In welchen Anwendungen kommen Ihre Großwälzlager zum Einsatz?
Unsere robusten Großwälzlager eignen sich für schwierige Umgebungsbedingungen, besonders hohe Lastverhältnisse, spezielle Dreheigenschaften und lange Lebensdauerforderungen. Sie werden unter anderem in Baumaschinen und Kranen verbaut, kommen aber auch zum Beispiel in der Stahlverarbeitung und Hüttentechnik zum Einsatz – hier sind natürlich Ausführungen gefragt, die besonders hohen Temperaturen trotzen. Große dreireihige Rollendrehverbindungen finden zum Beispiel Anwendung als Deckelschwenker eines Elektro-Lichtbogenofens, massive Schwenktriebe sind im Bereich der Erzverarbeitung im Einsatz. Große Kugeldrehverbindungen unseres Unternehmens bewähren sich unter anderem auch in Großkläranlagen, die Teil der Prozesswassertechnik eines Stahlwerks sind. Sie sind aber auch eine wichtige Komponente in Offshore-Gangways.
Könnten Sie das Offshore-Anwendungsbeispiel näher erläutern?
Es handelt sich hier um Offshore-Gangways, in denen zweireihige Kugeldrehverbindungen von Rodriguez für die flexible Bewegung um die rotative Achse sorgen. Die Lager müssen bei einem solchen Einsatz enormen Anforderungen standhalten: Tiefste Temperaturen durch den Einsatz in arktischen Gewässern, eine korrosive Salzwasserumgebung und enorme Kippmomente bei ausgefahrener Gangway fordern alles von den Komponenten. Die erforderliche Baugröße wurde auf die Anforderungen des Kunden zugeschnitten. Die außenverzahnten Kugeldrehverbindungen aus einem zähen CrMo-legierten Vergütungsstahl (42CrMO4V) haben einen Außendurchmesser von 3600 Millimetern, einem Innendurchmesser von 3180 Millimetern und eine Gesamthöhe von 185 Millimetern. Zum Vergleich: Kugeldrehverbindungen für Standardanwendungen erreichen maximal einen Außendurchmesser von 1600 Millimetern. Bei solchen hochbelasteten Großwälzlagern arbeiten wir übrigens mit Ringwalzwerken zusammen, die für den Offshore-Bereich zugelassen sind.
Sie bieten auch maßgeschneiderte Großwälzlager an. Haben Sie ein Beispiel für ein solches Projekt?
Ja, aus dem Bereich der Braunkohleförderung. Hier ging es konkret um einen Absetzer, der aus einem Hauptgerät und einem Stützwagen besteht, die über eine Bandbrücke miteinander verbunden sind. Diese gewaltigen Anlagen sind robust und langlebig konstruiert – wenn aber doch einmal eine Komponente ausgetauscht werden muss, stellt das schon aufgrund der großen Dimensionen eine Herausforderung dar. In diesem Fall wurde eine 2900 Kilogramm schwere Doppel-Axial-Kugeldrehverbindung mit den Maßen 3990 mal 3600 mal 215 Millimeter benötigt – übrigens das größte Wälzlager, das wir bis dato ausgeliefert haben. Diese Komponente übernimmt die Verlagerung von der Bandbrücke zum Stützwagen und gleicht hier die unterschiedlichen Fahrbewegungen des Hauptgerätes aus.
Wie häufig sind solche Sonderanfertigungen im Bereich der Großwälzlager?
Generell werden individuell gefertigte Lager bei uns häufig nachgefragt, wenn auch eher selten in diesen Dimensionen. An solchen maßgeschneiderten Lösungen führt unter anderem dann kein Weg vorbei, wenn – wie beim vorliegenden Anwendungsfall – die ursprünglich in einer Maschine verbauten Lösungen nicht mehr als Standardprodukt auf dem Markt verfügbar sind.
Bitte beschreiben Sie kurz den Prozess, der bei einem individuellen Engineering von Großwälzlagern abläuft.
Bei einer kompletten Neuauslegung durchleuchten wir zunächst gemeinsam mit unserem Kunden seine Anwendung. Welche Lasten sollen übertragen werden? Gibt es Beschränkungen im Bauraum oder Besonderheiten in der Umgebung der Lagerung? Welche Ansprüche werden an die Lebensdauer des Großwälzlagers gestellt? Sobald alle nötigen Informationen zusammengetragen sind, berechnen wir Laufbahnen, Verzahnungen und Schraubverbindungen und erstellen eine erste Hauptzeichnung sowie das dazugehörige Angebot.
Bei einem Re-Design oder einem Ersatzteil betrachten wir neben der Anwendung und den vorhandenen Anschlusskonstruktionen natürlich auch das bereits im Einsatz befindliche Großwälzlager. Falls nötig, findet eine Begutachtung und Demontage des vorhandenen Großwälzlagers statt. Auch der Ein- und Ausbau kann zum Problem werden: Eventuell muss bei beschränktem Bauraum ein geteiltes Lager vor Ort eingebaut werden.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Herstellung von großen Wälzlagern?
Hier gilt es gleich mehrere Herausforderungen zu bewältigen, denn eine Komponente mit einem Außendurchmesser von bis zu 6100 Millimetern und einem Gewicht von mehr als 20 Tonnen muss eine besonders hohe Ausfallsicherheit gewährleisten. Zunächst ist es wichtig, mit zuverlässigen und zertifizierten Vormaterialherstellern zusammenzuarbeiten, denn unter den Ringwalzwerken gibt es große qualitative Unterschiede. Auch die Prozesse der weiteren Zulieferer wie Wälzkörperhersteller sowie Lagerkäfig- und Dichtungsproduzenten sollte man genau kennen. Die Fertigung sollte technologisch auf die Großteilebearbeitung ausgerichtet sein, dazu gehören insbesondere präzise sowie hochleistende Induktivhärteanlagen. Nicht zuletzt ist die Logistik anspruchsvoll: Je nach Größe sind Sondertransporte mit speziellen Tiefladern und hydraulischer Hebevorrichtung sowie Polizeibegleitung notwendig.
Die Lebensdauer spielt eine wichtige Rolle. Wie lässt sie sich verlängern?
Fertigungsseitig durch eine entsprechend leistungsstarke und präzise Bearbeitung der Laufbahnen und Verzahnungen sowie einer genauen Steuerung des induktiven Härteprozesses. Das größere Potenzial steckt jedoch im Engineering: Durch die individuelle Berechnung von Laufbahnen und Verzahnungen sowie der dynamischen Lastsimulation mittels Finite-Elemente-Methodik, die wir in Kooperation anbieten können, ist ein Optimum an Leistungsfähigkeit gewährleistet. Lebensdauerverlängernd sind natürlich auch unsere individuelle Schmierstoffberatung, entsprechend ausgelegte Wartungsintervalle sowie unser technischer Support auch nach Auslieferung und während des Betriebes der Lagerkomponente. jl