Keramik ist ein hervorragendes Material, um Getriebe zu verstärken. Aus diesem Grund hat das Unternehmen Maxon, das weltweit für seine hochpräzisen Antriebe bekannt ist, vor 20 Jahren eine eigene Pulverspritzguss-Abteilung gegründet. Dort werden inzwischen auch Keramikteile produziert, die für ein besseres Musikerlebnis sorgen.
Der größte Stolz der Abteilung bekommt standesgemäß ein eigenes Zimmer. Andreas Philipp, Leiter der Abteilung Pulverspritzguss bei Maxon, steuert schnurgerade auf die neu hochgezogenen Mauern hin, öffnet die Türe und zeigt auf die einzige Maschine, die im Raum untergebracht ist – eine Lasermaschine zur Hartbearbeitung von Keramikbauteilen.
Die neuste Anschaffung ist in der Lage, Keramik auf 2 µm genau zu schneiden, erklärt Philipp. Federelemente mit einer Wandstärke von 17 µm bearbeiten und gleichzeitig präzise Messungen durchführen. Damit soll die Abteilung fit für die Zukunft gemacht, Kunden noch schneller mit Präzisionsteilen beliefert werden.
Dass Maxon überhaupt eine eigene Spritzguss-Abteilung für Keramik und Metall betreibt, dürften nur wenige Leute wissen, schließlich ist das Unternehmen hauptsächlich wegen seinen Mikromotoren bekannt, die auf dem Mars im Einsatz sind aber auch auf der Erde unzählige Anwendungen antreiben – von Operationsrobotern über Laborautomaten bis hin zu Tattoomaschinen.
Neben Präzisionsantrieben entwickelt und produziert Maxon auch Steuerungen, Encoder und vor allem Getriebe. Und diese müssen für bestimmte Einsätze verstärkt werden. Genauer gesagt: einzelne Komponenten wie etwa Zahnräder, Achsen oder Planetenträger. Für diese „Aufrüstung“ eignet sich Keramik besonders, schliesslich ist das Material im Vergleich zu Stahl beständiger gegen Chemikalien, hohe Temperaturen und Verschleiß. Keramikachsen in Getrieben verlängern die Lebensdauer beträchtlich. Besonders, wenn der Antrieb im Start-Stop-Betrieb eingesetzt wird. Aus diesem Grund hat Maxon vor rund 20 Jahren begonnen, die Keramikteile selber herzustellen. Heute arbeiten in der Spritzgussabteilung 45 Personen, darunter Entwickler, Applikations-Ingenieure, Qualitätsfachleute und Produktionsmitarbeitende.
„Keramik kommt zum Einsatz, wenn alle anderen Materialien versagt haben.“
Andreas Philipp, Leiter der Abteilung Pulverspritzguss, Maxon Switzerland
Vom Motor bis zur Spindel
Die Pulverspritzguss-Fachleute sind Teil des Maxon Produktionswerks in Sexau in Süddeutschland, welches sich auf Getriebe spezialisiert hat. Entsprechend werden rund die Hälfte aller Teile, die die Abteilung verlassen, in Maxon Antrieben eingesetzt. Besonders begehrt sind die Keramikspindeln für Linearantriebe, da sie leichtgängig und verschleissfest sind. „Wir sind das einzige Unternehmen, dass dem Kunden Motor, Getriebe und Keramikspindel aus einer Hand bieten kann“, sagt Produktmanager Walter Kuhn.
Die Entwicklung und Produktion von präzisen Keramikbauteilen ist aufwendig und nicht ganz billig. Die Prozesse sind komplex und für die Hartbearbeitung werden Diamantwerkzeuge oder Lasermaschinen benötigt. Deshalb wird Keramik meistens nur aufgrund von sehr spezifischen Anforderungen gewählt, die mit anderen, gängigeren Werkstoffen nicht erfüllt werden können. Oder wie es Philipp sagt: „Keramik kommt zum Einsatz, wenn alle anderen Materialien versagt haben.“
Zwei Tage in den Ofen
Am Anfang des Produktionsprozesses steht das Granulat, auch Feedstock genannt. Dieses umfasst einen bestimmten Anteil an Bindemittel, damit das Material überhaupt in Gussformen gepresst werden kann.
Nachdem die Teile dann die Spritzgussmaschine verlassen haben, können sie bereits leicht bearbeitet werden, mit fertigen Keramikkomponenten haben sie aber noch nicht viel gemein. Diese so genannten Grünlinge sind spröde, leicht brechbar und viel grösser als das Endprodukt. Damit sie die herausragenden Eigenschaften von Keramik erhalten, wird ihnen zuerst in einem chemischen Verfahren das Bindemittel wieder entzogen. Danach geht es für zwei Tage in den Ofen zum Sintern, wo die Bauteile bei maximal 1500 °C um bis zu 30 Prozent schrumpfen.
Dieser Volumenverlust ist schwierig zu kalkulieren, besonders wenn Toleranzen im Mikromillimeterbereich das Ziel sind. Aus diesem Grund geht es für viele Bauteile nach dem Ofen in die Nachbearbeitung, wo durch Schleifen die geforderten Toleranzen erreicht werden. Bei manchen Bauteilen reicht dagegen ein einfaches Polierverfahren, und danach sind sie bereit zur Auslieferung.
Schnelle Bearbeitung von Prototypen
Die besonderen Eigenschaften von Keramik sorgen dafür, dass Maxon nicht nur Bauteile für Getriebe anfertigt. Zu den gefertigten Produkten zählen kleinste Düsen für die Industrieautomation, Klinken für die Uhrenindustrie aber auch Gehäuse für Kopfhörer. Letztere werden bereits seit Jahren im Maxon Werk hergestellt und sollen laut Hersteller einen positiven Effekt auf den Musikgenuss haben. Zudem sind sie im Gegensatz zu Metallgehäusen kratzfest und behalten ihren schönen Glanz über eine lange Zeit.
Das Grundprinzip in der Pulverspritzguss-Verarbeitung ist in den letzten Jahren gleichgeblieben. Trotzdem sind gewisse Veränderungen spürbar. Laut Philipp wird wohl in Zukunft die Bearbeitung von Grünlingen abnehmen. Stattdessen geht man vermehrt dazu über, einfache Grundformen zu spritzen und dieses danach mit Hightech-Maschinen zu bearbeiten, bis sie die perfekte Form haben. „Damit erhalten die Kunden viel schneller einen Prototypen“, erklärt Philipp. Auch Kleinserien können rascher ausgeliefert werden. Was sich nicht verändert, ist die Faszination für Pulverspritzguss, die durch die ganze Abteilung spürbar ist. „Jeder Auftrag ist anders, nichts ist Standard. Keramik ist ein massiv herausforderndes Material und genau das macht es so spannend.“
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