Nanomaterialien_Glas sinterfrei in 3D gedruckt

Mit dem neuen Verfahren lässt sich eine große Vielfalt von Quarzglasstrukturen im Nanometermaßstab erzeugen. (Bild: Dr. Jens Bauer, KIT)

Nanometerfeine Strukturen aus Quarzglas, die direkt auf Halbleiterchips gedruckt werden können, erzeugt ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren. Als Ausgangsmaterial für den 3D-Druck von Siliziumdioxid dient ein organisch-anorganisches Hybrid-Polymerharz. Da das Verfahren ohne Sintern auskommt, sind deutlich geringere Temperaturen nötig. Gleichzeitig ermöglicht eine höhere Auflösung die Nanophotonik mit sichtbarem Licht.

Vor drei Jahren stellten sich Forscher der ETH Zürich schon der Herausforderung Glas 3D-Druck ...

Das Drucken von Quarzglas aus reinem Siliziumdioxid in mikro- und nanometerfeinen Strukturen eröffnet neue Möglichkeiten für viele Anwendungen in der Optik, Photonik und Halbleitertechnik. Bisher dominieren jedoch Techniken, die auf dem traditionellen Sintern basieren. Für das Sintern von Siliziumdioxid-Nanopartikeln sind Temperaturen von über 1.100 Grad Celsius erforderlich - viel zu heiß, um sie direkt auf Halbleiterchips aufzubringen. Ein Forscherteam um Dr. Jens Bauer vom Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT hat nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich transparentes Quarzglas mit hoher Auflösung und hervorragenden mechanischen Eigenschaften bei deutlich niedrigeren Temperaturen herstellen lässt.

Hybrides organisch-anorganisches Polymerharz als Ausgangsmaterial

Bauer, der am KIT die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Nanoarchitected Metamaterials“ leitet, und seine Kolleginnen und Kollegen von der University of California Irvine und dem Medizintechnikunternehmen Edwards Lifesciences in Irvine stellen das Verfahren in der Fachzeitschrift Science vor. Als Ausgangsmaterial dient ein eigens entwickeltes hybrides organisch-anorganisches Polymerharz. Dieses flüssige Harz besteht aus sogenannten polyedrischen oligomeren Silsesquioxan-Molekülen (POSS): Winzige käfigartige Siliziumdioxid-Moleküle sind mit organischen funktionellen Gruppen ausgestattet.

Sobald die vollständig in 3D gedruckte und vernetzte Nanostruktur geformt ist, wird sie an der Luft auf eine Temperatur von 650 Grad Celsius erhitzt. Dabei werden die organischen Komponenten ausgetrieben, und gleichzeitig verbinden sich die anorganischen POSS-Käfige, sodass eine durchgehende Mikro- oder Nanostruktur aus Quarzglas entsteht. Die erforderliche Temperatur ist nur halb so hoch wie bei Verfahren, die auf dem Sintern von Nanopartikeln beruhen.

Die Strukturen halten auch unter schwierigen chemischen und thermischen Bedingungen stand

„Die niedrigere Temperatur erlaubt es, robuste, transparente und frei geformte optische Glasstrukturen direkt auf Halbleiterchips zu drucken, und zwar mit der Auflösung, die für die Nanophotonik mit sichtbarem Licht erforderlich ist“, erklärt Bauer. Neben der exzellenten optischen Qualität hat das so hergestellte Quarzglas hervorragende mechanische Eigenschaften und lässt sich leicht verarbeiten.

Das Team aus Karlsruhe und Irvine druckte mit dem POSS-Harz viele verschiedene Strukturen im Nanometerbereich, darunter photonische Kristalle aus freistehenden, 97 Nanometer dicken Stäben, parabolische Mikrolinsen und eine Mikrolinse mit mehreren Linsen und nanostrukturierten Elementen. „Unser Verfahren ermöglicht Strukturen, die auch schwierigen chemischen oder thermischen Bedingungen standhalten“, erklärt Bauer.

„Die Gruppe um Jens Bauer am INT ist Teil des Exzellenzclusters 3DMM2O“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident für Forschung des KIT. „Die jetzt in Science veröffentlichten Forschungsergebnisse sind nur ein Beispiel dafür, wie hervorragend die konsequente Nachwuchsförderung innerhalb des Clusters funktioniert.“ Der Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order“, kurz 3DMM2O, ein gemeinsamer Cluster des KIT und der Universität Heidelberg, verfolgt einen stark interdisziplinären Ansatz in der Verbindung von Natur- und Ingenieurwissenschaften. Sein Ziel ist es, additive 3D-Fertigungsverfahren auf die nächste Stufe zu heben - von der molekularen bis zur makroskopischen Ebene.

Originalpublikation

J. Bauer, C. Crook, and T. Baldacchini: A sinterless, low-temperature route to 3D print nanoscale optical-grade glass. Science, 2023. DOI: 10.1126/science.abq3037
Abstract unter https://www.science.org/doi/10.1126/science.abq3037

Informationen zum Exzellenzcluster 3DMM2O: https://www.3dmm2o.de

Informationen zum Nanoarchitected Metamaterials Laboratory: http://nanoarchitects.org

Warum ist es generell schwer Glas 3D zu drucken?

  • Schmelzpunkt: Glas hat im Vergleich zu Kunststoffen oder Metallen einen sehr hohen Schmelzpunkt. Das bedeutet, dass es eine sehr hohe Temperatur benötigt, um geschmolzen und extrudiert zu werden. Das stellt technische Anforderungen an den 3D-Drucker und die Druckmaterialien, die nicht einfach zu erfüllen sind.
  • Viskosität: Geschmolzenes Glas hat eine hohe Viskosität, was bedeutet, dass es dickflüssig ist und sich nur langsam bewegt. Das erschwert die präzise Steuerung des Druckprozesses und die Erzeugung feiner Details.
  • Abkühlung: Glas muss nach dem Drucken schnell und gleichmäßig abgekühlt werden, um seine Festigkeit und Transparenz zu erhalten. Dies erfordert spezielle Kühlmethoden, da eine ungleichmäßige Abkühlung zu Spannungen und Rissen im gedruckten Objekt führen kann.
  • Materialkompatibilität: Glas hat eine geringe thermische Ausdehnung, was bedeutet, dass es sich bei Temperaturänderungen nur minimal verändert. Dies stellt Anforderungen an das Druckmaterial und die Druckumgebung, um sicherzustellen, dass das gedruckte Glasobjekt nicht durch Spannungen beschädigt wird.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, um das 3D-Drucken von Glas zu verbessern. Verschiedene Ansätze wie das Laserschmelzen oder das Schmelzen von Glaspartikeln in einer flüssigen Matrix werden erforscht, um die Schwierigkeiten zu überwinden und das 3D-Drucken von Glas weiter voranzutreiben.

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