstant, wofür uns unsere Kunden dankbar sind.“

Axel Schwerdtfeger,
(Bild: HAWE)

Axel Schwerdtfeger, CTO von Hawe Hydraulik. Bild: HAWE

Miniaturventile Serie JSY,
Die Miniaturventile der Serie JSY bieten höchste Durchflussleistung bei extrem kompakter Leichtbauweise (Abb. Ventilinsel). (Bild: SMC)

Für SMC hat der deutsche Markt eine herausragende Bedeutung. Deshalb investieren die Spezialisten für pneumatische und elektrische Automatisierungstechnik 2020 in den Standort Deutschland mit einem Neubauprojekt für Lager und Produktion. Wie so viele richtet das Unternehmen sein Produktportfolio auf die aktuellen Trendthemen Energieeffizienz, Safety und Data Connectivity aus. Lampen berichtet: „Unsere Neuprodukte der vergangenen Monate sind kleiner, leichter, intelligenter und sicherer bei gleicher oder besser Performance.“ Er betont: „Fertigungseinrichtungen jeder Art sollten den modernen Anforderungen der Industrie gerecht werden. Nachhaltigkeit – verantwortlicher Umgang mit Energie, Verantwortung – höchstmögliche Sicherheit am Arbeitsplatz, und Effizienz durch Digitalisierung sind wichtige Faktoren für langfristigen Erfolg.“

Ulrich Lampen,
(Bild: SMC)

Ulrich Lampen, Manager Product Management bei SMC Deutschland. Bild: SMC

Ein anderer Aspekt steht bei Bosch Rexroth im Fokus: der Engineering-Aufwand. Das Unternehmen hat seine Anwendungserfahrung in der Hydraulik in modular aufgebaute Baukästen überführt. Der erste modulare Baukasten für Großaggregate, ABMAXX, soll die bislang aufwendige Einzelkonstruktion von Großaggregaten vereinfachen. Dieser Ansatz verringert die Engineering-Vorlaufzeiten um bis zu 80 Prozent. Auf eine Anfrage erhalten Anlagenhersteller und Endanwender innerhalb von fünf Arbeitstagen ein Angebot für ihr Aggregat inklusive Abmessungen, Hydraulik-Schaltplan, Stückliste und 3D-Modell.

Dr. Steffen Haack,
(Bild: Bosch Rexroth)

Dr. Steffen Haack, Leiter der Business Unit Industrial Hydraulics bei Bosch Rexroth. Bild: Bosch Rexroth

Außerdem arbeitet Bosch Rexroth weiter an der Digitalisierung und Vernetzbarkeit der Hydraulik. Dr. Steffen Haack, Leiter der Business Unit Industrial Hydraulics führt aus: „Mit der neu entwickelten Generation von digitalen On-Board-Elektroniken für die Hydraulik schaffen wir eine Skalierungsmöglichkeit zwischen analogen Komponenten und solchen mit Feldbus-/Ethernet-Anschluss.“ Die neue Generation stellt die offenen Schnittstellen IO-Link und Blue­tooth bereit. In Verbindung mit einer App können Inbetriebnehmer, Bediener und Service-Techniker ohne Verkabelung mit ihrem Smartphone direkt und unabhängig von der Maschinensteuerung auf die Komponenten zugreifen und Parameter verändern.

Auch die Elektrifizierungsbestrebungen führen zu neuen Produktlösungen. Axel Schwerdtfeger, CTO bei Hawe, sagt: „Wir sind überzeugt, dass die Hydraulik in Kombination mit der Elektronik und dem elektrischen Antrieb eine sehr effiziente und platzsparende Technologie ist.“ Das Unternehmen bietet alles aus einer Hand von der Beratung, Auslegung bis hin zur Softwareprogrammierung. Dies ist vor allem für viele mittelständische Anwender interessant. Schwerdtfeger führt aus: „Gerade auch für diese Kunden bieten wir mit Hawe eDesign, eine grafische Programmieroberfläche an, um kleinere Softwareprogramme für Fahrzeuge leicht selbst schreiben und Anpassungen in der Programmierung vornehmen zu können. Über unser neu gestaltetes Kundenportal machen wir es unseren Kunden noch leichter mit uns in Kontakt zu treten und zu kommunizieren.“

Interview mit Prof. Dr. Jürgen Weber, Institutsdirektor, TU Dresden

Prof. Dr. Jürgen Weber,
Prof. Dr. Jürgen Weber, Institutsdirektor, Institut für Mechatronischen Maschinenbau der TU Dresden, Professur für Fluid-Mechatronische Systemtechnik (Fluidtronik). (Bild: J. Weber/LFD)

Prof. Weber, wie schätzen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Marktes generell ein?

Nachdem die letzten 20 Jahre im Zeichen der Energieeffizienz für die Fluidtechnik standen, rücken jetzt Industrie-4.0-Themen in den Vordergrund. Der große Trend der Digitalisierung mit allen sich bietenden Möglichkeiten der Vernetzung, Automation und Prozessvorhersage über ganze Produktionsstraßen bis zum Zulieferer. Das gilt bei der Produktion mobiler und stationärer Maschinen genauso wie bei ihrer Anwendung.

Wie sehen Sie die Unternehmen der Fluidtechnik auf die allgemeinen Herausforderungen am Markt aufgestellt?

In einer kürzlich mit dem 5G-Lab und Bosch Rexroth von uns gemeinsam durchgeführten Studie, in der 30 Unternehmen der Branche befragt wurden, kam heraus, dass Hersteller wie Anwender Verfügbarkeits- und Produktivitätsthemen wie vorausschauende Wartung, automatisierte Inbetriebnahme oder selbstoptimierende Systeme als wichtigste Herausforderungen sehen. Aber auch die Digitalisierung mit der Erfassung und Auswertung größerer Sensordatenmengen treibt die Unternehmen um. In den letzten 15 Jahren hat sich eine zunehmende fluid-mechatronische Sichtweise etabliert, mit der viele Herausforderungen bei der domänenübergreifenden Entwicklung gemeistert werden kann. Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung zeigen, dass sich die Firmen aktiv mit dem Thema beschäftigen und dort quasi mittendrin sind. Sie suchen nach weitergehenden Lösungen, um Energiebedarf, Ausschuss, Rüst- und Stillstandszeiten zu reduzieren und Ihre Produktivität zu erhöhen. Die Digitalisierungsthemen beschäftigen die Fluidtechnik dabei genauso wie andere Branchen und wir kommen dabei nicht weniger oder mehr voran als andere Branchen; schließlich nutzen wir die gleichen informations- und Kommunikationstechnologien und -strukturen.

In welchen Branchen sehen Sie die größten Chancen, wo die größten Schwierigkeiten?

Branchenübergreifend sehe ich große Chancen im Bereich der Energieeffizienz, auch in Verbindung mit den Industrie-4.0-Themen. Systemarchitekturen mit Verdrängersteuerung, servogeregelte Antriebe, getrennte Steuerkanten für Zu- und Ablauf, um nur einige zu nennen. Der Transfer in die Anwendungen ist hier bislang aus meiner Sicht noch nicht in der Breite erfolgt. Die Integration von sensorischer Intelligenz und Kommunika­tionsfähigkeit auf Komponenten und Antriebsebene sowie in übergeordnete Steuerungen sind Themen, die vielfältige Chancen bieten, genauso wie die Abbildung kompletter Prozesse und Prozessketten in digitalen Zwillingen. Branchenspezifische Schwierigkeiten kann ich aus Sicht der Fluid­tech­nik-Entwicklung nicht absehen.

In welchen Bereichen der Fluidtechnik sehen Sie das größte Innovationspotenzial?

Die Arbeiten an unserem Institut zeigen, dass es in allen Bereichen der Fluidtechnik Innovationspotenzial gibt. Im Bereich der Komponenten ist die Integration von Sensorik, die kabellos integriert wird, eine Innovation die neue Möglichkeiten der Zustandsüberwachung ermöglicht. Dezentrale Antriebseinheiten, die über Plug- und Run sowie Selbstdiagnosemöglichkeiten verfügen werden uns auch in der Forschung weiter beschäftigen. Je einfacher die Antriebe für die Kunden werden, desto mehr Know-how muss für die Beherrschung der oft nichtlinearen und voneinander abhängenden Vorgänge in einer Achse integriert werden. Selbstlernende Regler und komplexe integrierte Prozessmodelle, mit denen Dynamik- und Produktion gesteigert werden können ohne den Wirkungsgrad zu verschlechtern bis hin zum vollständigen digi­talen Zwilling sind Themen, die in den nächsten Monaten und Jahren zur breiten Anwendung finden werden. Wenn Sie möchten, können Sie all diese Themen beim Internationalen Fluidtechnischen Kolloquium (IFK) mit uns diskutieren, das vom 12. bis 14. Oktober 2020 online stattfinden wird. Auch das ist eine Innovation (lacht).

Wie wird sich das Verhältnis von klassischen hydraulischen Anwendungen und elektromechanischen Antrieben dabei entwickeln?

Zunächst ist dazu zu bemerken, dass sich der Überschneidungsbereich, in dem die beiden Technologien im Wettbewerb stehen, übersichtlich ist. In den allermeisten mobilen Anwendungen sowie bei Aktorkräften über 1000 kN werden Hydraulikzylinder eingesetzt. Insofern sprechen wir hier nur über stationäre Anwendungen im mittleren Kraftniveau, wo entsprechender Wettbewerb stattfindet. Beide Technologien sind Getriebetechnologien, die ihre spezifischen Anwendungsfälle haben. Wir haben gezeigt, dass Kompaktachsen und mechanische Linearantriebe gleiche Wirkungsgrade erreichen, insofern können Sich Anwender auf die anderen technologisch erforderlichen Bewertungskriterien konzentrieren. Die Anwender wissen sehr gut, welche Technologie sie wo einsetzen. Die Kunststoffmaschinenbauer machen es vor: Heute haben fast alle Maschinenhersteller für alle Achsen elektromechanische und hydraulische Lösungen im Programm. Die Frage wird heute nicht technologieorientiert sondern anwendungsorientiert entschieden. Entwicklungen sind bei den elektromechanischen Linearantrieben in Richtung größerer Kräfte zu sehen, im Bereich der Plug&Run-Fähigkeiten hat die Hydraulik in den letzten Jahren neue Lösungen entwickelt. In der Hydraulik werden mehr und mehr autarke Achsen zum Einsatz kommen, die die Leistungsdichte der Hydraulik mit hoher Energie­effizienz und Modularität verbindet. Der Wettbewerb der Technologien steigert dabei die Entwicklungsgeschwindigkeit von guten Lösungen.

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