Das Unternehmen Melior Motion aus Hameln fertigte in der Vergangenheit überwiegend im Auftrag internationaler Roboterhersteller exklusiv entwickelte Getriebe. Im Zuge einer neuen Vertriebsstrategie bündelt der Hersteller das Know-how jetzt in einer eigenen Getriebeserie. Die Besonderheiten der Planentengetriebe: Die Einheiten sind im Vergleich zu den häufig in Robotern verwendeten Zykloidgetrieben vor allem leiser, energieeffizienter und besser regelbar. Weiterhin sind auf der Getriebeeingangsseite höhere Drehzahlen möglich, was in der praktischen Umsezung kleinere Motoren zur Folge hat.
„Wir setzen die konische Verzahnung in der Abtriebsstufe ein.“
Peter Hartung, Konstrukteur und Vertriebsingenieur, Melior Motion
Die Zahnräder der Planetengetriebe sind geometrisch betrachtet mit Dreiecken vergleichbar, die ineinandergreifen. Das konische Profil sorgt in Verbindung mit einem Federmechanismus dafür, dass die Zahnräder über die komplette Lebensdauer hinweg mit Nullspiel ineinanderlaufen, ohne dabei aufgrund übermäßiger Vorspannung verklemmen zu können. Dieses patentierte konstruktive Detail nimmt also die Luft raus in den Zahneingriffsbereichen, ohne dabei den Verschleiß zu begünstigen. „Wir setzen die konische Verzahnung in der Abtriebsstufe ein, da hier die Spielfreiheit übersetzungsbedingt den größten Effekt hat“, erklärt Peter Hartung, Konstrukteur und Vertriebsingenieur bei dem Unternehmen aus Hameln. Im Vergleich dazu sind Robotergetriebe ohne zustandsgesteuerte Nachstellung von der ersten Betriebsstunde den Auswirkungen des Abriebs ausgesetzt. „Zykloidgetriebe werden zum Beispiel auf Nullspiel gefertigt und müssen abhängig von den vorherrschenden Belastungen und Betriebszeiten entsprechend nachgestellt werden“, gibt Hartung Einblick in die Praxis. Diese Arbeiten verursachen Kosten, senken die Verfügbarkeit und wirken sich negativ auf die OEE aus – der Overall Equipment Effectiveness.
Beim Antriebsverhalten sammeln die speziell für Robotikanwendungen und Handlingsaufgaben abgestimmten Planentengetriebe Punkte beim Losbrechmoment. Dieses fällt im Vergleich zu anderen Wirkprinzipien spürbar niedriger aus. Diese Eigenschaft bringt zwei entscheidende Vorteile mit sich. Aus dem reinen Leistungsbedarf heraus betrachtet, führt ein niedriges Losbrechmoment dazu, dass der Antriebsmotor ein ebenfalls niedrigeres Moment beim Start erzeugen muss. Folglich lassen sich die dafür notwendigen Überlastreserven reduzieren und in der weiteren Folge kleinere Motoren mit geringer Leistung einsetzen.
Kleinere Antriebe sind leichtere Antriebe
Dieses Abspecken bei den Synchronservomotoren hat weitreichende Konsequenzen. Monetär gesehen, sind kleinere Motoren günstiger in der Anschaffung. Reicht aufgrund des geringen Losbrechmoments ein kleinerer Motor aus, dann spart dieses auch noch wertvollen Platz in einer Applikation ein. Gefördert wird dieser Effekt ebenfalls von den hohen Eingangsdrehzahlen, mit der die Motorwelle in das Getriebe eingreifen kann – was letztlich ein geringeres Motorendrehmoment erfordert. Kleinere Motoren, die in Verbindung mit den Melior-Motion-Getrieben schneller drehen dürfen, bedeuten auch: Losgelöst von der Einzelachsbetrachtung verabreichen die schlanken Antriebe dem Roboter insgesamt ein willkommenes Diätprogramm. Die Achse eins eines Knickarmroboters mal außen vor, bringt jedes eingesparte Kilogramm Vorteile mit sich bei der Trägheit des Gesamtsystems. „Sparen wir Gewicht ein, muss weniger Eigengewicht im Betrieb mitbewegt werden. Wir sparen Energie und haben weniger Probleme mit der Massenträgheit“, fasst Peter Hartung zusammen.
Schneller geregelt
Aus Sicht der Regelungsgüte bringt das gute Losbrechverhalten der Planetengetriebe den Vorteil mit sich, dass sich der Mehrachsverbund einer Roboterkinematik schneller ausregelt. „Beim Anfahren muss der Motor erst das Losbrechmoment überwinden und schießt – vergleichbar mit einer Feder – im Anschluss folglich über das eigentliche Ziel hinaus. Der Antrieb ist also in einem kurzen Bereich schlecht zu positionieren. Je niedriger das Losbrechmoment, desto besser regelbar ist der Antrieb“, erklärt der Getriebekonstrukteur. Geringe Losbrechmomente verbessern also die Positioniergenauigkeit – und dieses ohne aufwendige Korrekturfunktionen in der Motion Control Software. Darüber hinaus wirkt sich der sanfte Anlauf der Planetengetriebe auf das Lastmanagement aus, da die Anlaufspitzen geglättet werden. Konzipiert sind die Planetengetriebe von Melior Motion für mehrachskoordinierte Robotikanwendungen mit Traglasten von etwa fünf bis 30 Kilogramm.
Mit leisen Getrieben gegen Lärmemissionen
Dahinter stehen bei Sechs-Arm-Robotern typischerweise Aufgaben wie Schweißen, Lackieren, Palettieren, Handhaben und Verpacken. Diese Applikationen stehen heute immer mehr in einem direkten räumlichen Kontext mit dem Menschen. Kollaborierende Produktionen bringen dabei neue Herausforderungen an die Technik mit sich – vor allem bei der Betriebssicherheit und dem Schutz der Menschen vor Fehlfunktionen. Auch der generelle Gesundheitsschutz spielt eine gewichtigere Rolle bei der technischen Ausstattung der Produktionsmittel. „Unsere neuen Planetengetriebe sind leise. Das macht sie gerade in Bereichen interessant, bei denen Lärmemissionen ein Thema sind“, meint Peter Hartung. Die neuen Planetengetriebe zeigen, wie gut sich dieses Wirkprinzip in Robotikanwendungen einsetzen lässt. Dem Unternehmen aus Hameln ist es vor allem mit der automatischen Nachstellung der Verzahnung gelungen, die Vorteile von Planetengetrieben voll auszuschöpfen – und die vermeintlichen Nachteile gegenüber Zykloidgetrieben weitgehend zu eliminieren.
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