Turbinenschaufel aus dem 3D-Drucker,

Neben Kunststoff kann auf 3D-Druckern auch mit Metall gedruckt werden. Dadurch konnten diese Turbinenschaufeln gedruckt werden, die 13.000 Umdrehungen in der Minute und Temperaturen von über 1.250 Grad Celsius ausgesetzt sind. (Bild: Siemens)

Ein Laserstrahl rast über eine dünne Schicht Metallpulver. Es blitzt und funkt, ein Schieber trägt eine weitere Schicht Metallpulver auf, wieder blitzt und funkt es. Nach mehrfacher Wiederholung des Vorgangs ist dem Staub ein kompliziertes Werkzeug erwachsen, das helfen soll, Metall besser zu formen. Der Phoenix aus dem Pulver verdankt seine Existenz einem 3D-Metalldruck-Verfahren.

Waren es anfangs vor allem Kunststoffteile, die dreidimensional gedruckt wurden, folgten schnell Prototypen aus Metall. Inzwischen ist der 3D-Druck aus Metallpulver auf bestem Wege, das Versuchsstadium zu verlassen, und es gibt keine Zweifel mehr: Die Additive Fertigung hat das Potenzial, einen der zentralen Bereiche der deutschen Industrie, die Metallverarbeitung, zu revolutionieren. Statt aus Metallblöcken mühselig Werkstücke heraus zu fräsen, zu drehen, zu schneiden und zu bohren, werden immer mehr Teile aus Pulver und per Laser hergestellt. Experten prognostizieren ein jährliches Umsatzwachstum von 35 Prozent bis 2025. Damit überschreitet die Technologie in den kommenden Jahren die Schwelle zur Industrialisierung. Das heißt, mit dem massenhaften Einsatz der Technologie werden die Kosten sowohl pro Drucker als auch pro Teil sinken.

Die Vorzüge des 3D-Metalldrucks lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Verfahren erlaubt die Herstellung ganz neuer, komplizierter Teile, zu der die herkömmliche Metallverarbeitung technisch oder wirtschaftlich nicht in der Lage ist. Hinzukommt, dass Additive Manufacturing gegenüber der traditionellen Metallverarbeitung, bei der in mehreren Arbeitsschritten jede Menge Späne fliegen, viel Aufwand und Material erspart. Auch die Fehlerquellen werden reduziert.

Was dies für die Kunden bedeutet und welche neuen Geschäftsmodelle sich daraus für Unternehmen ergeben, zeigen die erfolgreichen Beispiele aus der Praxis.

Vorteil #1: Bionische Konstruktion

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3D-Druck erleichtert bionische - sprich der Natur nachempfundene - Konstruktionen. (Bild: Pixabay)

3D-Metalldruck ermöglicht, bionisch zu konstruieren, also die teilweise extrem komplizierten aber sehr effektiven Strukturen im Pflanzen- und Tierreich zu kopieren. So hat der Pelikan zum Beispiel Knochen, die fast hohl sind, dank hauchdünner Streben im Innern aber eine extreme Festigkeit besitzen. Gelingt es, diese Struktur mit dem Computer nachzubilden und per 3D-Druck herzustellen, sind völlig neuartige, leichte aber trotzdem robuste Konstruktionen denkbar.

Ihre wirtschaftliche Wirkung entfalten solche Teile nicht selten indirekt. So hat sich der Spielzeughersteller Lego die menschlichen Blutgefäße zum Vorbild genommen. In Anlehnung an die feinen Äderchen unter der Haut bauten Techniker mit Hilfe der Additiven Fertigung Metallwerkzeuge mit vielen dünnen Kühlkanälen direkt unter der Oberfläche. Diese kühlen viel besser als die bisherigen tiefer liegenden grobschlächtigeren Röhren. Dadurch spucken die Spritzgussmaschinen nun dreimal so viel Kunststoffklötzchen und -figuren aus wie früher. Und obwohl die Werkzeuge wegen des 3D-Drucks viel mehr kosten, sind die Herstellungskosten unterm Strich nur noch halb so hoch. Nebenbei tut die bessere Kühlung auch den Werkzeugen gut, weil sie dadurch weniger Risse bekommen. Das erspart teure Reparaturen und reduziert die Umrüstzeiten.

Vorteil #2: Wettbewerbsfaktor Zeit

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Auch wenn ein 3D-Drucker an sich zunächst langsam arbeitet: die Zeit für Reperaturen kann durch neue Vorgehensweisen verkürzt werden. (Bild: Pixabay)

Normalerweise benötigte Siemens 44 Wochen, um einen verschlissenen Brenner in einem Kraftwerk zu reparieren. Heute sind es nur noch vier Wochen. Statt Ersatzteile herzustellen, werden von den verschlissenen Brennerköpfen elf Millimeter abgetragen und per 3D-Metalldruck die verlorenen Formen wieder aufgetragen. Die neue Technologie ermöglicht sogar, die alten Brenner auf die neueste Generation umzurüsten. Der Vorteil liegt auf beiden Seiten. Die Kraftwerksbetreiber können die Anlage schneller wieder in Betrieb nehmen und mehr Strom verkaufen. Und Siemens verschafft sich einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die dazu nicht in der Lage sind. Wer der große Nutznießer der neuen Technik ist, müssen Kunde und Lieferant untereinander aushandeln.

Vorteil #3: Gewicht

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Einhergehend mit den unendlichen Möglichkeiten der Geometriegestaltung, ermöglicht der 3D-Druck Gewichtseinsparungen durch Leichtbau. (Bild: Pixabay)

Schweres zu transportieren ist teuer, vor allem durch die Lüfte. Dem US-Konzern General Electric gelang es, mit Hilfe der Additiven Fertigung 18 Einzelteile eines Düsenantriebs zu einer einzigen komplexen Komponente zusammenfassen. Das spart 25 Prozent Gewicht, gleichzeitig hält das Teil fünfmal so lang. Das Prinzip funktioniert im Großen wie im Kleinen. So wiegt das Gurtschloss im Airbus A 380 nur noch 45 Prozent eines herkömmlichen Modells. Ausschlaggebend dafür ist seine filigrane Struktur, die er dem 3D-Metalldruck verdankt. Einer der Flieger spart dadurch über seine gesamte Zeit in der Luft Kerosin im Wert von zwei Millionen Euro.

Für die Hersteller von Teilen aus 3D-Druck sind die Einsparungen auf Kundenseite vielfach die einzige Möglichkeit, die hohen Kosten der neuen Technologie und die entsprechenden Preise der Produkte zu rechtfertigen. So taxiert der englische Hersteller Domin Fluid Power den Wert eines Kilogramms Gewichtsersparnis im Formel-1-Autorennsport auf 120.000 Dollar, in der Raumfahrt auf mehr als 25.000 Dollar, in Flugzeugen auf 1.200 bis 13.000 Dollar und selbst im Autobau noch auf 20 bis 600 Dollar.

Vorteil #4: Ersatzteile aus der Datenwolke

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Wie in so vielen Bereichen, spielt auch im 3D-Druck die Cloud eine Rolle. (Bild: Pixabay)

Die amerikanischen Bau- sowie Landmaschinenhersteller Caterpillar und John Deere planen sogenanntes Cloud Producing. Das heißt, sie speichern die Daten der Ersatzteile für ihre Traktoren oder Bagger in einer Datenbank, auf die jeder Befugte überall auf der Welt zugreifen kann. Die damit verbundenen Möglichkeiten sind enorm: Benötigt eine Werkstatt irgendwo auf dem Globus ein Ersatzteil, kann sie die Daten herunterladen und die Komponente theoretisch am Ort drucken. Hohe Lager- und Transportkosten sowie Zölle, die heute den Kundendienst im Fahrzeug- und Maschinenbau so teuer machen, lassen sich auf diese Weise deutlich reduzieren. Gleichzeitig sind die Ersatzteile schneller verfügbar.

Weil nicht jede Werkstatt oder Niederlassung die neue Technologie wird nutzen können, ergeben sich ganz neue Geschäftsmodelle für Dritte. Die notwendige Infrastruktur für 3D-Metalldruck zum Beispiel wird von Industriekonzernen aufgebaut, darunter der Schweizer Maschinenbauer Oerlikon oder der US-Gigant GE. Für Spezialisten dagegen eröffnet sich die Möglichkeit, nahe bei den Kunden Ersatzteile auszudrucken oder ganze 3D-Druckzentren zu betreiben.

Vorteil #5: Chancen für den Standort Deutschland

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Kann der 3D-Druck den Standort Deutschland stärken? (Bild: Pixabay)

Volkswirtschaftlich wird der 3D-Metalldruck eine Verschiebung der Wertschöpfung bringen – dorthin, wo die Erzeugnisse gebraucht werden. Heute geben meist die unterschiedlichen Lohn- und Kapitalkosten in Verbindung mit den Transport- und Logistikkosten für die Unternehmen den Ausschlag, wo produziert wird und wie die Lieferketten aussehen. Durch Additive Manufacturing werden die Karten neu gemischt. Die Wertschöpfung rückt näher an den Ort, an dem die Teile eingebaut werden. Beim 3D-Druck kommt es anders als bei der herkömmlichen Metallverarbeitung nicht mehr so sehr auf die großen Mengen an, da sich mit einem Drucker fast beliebig viele unterschiedliche Teile in noch so kleiner Stückzahl herstellen lassen. Industrien, die sich seit Jahrzehnten auf Massenproduktion kapriziert haben, sind somit in großer Gefahr.

Gleichzeitig ändert sich das Kalkül der Unternehmen, wo sie fertigen. Länder mit niedrigen Lohnkosten aber unterdurchschnittlicher Nachfrage werden das Nachsehen haben. Lange Transportwege geraten zum Nachteil für Unternehmen, die weit entfernt von den Absatzregionen produzieren. Profitieren werden von der Additiven Fertigung deshalb flexible Länder mit gut ausgebildeter Bevölkerung und hoher Binnennachfrage. Deutschland wird ins Ausland verlagerte Beschäftigung teilweise zurückholen.

Das aber gibt es nicht umsonst. Ohne Investitionen in Humankapital wird die Rückverlagerung nicht gelingen. Denn die Anforderungen an das Ausbildungsniveau für die neu entstehenden Arbeitsplätze sind überaus hoch – eine der großen Aufgaben für Staat und Unternehmen. jl

Über den Autor

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann ist Professor an der TU München und leitet die Unternehmensberatung TCW.

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