Mit seinen Elektrozylindern CMS63 setzt SEW-Eurodrive ein neuartiges Baukonzept um. Dank ihrer wartungsfreien Ölbadschmierung erschließt diese Baureihe neue Anwendungsfelder.
Weil die Zylinder gleichermaßen kleine Arbeitshübe und weite Verstellbewegungen beherrschen, kann man ein zusätzliches Antriebssystem sparen. Auch bei der Einbaulage genießt der Kunde jetzt die volle Flexibilität. Aufgrund einer besonderen Kundenanforderung testete SEW-Eurodrive den neu entwickelten Elektrozylinder der Baureihe CMS63 ausführlich in einem speziellen Versuchsaufbau. Die Applikation erforderte zehn Vor- und Rückhübe innerhalb einer Sekunde (10 Hz) bei 1 mm Verfahrweg.
Hierbei sollte die Vorschubkraft von einer geringen Vorspannkraft linear zum Hubende ansteigen. Durch den kurzen Hub bei hoher Hubfrequenz stellt diese Bewegung für Gewindespindel, Lagerung, Führungen und Dichtsystem eine sehr starke mechanische Belastung dar.
Die Belastungen treten ständig lokal begrenzt auf, immer an der gleichen Stelle der Mechanik. Der Versuchsaufbau bestand aus einem Führungsschlitten mit dem gekoppeltem Standard-Zylinder CMS63M und einer Kugelumlaufspindel KGT25x6.
Hierbei repräsentiert ein Federpaket mit 6 kN/mm Federsteifigkeit die Kundenanforderung. Im Testbetrieb fährt der Antrieb 1 mm in Richtung eines Tellerfederpaketes. Dabei steigt die Kraft linear von 0,2 bis auf 6,5 kN an. Motorwelle und Spindel drehen sich nur um 60°.
Anschließend erfolgt der Rückhub in die Ausgangsposition. Diese Bewegung wird zehnmal pro Sekunde ausgeführt. Nach 30 s Betrieb erfolgt ein Rück- und Vorhub mit zwei Umdrehungen der Spindel. Das entspricht einer Weglänge von 12 mm.
Dann beginnt das Lastspiel erneut. Im Betrieb wird der Testzyklus als kaum hörbare, schwingende Bewegung wargenommen. Vor Testbeginn wurden bedeutende Bauteile von den Komponentenherstellern vermessen. Innerhalb von sieben Monaten Dauerbetrieb durchlief der Elektrozylinder 382 Millionen Belastungszyklen.
Das entspricht einer Laufleistung von 382 km in 1-mm-Schritten. Die Testergebnisse sind sehr zufriedenstellend. Das Laufverhalten, das Geräusch und die Dichtigkeit blieben unverändert. Schmieröl brauchte nicht gewechselt zu werden, weil der Elektrozylinder für wartungsfreien Betrieb ausgelegt ist.
Die anschließende, erste optische Beurteilung zeigte durchweg einen guten Zustand der Bauteile. Auch die Hersteller von Spindel und Wälzlagern bestätigten diese guten Ergebnisse.
Deutliche Lebensdauerreserven
Die umfangreichen praktischen Erfahrungen mit fettgeschmierten Elektrozylindern belegen, dass derart extrem kurzhubige Bewegungen mit hoher Überrollfrequenz der Wälzkörper mit fettgeschmierten Gewindetrieben und Lagern nicht sinnvoll realisierbar sind.
Bedeutenden Einfluss hat die Eigenschaft des Öls, Verschleißpartikel aus der Kontaktzone der Wälzbewegung aufzunehmen und abzutransportieren. Würden dagegen verbleibende Partikel in der Kontaktzone ständig überrollt, wäre auch die Lebensdauer deutlich geringer.
Ähnliche Belastungen wie im vorgenannten Kurzhubtest entstehen auch an Antrieben für elektromotorische Schweißzangen, die beispielsweise im Automobil-Rohkarosseriebau arbeiten. Beim Schweißen presst die Schweißelektrode die zu verbindenden Bleche aufeinander. Auf die Gewindespindel des Elektrozylinders wirken die Kräfte bei jedem Schweißpunkt, immer an derselben Stelle an den Gewindelaufbahnen.
Zusätzlich ergeben sich schnelle Öffnungs- und Schließbewegungen. Die vorgestellte Testanordnung dient auch dem Nachweis der Dauerbetriebseigenschaften von CMS-Antrieben mit schweißzangentypischen Belastungen. Der Testantrieb CMS63M startet in eingefahrener Stellung.
Zunächst erzeugt er 120 mm Hub mit der maximalen Drehzahl 4500 min-1 nach vorn, unmittelbar vor das Federpaket. Jetzt wird ein Schweißpunkt mit 4 mm Weg simuliert. Dabei erfolgt ein Kraftanstieg auf 10,5 kN, anschließend der 4-mm-Rückhub. In einer Minute werden jetzt 20 Schweißpunkte gesetzt.
Der Elektrozylinder fährt dann 120 mm in seine Ausgangsposition zurück. Getestet wurde die Baureihe CMS63 mit Kugelumlauf- und Planetenrollspindel. Nach einer Leistung von 13 Millionen gesetzten Schweißpunkten mit Kugelumlaufspindel beziehungsweise 12 Millionen Schweißpunkten mit Planetenrollspindel, ergab die Zerlegung und Beurteilung erneut den positiven Zustand der Bauteile.
Die gewählte Kraft von 10,5 kN – das ist die maximale Vorschubkraft des CMS63 – liegt deutlich über den üblichen Schweißkräften von 4 bis 6 kN in der Praxis (bei Antrieben vergleichbarer Baugröße und Lebensdauererwartung).
Die Versuchsergebnisse bestätigen damit deutliche Lebensdauerreserven der ölbadgeschmierten SEW-Antriebe gegenüber fettgeschmierten Elektrozylindern. Diese Versuche waren aufschlussreich in Hinblick auf Anwendungen mit steilem Kraftanstieg auf kurzer Wegstrecke. Der insgesamt überfahrene Weg war – absolut gesehen – gering.
Fünfmonatiger Langstreckentest
Ein weiterer Test wurde durchgeführt, um die Eignung von Dichtsystem, Führungen und Lagerungen bei maximaler Drehzahl und Maximalbeschleunigung nachzuweisen. Insbesondere die Gesamtlaufleistung stand hierbei im Fokus.
Ein Standard-Elektrozylinder CMS63M mit 600 mm Hub arbeitet ohne äußere Belastung. Die Spindeldrehzahl beträgt 4500 min-1, die Beschleunigungs- und Verzögerungsrampe jeweils 0,1s.
Das bedeutet: innerhalb von 0,1 s erreicht der Elektrozylinder seine maximale Drehzahl 4500 min-1. In Verbindung mit der fehlenden Belastung sind die Wälzkörper vom Kugelgewindetrieb und von den Wälzlagern hohen Winkelbeschleunigungen einschließlich Drehrichtungswechsel ausgesetzt.
Über die Versuchsdauer von 131 Betriebstagen wurden 1,8 Millionen Doppelhübe zurückgelegt. Das entspricht einer Gesamtlaufleistung von 2162 km. So weit sind etwa Kopenhagen und Neapel voneinander entfernt. Auch dieser Test verlief ohne zusätzliche Wartungsmaßnahmen.
Die Kolbenstangen- und Rotationsdichtung blieben unverändert dicht. Aus der Hydraulik bewährte Dichtelemente, die für einen Betriebsdruck bis 200 bar ausgelegt sind, arbeiten auch im CMS63. Hier betragen die Drücke jedoch maximal 1,5 bar.
Als Folge der geringen Druckbelastung erzielen die Dichtungen und die Gegenlauffläche die hohe Lebensdauer am Elektrozylinder. Die Wälzkörperlaufbahnen von Spindel und Lagern zeigten unauffällige, typische Laufbilder. Die Hublängen 400 und 600 mm haben serienmäßig eine mitfahrende Spindelabstützung in der Kolbenstange.
Sie verhindert bei großen Hublängen mit Maximalgeschwindigkeit die Reduzierung der Spindeldrehzahl. Durch das Ölbad profitieren vor allem die Spindelabstützungsteile, die innerhalb der Kolbenstange gleiten.
Sie wiesen nur einen geringen Verschleiß innerhalb der zulässigen Toleranzen auf. Hohe Laufleistung dank Ölbad SEW-Eurodrive liefert seit Jahren fettgeschmierte Elektrozylinder und hat daher ein umfangreiches Know-how bei diesen Produkten.
Durch verschiedene Maßnahmen – zum Beispiel einen zusätzlichen Schmierstofftank in der Spindelmutter beim CMS50 und die Permanent-Nachschmiereinheiten beim CMS71 – konnte das Nachschmierintervall bereits auf 200 km Laufleistung bei Nennbetriebszustand angehoben werden.
Beim Vergleich zwischen fettgeschmierten und ölbadgeschmierten Elektrozylindern wird deutlich, welchen großen Vorteil der CMS63 für den Anwender bringt, beispielsweise 2000 km wartungsfreien Lauf.
Im Testbetrieb wird eine Laufleistung von 40 km am Tag zurückgelegt. Somit müssten herkömmliche fettgeschmierte Antriebe nach jedem fünften Tag geschmiert werden, während beim Ölbad keine Wartung notwendig ist.
In den aktuellen Dauerlauftests ist der Elektrozylinder CMS63 bei wartungsfreien Laufleistungen über 6000 km angekommen, ohne das Lebensdauerende erreicht zu haben. Das ist weiter als die Strecke von Seattle nach Miami, einmal quer durch die USA. Und die Versuche dauern noch weiter an.
In der Verfahrens- und Prozesstechnik arbeiten verschiedenste Ventile mit Regelkreisen. Die Öffnungs- und Schließbewegungen erfordern den maximalen Hub des Elektrozylinders und kleine Regelungsbewegungen.
Typischerweise treten hier hochfrequente, kurze Arbeitshübe auf, deren Position sich innerhalb großer Formatverstellwege unregelmäßig ändert. Bei einer Dampferzeugerregelung mit Schieberventil wird als Antrieb ein Elektrozylinder CMS63 eingesetzt. Im Betrieb pendelt der Ventilschieber um die halbgeöffnete Stellung.
Bei maximal fünf Regelvorgängen pro Sekunde (5 Hz) erfolgen kleine Hubbewegungen zwischen 0,3 und 6 mm. Einpress- und Fügevorgänge von Teilen beanspruchen immer einen relativ kleinen Arbeitshub, während die Anpassung auf unterschiedliche Bauteileabmessungen weite Verstellbewegungen fordert.
Typischerweise übernehmen zwei getrennte Antriebssysteme die unterschiedlichen Bewegungen. Der Antrieb für den Arbeitshub muss hohen Anforderungen genügen. Kennzeichnend dafür sind große Kräfte in Verbindung mit hoher Hubanzahl und Leistungsvermögen.
Verstellbewegungen dagegen beanspruchen nur geringe Kräfte entlang dem notwendigen Verstellbereich. Häufig weisen Verstellantriebe eine Klemmvorrichtung auf, um die Verstelleinheit zu fixieren und die Betriebskräfte aufzunehmen. Der Elektrozylinder CMS63 kann beide Linearbewegungsaufgaben übernehmen.
Die Anforderungen der Arbeits- und Verstellbewegung werden durch das Leistungsspektrum des Elektrozylinders erfüllt. Der konstruktive Aufwand an Bauteilen, Bauraum, Gewicht und Steuerungstechnik reduziert sich deutlich. Grundsätzlich entfallen zusätzliche Klemmvorrichtungen, weil der CMS63 diese Funktionalität bereits beinhaltet. Insgesamt eröffnen sich hier außergewöhnlich hohe Einsparpotenziale.
Bisher war beim CMS63 die Einbaulage mit nach unten ausfahrender Kolbenstange nicht möglich, weil motorintern wichtige Bauteile nicht ins Ölbad eintauchten. Jetzt gibt es den Elektrozylinder CMS63 auch mit dem Schmiersystem Option „M0“. Damit lässt er sich in beliebiger Einbaulage einsetzen. Die ein- und ausfahrende Kolbenstange wird als Pumpe für einen internen Schmierölkreislauf genutzt, der die Schmierstellen versorgt.