Das von der Firma Lang in Hüttenberg vorgegebene Lastenheft für einen Rundtisch zur Vermessung von Keramik-Substratplatten war mehr als anspruchsvoll. So gesehen kommt die von Schüssler-Technik realisierte Lösung einer konstruktiven Meisterleistung gleich. Winkelmessgeräte von Heidenhain spielten dabei eine zentrale Rolle.
Im ersten Moment ist man etwas verblüfft, wenn der Entwicklungsleiter einer Firma, die sich vorzugsweise mit Sondermaschinen und Antriebstechnik beschäftigt, sagt: „Wir werden mehr und mehr zum Wälzlagerhersteller.“ Der das sagt, ist Ullrich Gäbel und seit vielen Jahren bei der Pforzheimer Firma Schüssler-Technik in verantwortungsvoller Position beschäftigt. Und nach und nach lüftet sich auch das Geheimnis um die Aussage von Gäbel. Aber der Reihe nach.
„Wenn es um höchste Präzision geht, dann ist unser Unternehmen der richtige Partner.“
Horst Küpper, Heidenhain
Ein Standbein der heute 46 Mitarbeiter zählenden Firma sind Hochgenauigkeitsantriebe wie beispielsweise pulsationsfreie Synchronmotoren mit einer Kompaktlagereinheit als Direktantrieb. Die zweite wichtige Säule sind Sondermaschinen. Firmengründer Bernd Schüssler konkretisiert: „Unser Unternehmen entwickelt und produziert seit mittlerweile 40 Jahren hauptsächlich Maschinen zur Brillenherstellung. Das Antriebstechnik-Standbein ist ins Leben gerufen worden, da die für unsere Maschinen benötigten Hochpräzisionsantriebe wie Torque- und Linearmotoren auf dem freien Markt nicht verfügbar waren. So haben wir uns kurzerhand entschlossen, die Direktantriebe selbst zu entwickeln und zu bauen.“
Und ganz nach der Redensart „Aller guten Dinge sind drei“ wächst nun auf leisen Sohlen ein drittes Geschäftsfeld heran: die Messtechnik. Bernd Schüssler: „Wir werden zukünftig unsere Aktivitäten im Bereich der Metrologie stark ausbauen. Dafür sind auch entsprechende Investitionen geplant.“
Nun ist der Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes in Pforzheim kein Zufall, sondern strategisch geplant. Und um‘s noch eine Spur griffiger zu machen: Es handelt sich um Rundtische für die Messtechnik. Die Idee dazu ist nicht im stillen Kämmerlein entstanden, sondern hat seinen Ursprung im Praxisalltag. Ullrich Gäbel erinnert sich: „Wir haben Rundtische beispielsweise an einen Werkzeugmaschinenbauer geliefert, der im Hochgenauigkeitsbereich kleine Teile fräst. Dabei müssen Bahnen im 1 µm-Bereich und das wohlgemerkt im Raum bearbeitet werden. In einem anderen Fall ging es um das hochpräzise Schleifen mineralischer Linsen. Insbesondere dieser Kunde hat immer höhere Anforderungen an uns herangetragen. Um es konkreter zu machen: eine Plan- und Rundlaufgenauigkeit von 0,2 µm bei den Achsen stand im Raum. Und aus diesen hehren Anforderungen heraus haben wir dann beschlossen, verstärkt im Messtechnik-Bereich aktiv zu werden. Auch weil wir uns diese Höchstpräzision zutrauen.“
„Das hochgenaue modulare Winkelmessgerät ERA 4002 haben wir speziell auf kleine Einbauräume zugeschnitten.“
Andreas Hager, Heidenhain
Aus diesen Überlegungen heraus haben die Pforzheimer entschieden, auf der Fachmesse Control 2013 in Stuttgart als Aussteller ihr Debüt zu geben. Gäbel resümiert: „Viele Besucher konnten gar nicht fassen, dass wir mit der in unseren Rundtischen integrierten und selbst produzierten Zylinderrollenlagerung Genauigkeiten erreichen, die man bislang nur von aerostatischen oder hydrostatischen Lagern kannte. Nur sind unsere Rollenlagerungen in der Kippsteifigkeit gegenüber luftgelagerten Systemen um den Faktor 100 besser. Und was den Vergleich mit der hydrostatischen Lagerung angeht, ist unsere Lagertechnik 10-fach steifer – gleiche Baugröße vorausgesetzt. Dass damit Preisvorteile einhergehen, versteht sich von selbst.“
Nun muss man wissen, dass Schüssler-Technik bei den Rundtischen zwei Wege präferiert: zum einen die Wasserkühlung bei sehr dynamischen Anforderungen und schließlich die Luftkühlung. Ullrich Gäbel zufolge würden die Kunden bei der luftgekühlten Variante insbesondere auf hohen Wirkungsgrad und minimale Verlustleistung Wert legen. „So lassen sich Temperaturdifferenzen von unter 5 ° K realisieren“, betont der Entwicklungsleiter.
Besondere Herausforderung
Dass es zu einer Präzisionsachse neben einer präzisen Lagerung auch ein präzises Messgerät braucht, versteht sich von selbst. Im Falle Schüssler-Technik kommen die Messgeräte schon seit vielen Jahren aus Traunreut von Heidenhain. Bernd Schüssler: „Die Zusammenarbeit existiert mittlerweile schon gut 20 Jahre. Wir waren über all die Zeit hinweg immer zufrieden und haben auch immer das Gefühl, beste Qualität zu kaufen.“ Horst Küpper von Heidenhain ergänzt: „Wenn es um höchste Präzision geht, dann ist unser Unternehmen der richtige Partner.“
Die Absichtserklärung von Küpper ist auch der wesentliche Grund, warum die beiden Unternehmen bei einem neuen Projekt erneut zusammengefunden haben. Das Objekt der Begierde war ein Rundtisch für die Vermessung von Keramik-Substratplatten. Auftraggeber war die in Hüttenberg ansässige Firma Lang.
Eines vorab: Das von Lang vorgegebene Pflichtenheft hinsichtlich der Genauigkeitsanforderungen hatte es in sich. So gesehen war der Rundtisch mit einem Durchmesser von 350 mm auch für Schüssler-Technik eine völlig neue Entwicklung und eine besondere Herausforderung zugleich. Ullrich Gäbel macht`s konkreter: „Die Anforderungen waren vielschichtig: Zum einen war minimales Gewicht gefordert. Eine Dreipunktaufhängung des Tisches sollte eine maximale Verwindung des Tisches von nur 0,3 µm nicht übersteigen.
„Wir werden zukünftig unsere Aktivitäten im Bereich der Metrologie stark ausbauen. Dafür sind auch entsprechende Investitionen geplant.“
Bernd Schüssler, Schüssler-Technik
Schließlich sollten wir für den Plan- und Rundlauf 1 µm mit Verwindung schaffen. Obendrein war eine Beschleunigung von 400 rad/s2 gewünscht, die wir nur mit einem wassergekühlten Rundtisch realisieren konnten.“ Zum besseren Verständnis: Bei der Substrat-Vermessung mussten blitzschnell in 90 ms Positionen angefahren werden und 30 ms blieben gerade mal für den eigentlichen Messvorgang.
Extrem hohe Kippsteifigkeit
Den Angaben von Gäbel zufolge leitet sich die Positionsgenauigkeit aus der Vorgabe für die absolute Genauigkeit ab, die bei +/- 2 Winkelsekunden fixiert war. Doch damit nicht genug. Der Entwicklungsleiter ergänzt: „Lang hat von uns noch die Option angefordert, einen zweiten Abtastkopf installieren zu können, um die absolute Genauigkeit noch einmal um in etwa den Faktor 3 zu reduzieren. All das war nur umsetzbar durch die Komponenten von Heidenhain.“
Das hier am Rundtisch zum Einsatz gekommene Meisterstück aus Traunreut heißt ERA 4002 und ist ein äußerst präzises Winkelmessgerät. Darüber hinaus braucht`s noch die externe Interface-Box der Baureihe EIB 1500 von Heidenhain. „Die Box verrechnet im Echtzeitbetrieb die zwei Abtastköpfe und gibt ein digitales Signal nach dem Heidenhain-Standard EnDat 2.2 aus“, erklärt Ullrich Gäbel. Ohne Frage, ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Tatsache, dass Schüssler-Technik die gesamte Rollenlagerung der Rundtische selbst fertigt. Der Diplomingenieur erläutert: „Die integrierte Zylinderrollenlagerung kommt ohne Fügestellen aus. Der Motor wird in die Lagerung eingeschoben, damit erreicht man eine extrem hohe Kippsteifigkeit und hat den Vorteil, dass sich die Tischlagerung verkleinern lässt. Das wirkt sich natürlich auch auf die Baugröße des Messsystems aus.“ Gäbel fasst zusammen: „Unser Anspruch am Markt ist, dass wir Antriebe mit selbst gefertigten Lagerungen anbieten, die praktisch um den Faktor 5 steifer sind, als wenn man die Einzelkomponenten von der Wälzlagerindustrie kaufen würde. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders betonen, dass wir mit der Unterstützung von Heidenhain kleine Antriebe liefern können, mit denen wir das gleiche Ergebnis hinsichtlich der absoluten Genauigkeit erhalten, wie bei der doppelten Größe. Klein bedeutet zugleich auch immer energieeffizienter und damit ergibt sich insgesamt für den Kunden ein enormer Kostenvorteil. Auch die Firma Lang konnte davon profitieren.“
Was leistet nun in dieser speziellen Rundtisch-Applikation die Messtechnik von Heidenhain im Detail? Das erklärt Produktmanager Andreas Hager: „Das hochgenaue modulare Winkelmessgerät ERA 4002 haben wir speziell auf kleine Einbauräume zugeschnitten. Eine Stärke ist vor allem die hohe Genauigkeit über 360 Grad. Vor allen Dingen ist maßgebend, dass man die spezifizierte Präzision auch in der Applikation erreicht, weil das Gerät hinsichtlich Einbaufehler unempfindlich ist und sich sehr präzise ausrichten lässt. Bei Schüssler haben wir den Weg mit zwei Abtastköpfen gewählt, damit lassen sich die Teilungstrommeln im Bereich von 0,5 µm zentrieren. Das ist für die absolute Genauigkeit wichtig, da letztendlich die Exzentrizität den größten Einfluss auf die erzielbare Genauigkeit hat.“
„Eine Plan- und Rundlaufgenauigkeit von 0,2 µm bei den Achsen stand im Raum.“
Ullrich Gäbel, Schüssler-Technik
Lastabhängige Exzentrizitäten werden kompensiert
Die besonderen Merkmale der EIB-Interface-Box fasst Hager so zusammen: „Die Box verrechnet die Position der zwei um 180° zur Trommel versetzt montierten Abtastköpfe. Dadurch werden alle Restexzentrizitätsfehler automatisch eliminiert. Zudem werden noch bestimmte Fehleranteile, die in der Teilung direkt vorhanden sind, beseitigt. Erwähnenswert ist noch, dass auch lastabhängige Exzentrizitäten kompensiert werden. Das bringt eine deutliche Verbesserung der Gesamtgenauigkeit des Antriebes. Durch die Echtzeit-Funktion sind negative Einflüsse auf den Regelkreis ausgeschlossen. Das ist insbesondere für Präzisions-Positionieraufgaben sehr wichtig. Schließlich verfügt die Interface-Box noch über eine Signalfehler-Kompensation. Nicht zu vergessen die eingebaute 14 bit-Interpolation.“
Resümee: Schüssler-Technik und Heidenhain haben die Begrifflichkeit Präzision auf ein neues Niveau gehoben. Präzision der anderen Dimension eben.
Autor: Franz Graf, Chefredakteur