Vor gut zwei Jahren hat Jürgen Arnold einen mutigen Entschluss gefasst. Er hat sich mit seinem großen Erfahrungsschatz in der Bühnentechnik und seinen Hydraulikkenntnissen selbständig gemacht – und wird heute auch mit elektromotorischer Antriebstechnik konfrontiert.
fluid: Stellen Sie bitte die Bühnentechnik Arnold GmbH kurz vor.
Wie der Firmenname ja schon suggeriert realisieren wir Bühnentechnik. Um die Begrifflichkeit kurz zu erklären: Bühnentechnik bezeichnet die Ausstattung von Bühnen mit technischen Geräten und Vorrichtungen. Sie unterliegt besonderen Sicherheitsanforderungen und -bestimmungen sowie umfangreichen gesetzlichen Prüfungsvorschriften. Man unterscheidet auf Bühnen im Wesentlichen zwischen der Obermaschinerie und der Untermaschinerie. Die Obermaschinerie beinhaltet beispielsweise Beleuchterbrücken, Züge für Prospekt- oder Beleuchterstangen und Deckensegel oder Drehstafetten.
Die Untermaschinerie befindet sich unter dem Bühnenboden und beinhaltet zum Beispiel Hubbühnen oder Drehscheiben. Nun aber konkret zu unserem Leistungsspektrum: Wir treten grundsätzlich als Vollanbieter auf. Wir nehmen an Ausschreibungen teil und geben schließlich Angebote ab. Wenn es dann zum Auftrag kommt planen wir das Ganze anhand des Leistungsverzeichnisses, konstruieren und lassen es in ausgesuchten Fertigungsstätten, mit denen ich schon seit über zwanzig Jahren zusammen arbeite, fertigen. Schließlich kommt noch die Inbetriebnahme und Übergabe hinzu. So gesehen verstehen wir uns als Vollanbieter – alles aus einer Hand eben.
fluid: Womit hat sich Jürgen Arnold vor der Firmengründung beschäftigt?
Zur Firmengründung und damit zur Selbständigkeit kam es im Grunde genommen durch die Tätigkeit beim letzten Arbeitgeber, nämlich Bosch Rexroth. Hier muss man wissen: Bosch Rexroth hat die in Wiesbaden ansässige Firma Teco Bühnentechnik mit etwa 20 Mitarbeiter, wo ich über zwanzig Jahre tätig war, im Jahr 2003 übernommen. Die Firma hatte eine sehr gute Stellung am Markt. Bosch Rexroth war ursprünglich in diesem Segment nur Komponentenlieferant und wollte auf diesem Weg als Vollanbieter auftreten. Durch diese Übernahme kam ich 2003 zu Bosch Rexroth. Das war dann ein ganz anderes Arbeiten als vorher in einem kleinen Büro, wo ich zu nahezu 100 Prozent selbständig als Projektleiter arbeiten konnte.
So bin ich nun an die Strukturen eines Großkonzerns geraten und das hat mich nicht wirklich glücklich gemacht. Ich darf die Situation mal so beschreiben: Wenn jemand, der SAP-Bauteilenummern verteilt, einen wesentlichen Einfluss auf das Projekt nehmen kann, dann hat man es als Projektleiter schwer. Diese Situation hat mich schließlich im Jahr 2009 in die Selbständigkeit geführt. Ich darf aber betonen: Ich möchte die Zeit bei Bosch Rexroth nicht missen. Der ausschlaggebende Grund der Firmengründung war, ich wollte wieder zurück zur selbständigen Arbeit wie ich sie von Teco her gewohnt war. Vor der Firmengründung hatte ich mit sehr interessanten Projekten wie beispielsweise der neuen Oper in Oslo oder auch dem Moskauer Bolschoi-Theater zu tun. Solche Großprojekte haben mich dann teilweise wieder von dem Gedanken der Selbständigkeit abgebracht. Denn solche Projekte kann man als kleine Firma aufgrund des notwendigen Kapitalbedarfs nicht realisieren. Und dennoch habe ich mich dazu gedrängt gefühlt, mich selbständig zu machen um wieder näher am Kunden arbeiten zu können und eigene Entscheidungen treffen zu können.
fluid: In der Zeit von der Firmengründung bis heute gab es sicherlich Höhen und Tiefen. An welche erinnern Sie sich noch ganz besonders gut?
Um`s offen und spontan zu sagen: Es gab von Anfang an bis zum heutigen Tag keine Tiefen. Es ging nur nach oben.
fluid: Von all dem was Sie bislang in Ihrer Selbständigkeit erreicht haben: worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin besonders stolz darauf, dass sich Wolfgang Wagner, der leider verstorbene Festspielleiter aus Bayreuth, bei mir persönlich für die Verlässlichkeit meiner Leistung bedankt hat. Er meinte, diese gebotene Art von Leistung würde man heutzutage nicht mehr allzu oft vorfinden. Ich bin auch stolz darauf, alle meine Projekte termingerecht fertig gestellt zu haben und auch dem Kunden das Gefühl vermittelt zu haben, dass ich für ihn da bin. In diesem Zusammenhang fällt mir der Spruch von Richard Wagner ein: „Gespart wird an unnötigen Details und Verzierungen, aber die Maschinerie und Dekorationen sei auf das Vollkommenste auszuführen.“ Das spiegelt zugleich die Arbeit am Theater wider, die sehr interessant und äußerst vielfältig und zugleich auch immer wieder aufs Neue mit großen Herausforderungen verbunden ist. Das ist das Schöne daran.
fluid: Wenn Sie die Zeit noch einmal zurückdrehen könnten: Welche unternehmerische Entscheidung aus vergangenen Tagen würden Sie heute anders treffen?
Keine! Ich hätte vielleicht von Anfang an mit einem Partner in dieses Metier einsteigen sollen. Aber die Firmenentwicklung war seinerzeit so nicht vorhersehbar. Von daher gehen wir erst einmal nach der Devise vor: klein aber fein und langsam wachsen. Rückblickend kann ich nur sagen. Die Entscheidung, die ich damals getroffen habe würde ich heute auch wieder so treffen. Ich hatte von Anfang an mit dem in Vaterstetten ansässigen Ingenieurbüro Kiefl einen äußerst kompetenten Kooperationspartner für Steuerungsfragen und das läuft sehr gut. Es ging anfangs erst mal darum Kosten zu sparen und aus einem gesicherten Feld heraus zu wachsen.
fluid: Was bereitet Ihnen im Berufsalltag derzeit am meisten Kopfzerbrechen?
Das kann ich spontan kurz und bündig beantworten: Ausschreibungen. Und zwar konkret Ausschreibungen, die in aller Regel zu spät bekannt gemacht werden. Das läuft dann so ab: Auf die Bekanntmachung folgt eine etwa zwei bis dreiwöchige Angebotsphase, dann wird man permanent mit Änderungen konfrontiert, die auch eingepflegt werden müssen und dann kommt letztendlich noch jemand mit Kampfpreisen daher – und dann steige ich aus. Dennoch bin ich mit der Auftragslage sehr zufrieden, aber die Ausschreibungsprozedur bereitet schon enorm Kopfzerbrechen – vor allem die Kultur um die Ausschreibung herum. Auch die Umsetzung von Anforderungen an die Bühnentechnik seitens der Regisseure unter Berücksichtigung der geltenden Sicherheitsregeln ist nicht immer ganz einfach. Da möchte ich den Spruch von Karl Valentin einfließen lassen der einmal gesagt hat: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“.
fluid: Vielfalt statt Einfalt ist Teil Ihrer Philosophie. Was verbirgt sich konkret hinter dieser Aussage?
Mit der Begrifflichkeit Vielfalt verbinde ich die langjährige Erfahrung, die ich in der Bühnentechnik sammeln konnte. Dadurch habe ich natürlich eine ganz anderes Background-Wissen und Know-how wie einige andere. Da ich auf Klein- wie auf Großbühnen zu Hause bin, und das auch im Ausland, sieht man exklusive Dinge, die andere vielleicht nicht so sehen. Und davon kann der Kunde natürlich profitieren.
fluid: Geben Sie bitte einen kurzen Überblick über bislang realisierte Projekte.
Wir haben im Opernhaus Zürich eine Lösung für die Personenversenkung realisiert. Desweiteren hatten wir im Festspielhaus Bayreuth mit Seilwindenzügen zu tun. Wir haben im Stadttheater Gießen im letzten Jahr die komplette Untermaschinerie saniert und neue Versenkungen eingebaut. Wir waren im Rahmen eines Projekts am Passionstheater Oberammergau eingebunden und waren dort mit dem Thema Portalzug konfrontiert. Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortführen.
fluid: Welches Projekt war technisch besonders anspruchsvoll?
Was mir hier spontan einfällt war zugleich auch eines unserer Startprojekte und zwar am Festspielhaus Bayreuth im Zusammenhang mit der Portalbrücke. Als Portalbrücke wird die Einrichtung hinter dem Vorhang bezeichnet, die die Vergrößerung der Bühnenöffnung in der Höhe beeinflusst. Technisch handelt es sich hier um eine etwa 18 m lange zweigeschossig angelegte Brücke. Mit allen Komponenten rund 6 m hoch, Eigengewicht und Nutzlast etwa 12,5 t und mit rund 100 Scheinwerfern, Beamern und sonstigen Audiokomponenten bestückt. Die größte Herausforderung war hier einen Hub von 6 m in zwei Stunden zu realisieren. Das bedeutet, bei vierfacher Seil-Einscherung, eine Zylinderhubgeschwindigkeit von kleiner 0,25 mm pro Sekunde – und das Ganze hydraulisch ausgeführt. Die größte Sorge war hier das Auftreten von Stick-Slip im Zugzylinder, denn das hätte unweigerlich zum Flattern der Scheinwerfer geführt. Ich kann nur betonen: Diese Aufgabenstellung wurde zur 100%igen Zufriedenheit des Kunden gelöst.
fluid: An welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Im Augenblick arbeiten wir an der Erweiterung der Obermaschinerie im Stadttheater Gießen. Hier geht es um den Einbau von neuen Seilwinden. Dann sind wir am Schauspielhaus Bochum im Zusammenhang mit drei neuen Oberlichtgestellen inklusive neuer Antriebe aktiv. An den Kammerspielen in Bochum hat unser Aufgabenspektrum mit dem Zuschauerbeleuchterzug zu tun.
fluid: Wie in anderen Branchenzweigen treffen auch in der Bühnentechnik Hydraulik und Elektrik aufeinander. Lässt sich die Frage, wann welche Technik zum Einsatz kommt, so pauschal beantworten?
Es hängt immer von den Rahmenbedingungen und den Anforderungen des einzelnen Theaters ab. In einem aktuellen Fall, und zwar an der Oper in Köln, ist es so, dass die neue Bühnentechnik hydraulisch ausgeführt werden soll. In der Staatsoper Berlin hingegen hat man sich eindeutig für eine elektromotorische Lösung ausgesprochen. Es gibt in der Regel vielerlei Gründe für die Entscheidung. Beispielsweise macht man so eine Entscheidung mitunter auch von der Qualifizierung des Personals abhängig. Fakt ist: Es gibt wesentlich mehr Elektriker als Hydrauliker. Darüber hinaus müssen vielerlei Fragen geklärt werden: Wird hohe Leistungseffizienz benötigt? Wie stellt sich die Not-Stopp-Situation dar? Muss man alle Podien gleichzeitig bewegen? Wie wichtig ist die Verfügbarkeit der Anlage? Mit all diesen Einzelparametern muss sich jedes Haus auseinander setzen. So gesehen kann man die Frage Hydraulik oder Elektrik nicht pauschal beantworten. Die Hydraulik ist dann konkurrenzlos, wenn es um hohe Dynamik bei hoher Last geht. Ein weiterer Vorteil der Hydraulik, und das ist ganz ausschlaggebend im Theater, sind die Not-Stopp-Eigenschaften. Andererseits hört man immer wieder, dass die Wartung einer hydraulischen Anlage wesentlich kostenintensiver sei. Kurzum: Die Aufgabenstellungen sind zu unterschiedlich, um sie alle über einen Kamm zu scheren.
fluid: Wenn es denn nun zum Hydraulik-Einsatz kommt, welche Druckflüssigkeiten werden verwendet?
Man arbeitet in der Bühnentechnik meist mit ganz speziellen Ölen. Mir ist die Drückflüssigkeit einer holländischen Firma bekannt. Es handelt sich hier um ein nicht brennbares Medium, das auch biologisch abbaubar ist.
fluid: Welche Forderungen an die technische Ausführung stellen heute primär Bühnentechniker?
Eines vorab: Man muss hier unterscheiden zwischen Bühnentechniker und Intendanz Die Intendanz ist aufgrund der Betriebskosten mehr an der Energieeffizienz interessiert. Der Bühnentechniker allerdings will für die gesamte Maschinerie eine Antriebstechnik haben, die quasi störungsfrei läuft. Denn Störungen führen unweigerlich zu Improvisorien und im schlimmsten Fall zum Abbruch einer Vorstellung. So gesehen bin ich auch stolz darauf, dass bis heute noch nie etwas wegen der Technik ausgefallen ist. Grundsätzlich stehen Anforderungen wie Verfügbarkeit oder Handling ganz oben in der Prioritätenliste. Geräuscharmut wiederum wird mehr von der Intendanz gewünscht damit der Zuschauer nichts hört. In diesem Zusammenhang vielleicht noch folgender Hinweis: In einem Opernhaus kommt es gar nicht so sehr auf die Geräuscharmut an, da wird vieles von der Musik überdeckt. Aber in einem Schauspielhaus, wo das gesprochene Wort im Vordergrund steht, wo alles leise sein muss, da ist die Hydraulik im Bereich der Untermaschinerie unschlagbar. Da steht dann die Druckstation extern im Keller und zusammen mit einer intelligenten Rohrleitungsführung, die keine Strömungsgeräusche verursacht, ist alles bestens.
fluid: Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung der Firma in den nächsten Jahren?
Dass die Auftragsbücher auch so voll sind, wie in den letzten zwei Jahren, die Projektabwicklungsprobleme kleiner werden und der Spass weiterhin anhält.
Autor: Franz Graf, Chefredakteur