„Hybridantriebe sehe ich auch mittelfristig nicht in den Schiffen.“
Peter Schmidt, Senior

„Hybridantriebe sehe ich auch mittelfristig nicht in den Schiffen.“
Peter Schmidt, Senior Application Engineer bei Federal-Mogul Powertrain

Kolbenringe von Federal-Mogul kommen in großen Containerschiffen zum Einsatz – eine Branche, die durch Überkapazitäten und Gesetzesvorgaben zum Sparen gezwungen ist: Kraftstoff- und Schmierstoffverbrauch sollen reduziert werden. Kolbenringe können bei diesen Sparmaßnahmen behilflich sein.

Herr Schmidt, was ist Ihre Aufgabe bei Federal-Mogul?
Ich leite die Anwendungstechnik für Großkolbenringe mit einem Team von sieben Ingenieuren. Alle Kolbenringe größer 145 Millimeter fallen in unseren Verantwortungsbereich.

Wie groß sind Kolbenringe, die in der Schifffahrt eingesetzt werden? Und wie groß sind die Schiffe, von denen wir hier reden?

Bei Zweitaktmotoren, die im Schiffbau als Antriebsmaschine eingesetzt werden, haben Zylinder üblicherweise einen Durchmesser von 260 bis 980 Millimetern. Dazu kommen Viertaktmotoren, die an Bord der Schiffe eingebaut werden, um die benötigte elektrische Energie herzustellen. Das sind Motoren mit Zylinderdurchmessern von 200 bis 320 Millimetern, die mit Diesel oder auch mit Schweröl betrieben werden.

Die Motoren, die mit unseren Kolbenringen bestückt werden, gehen in sehr unterschiedliche Anwendungen. Zum Beispiel gibt es Anwendungen in Motorbooten oder auch in größeren Yachten. Aber sie werden auch in große Containerschiffe eingebaut; bis hin zu den größten Containerschiffen, die es heute auf der Welt gibt.

Welche Anforderungen werden von Seiten des Marktes an Sie herangetragen und welche gesetzlichen Vorschriften beeinflussen Ihre Entwicklungen?

Wir bewegen uns im Moment in einem sehr schwierigen Marktumfeld, wenn wir die Containerschifffahrt betrachten – und dies ist das Hauptanwendungsgebiet von großen Zweitaktmotoren. Im Markt gibt es derzeit noch eine Überkapazität an Containerschiffen.

Das bedeutet für die Eigentümer der Schiffe, dass die Frachtraten niedrig sind und sie kaum noch Geld verdienen. Der Druck Kosten einzusparen wird größer. Da jedoch rund 80 Prozent der Kosten eines Schiffes auf Kraft- und Schmierstoffe entfallen, ist dies nicht so einfach zu realisieren. Eine Möglichkeit für den Eigner ist, die Geschwindigkeit der Schiffe zu reduzieren, was auch den Kraftstoffverbrauch reduziert.

Kolbenringe

Für eine längere Haltbarkeit der Kolbenringe arbeitet das Unternehmen an neuen Laufflächenbeschichtungen. Gerade in der Pipeline: eine Goetze-Diamond-Coating (GDC).

Eine weitere Maßnahme ist die Reduzierung der Schmierölmenge im System Kolbenring / Zylinder, was höhere Anforderungen an den Kolbenring stellt. Der Ring muss mit weniger Schmieröl auskommen, dabei darf sich aber der Verschleiß im System nicht erhöhen. Daher arbeiten wir an neuen Schichtsystemen, die Verschleiß- aber auch Brandspurbeständig sind.

Um neu entwickelte Motoren noch effizienter zu machen, steigen die Zünddrücke im System weiter an. Gleichzeitig versucht man die Reibung zwischen Ring und Zylinder zu reduzieren. Die Reibung wird reduziert, indem man den Querschnitt der Kolbenringe reduziert. Mit den heute eingesetzten Grundmaterialien der Kolbenringe – in der Regel handelt es sich um legierte Graugussmaterialien – laufen wir Gefahr, dass die Ringe bei diesen hohen Anforderungen brechen. Aus diesem Grund hat Federal-Mogul einen neuen Grundwerkstoff entwickelt – den GOE70 Stahlguss.

Es gibt bei Federal-Mogul also Kolbenringe, die aus Stahlguss gefertigt sind?

Heute noch nicht. Heute sind alle unsere Kolbenringe aus Grauguss – auch aus einem legierten Grauguss. Um für zukünftige Anwendungen gewappnet zu sein, haben wir im Hause einen neuen, patentierten Werkstoff kreiert. Es ist ein Stahlguss für Kolbenringe, der den Anforderungen im Motor – sprich den höheren Verbrennungsdrücken, höheren Temperaturen und auch dem höheren Verschleiß, der auf den Flanken auftritt – entgegenwirken kann.

Eingesetzt wird er schon in ersten Versuchen in Ringen in einem Motor. Die Versuche sind bereits sehr weit gediehen. Wir haben schon über 800 Betriebsstunden mit dem System gefahren und die eingesetzten Ringe laufen ohne Probleme.

An welchen Stellschrauben drehen Sie noch?

Wir arbeiten an anderen Laufflächenbeschichtungen. Kostenreduzierung können Sie nicht nur erreichen, indem Sie Kraft- und Schmierstoff reduzieren, sondern auch Ihre TBO immer weiter verlängern – die Time Between Overhaul, also die Zeit, die zwischen den Wartungsterminen liegt.

Mit dem heutigen System erreichen wir in Zweitaktmaschinen 30.000 Betriebsstunden. Aber da die Anforderungen höher werden, werden wir dort auf ein neues Schichtsystem wechseln müssen.

Heute setzen wir eine veredelte galvanische Schicht ein, die sogenannte CKS – Chrom-Keramik-Schicht. Sie ist in sehr vielen Anwendungen vorzufinden.

Der nächste Schritt wird eine GDC-Schicht (Goetze-Diamond-Coating) sein, die wir gerade bei einem großen Motorbauer testen. Sie ist schon im automotiven Bereich und bei Mittelschnellläufern in Serie. Bei den Zweitaktmotoren fangen wir gerade erst an.

Kommt es häufiger vor, dass Sie bei Entwicklungen für den Schiffbau auf Ihre Automotive-Entwicklungen zurückgreifen?

Das ist natürlich ein sehr großer Vorteil von Federal-Mogul. Im Speziellen bei Federal-Mogul Powertrain. Wir haben hier im Hause, in Burscheid, eine sehr große Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit über 100 Ingenieuren, die an der Weiterentwicklung von Kolbenringkonzepten arbeiten: seien es Schichten, Grundmaterialien oder auch das Design.

Natürlich können wir da auf Entwicklungen aus dem automotiven Bereich zurückgreifen. Aber es gibt auch Entwicklungen, die bei uns im Bereich Large Bore Engine gestartet werden und dann in den automotiven Bereich überspringen. Wobei der Fokus sicherlich in der Entwicklung von Kolbenringen für den automotiven Bereich liegt.

Sehen Sie einen Trend hin zur Hybridisierung in der Schifffahrt?

Nein, auf gar keinen Fall. Im Moment sehen wir Konzepte, bei denen es darum geht, bei einigen Anwendungen vom Diesel wegzukommen und die Motoren auf Gasbetrieb zu trimmen. In dem Bereich gibt es Anstrengungen, und dafür werden auch schon Motoren gebaut. Aber Hybridantriebe nein. Die sehe ich auch mittelfristig nicht in den Schiffen.

Das ist eine klare Aussage.

Autorin: Julia Lansen ist Redakteurin für die Themen elektrische und mechanische Antriebstechnik, Pneumatik, Handling und Robotik.

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