Kein Wunder, dass viele Designs und Konstruktionen im Maschinenbau so dreh- und frästeillastig sind: Die meisten Ingenieure, die heute in der Mitte ihrer Berufslaufbahn stehen, denken einfach in Drehen und Fräsen. Zum einen, weil sie es während ihrer Ausbildung so gelernt haben, zum anderen, weil die meisten Maschinenbaubetriebe eine Lehrwerkstatt haben, die eine praktische Art des Rapid Prototyping bereitstellt: Man geht zum Azubi, legt eine Zeichnung hin und sagt, dass man das bis zum Nachmittag braucht. Der fräst oder dreht es dann.
Doch langsam ändert sich das. In vielen Betrieben steht zumindest ein einfacher FDM-3D-Drucker, und die nachwachsenden Generationen an Konstrukteuren und Ingenieuren haben die Vorteile der additiven Fertigungsmethoden an Berufsschule und Uni bereits kennen gelernt. Und so kommt es, dass das Thema jetzt, einige Jahre nach dem ersten Hype um den 3D-Druck, so richtig Fahrt aufnimmt.
Warum sich 3D-Druck bei Protolabs etabliert hat
Das ist allerdings nicht untypisch. Nach der Theorie der Hype-Zyklen folgt auf die technologische Innovation ein Gipfel der überzogenen Erwartungen, dem das Tal der Enttäuschungen folgt – keine Technologie ohne Kinderkrankheiten. Nach einer Phase der Erkenntnis folgt dann das Plateau der Produktivität. Und irgendwo zwischen den beiden letztgenannten Punkten dürfte sich der 3D-Druck mittlerweile befinden.
Kein Wunder also, dass sich additive Fertigung auch beim in den USA gegründeten Prototypen- und Kleinserien-Fertigungsdienstleister Protolabs als wichtiges Standbein etabliert hat. In Europa sind es die deutschen Standorte Feldkirchen und Eschenlohe, die sich auf unterschiedliche Druckprozesse spezialisiert haben, Feldkirchen vorwiegend im Kunststoffbereich, Eschenlohe im Metall-3D-Druck mit direktem Lasersintern.
Additive Fertigungsprozesse bietet Protolabs seit 2014 an, als es mit Fineline einen der größten 3D-Druck-Anbieter der USA gekauft hatte. Etwas später übernahm Protolabs noch die deutsche Alphaform und hatte damit ab 2016 auch 3D-Druck-Kapazizäten in Europa. Das passte ganz gut, denn das Unternehmen konnte so seine Palette an schnellen Fertigungsmethoden – begonnen hatte Firmengründer Larry Lukis 1999 mit softwaregestützem Spritzguss, später um CNC-Fertigung ergänzt – sinnvoll erweitern. Auch heute noch ist die onlinebasierte, automatisierte Angebotserstellung samt sofortiger Preisangabe durch das Hochladen einer Konstruktionsdatei Alleinstellungsmerkmal von Protolabs. Und natürlich Geschwindigkeit: Selbst beim Spritzguss verlassen die ersten Teile oft schon nach 24 Stunden die Firma.
3D-Druck: Wo über Verfahren informieren?
Aktuell bietet der Fertigungsdienstleister fast alle 3D-Druckverfahren außer Fused Deposition Modeling (FDM) an. Sprich: Der Kunde kann je nach Materialanforderung unter den Methoden Stereolithographie (SL), Selektives Lasersintern (SLS), Direktes Metall-Lasersintern (DMLS), Multi Jet Fusion (MJF) sowie PolyJet und 3D-Silikondruck auswählen. Wer noch nicht so genau weiß, welches Verfahren für welchen Einsatzbereich am besten geeignet ist, der kann sich von den Protolabs-Experten auch beraten lassen.
Da der Preis oft ein herausragendes Merkmal für den Einkäufer ist, hat Protolabs auf seiner Homepage entsprechende Whitepaper und Designempfehlungen hinterlegt, um den Kunden erste Hilfestellungen zu geben. Danach kann er seine Bauteile als CAD-Datei hochladen und die verschiedenen Materialien und Technologien einfach anklicken. Das System liefert dann sofort den Preis für die jeweilige Material-Technologie-Kombination. Sollte er sich nicht ganz sicher sein, hat er auch immer die Möglichkeit, mit den Technikern bei Protolabs direkt in Kontakt zu treten. Je nach Einsatzbereich des zu druckenden Bauteiles erhält er dann Materialempfehlungen. Bei offenkundigen Fehlern, etwa wenn ein Stereolithographie-Material für den dauerhaften Außeneinsatz vorgesehen ist, kommen die 3D-Druck-Experten auch proaktiv auf den Kunden zu. Denn dieses Material würde unter UV-Licht zuerst vergilben und dann spröde werden.
Formatseitig kann Protolabs von wenige Millimeter kleinen Bauteilen bis hin zu etwa 80 mal 80 Zentimeter großen Stücken fast alles drucken, was die Materialien hergeben. Wo im Maschinenbau Stahl oder Aluminium dominiert, ist Titan in der Medizintechnik weit vorne. Bei den Kunststoffen gibt es ohnehin wenig Grenzen: wahlweise hart, weich oder flexibel, transparent oder farbig, für die Hochfrequenztechnik auch mal mit Keramik gefüllt. Oder auch sehr detailliert.
3D-Druck: Dieser Werkstoff passt zu ultrafeinen Auflösungen
Denn natürlich spielt im 3D-Druck die Auflösung der Maschine eine Rolle, sie hat Einfluss auf Mindestmerkmalgröße, Oberflächenqualität und Kosten. Um verschiedenen Teilegeometrien Rechnung zu tragen, bietet Protolabs die Stereolithographie in drei verschiedenen Auflösungen an: Normal, Hoch und Mikro. Die meisten Teile lassen sich mit normaler Auflösung bauen, für Teile mit feinen Details von unter 0,1 mm ist in der Regel eine hohe Auflösung erforderlich. Wer noch feinere Details braucht, kann auf die so genannte Mikro-Auflösung zurückgreifen. Um allerdings solch ultrafeine Details abbilden zu können, musste ein neuer Werkstoff her. Mit der Einführung des neuen duroplastischen Kunstharzes MicroFine Green exklusiv für Protolabs lassen sich nun sehr feine, detaillierte Teile prototypisieren. Dafür gab es bislang in der additiven Fertigung kaum Möglichkeiten. Das neue Material ist vergleichsweise haltbar, steif und weist mechanische Eigenschaften auf, die dem ABS-Kunststoff am ähnlichsten sind.
Das neue Harz wurde für ultrahohe Definitionsgenauigkeit entwickelt, allerdings mussten dafür auch die Druckgeräte angepasst werden. Mit speziell angepassten und modifizierten Maschinen, die derzeit so nur bei Protolabs erhältlich sind und die für die Mikroauflösung modifiziert und optimiert wurden, können nun Teile bis zu einer Schichtdicke von nur 0,025 mm gedruckt werden. Diese Präzision sorgt zum einen für eine extrem glatte Oberfläche und ermöglicht zum anderen das Drucken von Details in nur 0,07 mm Dicke.
Die Verarbeitung nach dem Druck ist analog zu anderen Werkstoffen: Die Teile werden zuerst mit Lösungsmitteln gereinigt und dann müssen noch die Stützkonstruktionen entfernt werden. Danach werden sie in einem UV-Ofen vollständig ausgehärtet und das Teil wird glatt geschliffen. Ein Standardfinish wird durch grobes Sandstrahlen erzielt. Bei sehr kleinen Geometrien entfällt das Sandstrahlen, da es zu Schäden am Teil führen könnte. Die maximale Teilegröße beträgt 127 x 127 x 64 mm, wobei die meisten aus MicroFine Green gefertigten Teile nicht größer als 25 x 25 x 25 mm sind.
Das Material ist steifer als Watershed, ein fast farbloser, durchsichtiger Werkstoff für mikrofluidische Teile, aber feine Details bleiben länger erhalten als bei Polycarbonat-ähnlichen Werkstoffen wie Accura 5530. MicroFine Green ist in erster Linie für das Rapid Prototyping von Teilen mit extrem feinen Details gedacht. Für die meisten Endanwendungsteile ist das Material nicht haltbar genug. Ein typisches Einsatzszenario für diesen Werkstoff ist die Fertigung von Prototypen kleiner Komponenten für medizinische Geräte oder von spezialisierten Forschungsvorrichtungen.
Doch wie zu erwarten ist es mit der einen Neuentwicklung nicht getan. So weit hinten im Hype-Zyklus ist der 3D-Druck ja auch noch nicht. Daher will Protolabs im Herbst ein echtes druckbares Polypropylen auf den Markt bringen. Wir bleiben gespannt.
3D Druck mit Metall und Kunststoff bei Protolabs - Quelle: ke NEXT
Warum der 3D-Druck erst jetzt richtig boomt...
Warum hat der 3D-Druck in den vergangenen Jahren nicht so viel Fahrt aufgenommen, wie viele erwartet hatten? ke NEXT sprach mit dem Managing Director von Protolabs Deutschland, Daniel Cohn. Denn eine seiner Kernaufgaben ist es, das Thema 3D-Druck in Europa weiterzuentwickeln.
ke NEXT: Der 3D-Druck wurde schon vor einigen Jahren sehr gehyped, kommt allerdings erst jetzt so richtig in Fahrt. Woran liegt das?
Die Kunden gehen davon aus, dass aus einer 3D-Druck-Maschine Teile mit einer gewissen gleichbleibenden Qualität herauskommen. Aber so einfach ist es nicht. Es ist tatsächlich je nach Technologie ein sehr komplexer Prozess, bei dem man auch viel falsch machen kann. Da geht es um das Aufsetzen der Maschinen, um das Materialhandling. Das konnten anfangs noch nicht viele – und heute noch nicht alle – sodass der Kunde damals oft eine Qualität bekam, die nicht seinen Ansprüchen entsprach. Da dachten viele: Der 3D-Druck ist noch nicht so weit, ich schaue mir das drei, vier Jahre später vielleicht wieder an. Das hat meiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren dem 3D-Druck geschadet.
Worauf kommt es also an?
Es gibt unendlich viele Parameter, möchte ich fast sagen, um eine solche Maschine so einzustellen, sodass sie konstant die gleiche und auch die gleich hohe Qualität liefert. Schon vor dem Druckprozess ist das Materialhandling entscheidend, sei es Pulver oder Harze, auch im Metallbereich. Es ist entscheidend, wie ich die Jobs aufsetze, das heißt, die Applikateure müssen genau schauen, wie sie die Teile in der Maschine verteilen. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ich in einem Bild im SLS-Verfahren zu viele sehr massive Teile kumuliere, dann bringe ich zu viel Energie und damit zu viel Hitze in das ganze Konstrukt. Und damit habe ich schon wieder eine schlechte Qualität. Es geht auch darum, das Teil richtig zu platzieren. Denn je nach Lage in der Maschine habe ich unterschiedliche Qualitäten in der Ausprägung von Details. Die Z-Achsen-Kompensation ist ein entscheidender Punkt, um auf Maßhaltigkeit zu kommen. Auch Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit können eine Rolle spielen. Also da gibt es sehr, sehr viele Parameter. Zu guter Letzt kommt dann noch der dunkle Teil des 3D-Drucks, die Nachbearbeitung. Da ist viel Handarbeit gefordert, das ist eine staubige und auch manchmal schmutzige Arbeit. Auch da kann man nochmal viel kaputt machen. Ich muss klar definieren, was sind die einzelnen Qualitätsstufen, welche Qualitätsstufe hat der Kunde bestellt und bis dahin muss ich das Teil dann auch fertig machen.
Ist es heute besser? Wissen die Kunden nun, was sie erwarten können?
Nun, Erwartungshaltung und Realität differieren im 3D-Druck immer noch. Im Fräsen und im Spritzguss haben die Kunden sehr klare Vorstellungen, was sie verlangen können und was sie zu erwarten haben. Im 3D-Druck sind die meisten Konstrukteure oder auch Einkäufer aktuell noch nicht ganz so weit. Sie haben noch keine klaren Vorstellungen davon, was sie zu erwarten haben. Allerdings wird das stark besser momentan, schlimm in Anführungsstrichen oder problematischer war das vor drei, vier Jahren in Deutschland. Man sah ja in allen Medien nur noch 3D-Druck, 3D-Druck, du kannst alles drucken was du willst, kein Mensch braucht zukünftig ein anderes Fertigungsverfahren. Das war schon die Spitze des Hypecycle.
Und? Wird in Zukunft alles 3D-gedruckt werden?
Nein, 3D-Druck ergibt nicht immer Sinn. Hier sage ich ganz klar: Horses for Courses. Nutze die Fertigungstechnologie, die für deine Anwendung sowohl technisch, als auch kostenseitig am sinnvollsten ist. Da beraten wir die Kunden auch gerne. Sogar proaktiv. Als wir zum Beispiel vor ein paar Monaten eine Kupferlegierung für DMLS eingeführt haben – ein Wahnsinnsprodukt, höhere Wärmeleitfähigkeit, höhere elektrische Leitfähigkeit, aber recht neu im additiven Bereich – da waren viele Kunden neugierig und haben einfache Bauteile hochgeladen, die man auch leicht fräsen kann. In diesem Fall sind wir aktiv auf den Kunden zugegangen und haben gesagt: Können wir schon machen, das kostet aber sehr, sehr viel. Hier wäre es deutlich günstiger, die Konturen aus einem Kupferblock herauszufräsen und gut ist‘s. wk
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