Cost Engineering benötigt eine organisatorische Heimat, um Ansätze, die über die Abteilungsgrenzen hinausgehen, zu entwickeln und zu implementieren. Die Schaffung einer eigenen Organisationseinheit kann den Unternehmen helfen, Cost Engineering im Unternehmen und in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern.
Heute scheitern viele Cost-Engineering-Projekte in den Unternehmen an deren Umsetzung. Die Frage, die sich den Unternehmen stellt, ist: Wie lassen sich die von Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden entwickelten Ideen zielgerichtet umsetzen? Um diese Implementierung sicherzustellen, bedarf es der organisatorischen Verankerung des Cost Engineering mit entsprechenden Durchgriffsrechten in den Fachabteilungen. Zudem sind die Leitlinien und Methoden des Cost Engineering in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern, um eine Verstetigung der Erfolge zu erzielen.
Dabei sind zwei Organisationsformen möglich. Eine temporäre Projektorganisation ermittelt und implementiert Maßnahmen für Schwerpunktthemen. Diese Lösung ist für viele Unternehmen die einfachste, wenn auch nicht immer zielführend. Nach Projektende fallen die benötigten Ressourcen zur Umsetzung weg, und die Ergebnisse laufen Gefahr im Tagesgeschäft zu versanden. Zur Verstetigung der Ergebnisse sind permanent Ressourcen erforderlich, weshalb Unternehmen verstärkt Cost Engineering dauerhaft organisatorisch verankern.
Charakteristika von Cost-Engineering-Projekten
Projekte im Cost Engineering variieren je nach deren Ausrichtung und Zielsetzung. So können sie entweder als Einzelprojekt durchgeführt werden oder als Programm mit verschiedenen Teilprojekten. Die Teilprojekte lassen sich nach Produktfamilien/Produkten, Systemen und Komponenten differenzieren. Diese Differenzierung verbessert die Steuerbarkeit der Projekte, steigert aber auch deren Komplexität und somit die Anforderungen an das Projektmanagement.
Wie kann der Wissensaustausch zwischen den Teilprojekten sichergestellt werden, wie werden die Ressourcen aufgeteilt? Die Herausforderungen an das Multiprojektmanagement sind vielseitig.
Den Anfang bildet die Auswahl der Projektteilnehmer. Es werden Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Funktionen benötigt. Um den Aufwand der Projektarbeit für den Einzelnen im Rahmen zu halten, hat sich die Bildung eines Kernteams bewährt, das situativ von Spezialisten unterstützt wird. Dabei werden klare Regeln zur Priorisierung der Tätigkeiten benötigt, um die Verfügbarkeit der Projektmitglieder während der Projektarbeit sicherzustellen.
Je nach Ausgangspunkt des Projekts unterscheiden sich die Zielsetzungen von Cost-Engineering-Projekten. So haben Task-Force-Projekte das Ziel, möglichst schnell ein Kostensenkungspotenzial zu identifizieren, mit Maßnahmen zu hinterlegen und diese zu implementieren. Erfolgsentscheidend sind ein abgegrenzter Untersuchungsbereich und ein klar definiertes Projektziel.
Dem gegenüber stehen Kostensenkungsprogramme. Diese zeichnen sich durch die Bündelung von parallel ablaufenden Task-Force-Projekten aus. Kostensenkungsprogramme können sich über mehrere Produkte oder sogar das komplette Produktportfolio eines Unternehmens erstrecken. Beim Projektmanagement von Kostensenkungsprogrammen wird vor allem Koordination zwischen den Projekten verlangt, um Ressourcenkonflikte zu vermeiden. Zudem aggregiert das Projektmanagement alle Kostensenkungspotenziale zu einem Gesamtkostenpotenzial für das Unternehmen.
Management von Cost-Engineering-Projekten
Bei Cost-Engineering-Projekten führt die hohe Anzahl von Stakeholdern und organisatorischen Schnittstellen in der Praxis zu unterschiedlichen Interessen. Das Projektmanagement hat die Aufgabe, zwischen den Erwartungshaltungen zu moderieren und diese in ein gemeinsames Ziel zu überführen. Regelmäßige Steuerkreissitzungen eignen sich hier als Plattform für den Interessensabgleich. In der Praxis hat sich dazu je nach Laufzeit und Umfang eines Cost-Engineering-Projekts ein Intervall von vier bis acht Wochen bewährt.
Wichtig ist jedoch, dass alle Stakeholder in dem Steuerkreis vertreten sind. Bei Cost-Engineering-Projekten sind zudem typischerweise Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführung, der Einkaufsleitung, der F&E-Leitung sowie der Produktionsleitung vertreten. Diese Besetzung mit entsprechenden Durchgriffsrechten ermöglicht schnelle Entscheidungen.
Als zentrale Erfolgsfaktoren von Cost-Engineering-Projekten sind klare und messbare Zielvorgaben, die Kenntnisse und Erfahrungen in der Nutzung der Methoden und der Schulung der Mitarbeiter zu nennen. Die Faktoren sind in der Praxis nicht losgelöst von einander zu betrachten, da nur bei ausreichender Qualifikation eine erfolgreiche Methodenanwendung möglich ist.
Warum Cost-Engineering-Projekte scheitern
Die Hauptursachen für das Scheitern eines Projekts resultieren vor allem aus so genannten weichen Faktoren. An erster Stelle stehen unklare Anforderungen und Ziele, fehlende Ressourcen sowie eine unzureichenden Projektplanung. Hohe technische Anforderungen spielen kaum eine Rolle. Zudem ist die Verankerung der Ergebnisse im Produktlebenszyklusmanagement wichtig, um bei der Entwicklung neuer Produkte eine Fehlerwiederholung zu vermeiden.
Um Cost Engineering über das Projektende hinaus in der Organisation zu verankern, sind zeitlich unbegrenzte Ansätze erforderlich. Die Institutionalisierung des Cost Engineerings in einer Aufbau- und Ablauforganisation bildet die Basis für ein ganzheitliches Kostenmanagement über Abteilungsgrenzen hinweg. Eine Kernaufgabe beim Cost Engineering ist das Schaffen von Transparenz über die Kosten und die Identifikation von Kostenoptimierungspotenzialen.
Im Einzelnen orientieren sich die Aufgaben im Cost Engineering an einem Regelkreis: beginnend mit der qualifizierten Zielkostenermittlung auf Bauteil- und Komponentenebene eines Produkts sind erste Kostenprognosen zu detaillieren. Die Zielkosten werden anschließend für die Komponenten- und Prozessebene differenziert. Der Vergleich von Produktzielkosten mit den Plankosten in der Entwicklungsphase eines Produktes erlaubt die Identifikation von Kosten- und Leistungslücken. Gleiches gilt für den Vergleich von Produktzielkosten mit den Ist-Kosten in der Phase der Herstellung von Produkten.
Zur Schließung dieser Kosten- und Leistungslücken sind durch das Cost Engineering Maßnahmen zur Produkt- und Prozesskostenoptimierung zu entwickeln. Dazu muss gewährleistet sein, dass im Cost Engineering ein adäquates Controlling- und Monitoringsystem verfügbar ist, um Kosten und Risiken am Produkt und in den Herstellprozessen zeitnah abzubilden.
Die Wahl der Cost-Engineering-Heimat
Für die organisatorische Verankerung bieten sich unterschiedliche Optionen an. Als „Direct Report“ berichtet die Cost-Engeering-Funktion direkt an den CEO oder CFO eines Unternehmens und genießt damit hohe Aufmerksamkeit. Nachteilig ist jedoch der geringe Produktbezug und die damit verbundene Gefahr mangelnder Kenntnis über technische Neuerungen.
Als „Teil der F&E-Funktion“ werden diese Nachteile aufgehoben. Ein starker Produktbezug und ein hohes technisches Wissen werden durch die hierarchische Einordnung gefördert. Die technologische Ausrichtung der Abteilung führt jedoch teilweise dazu, dass Einsparpotenziale nicht radikal genug identifiziert werden und die Produkte weiter über die Kundenanforderung hinausgehen und somit zu teuer bleiben.
Mit der Verankerung des Cost Engineering in den Kernfunktionen eines Unternehmens wie F&E, Einkauf oder Supply-Chain-Management wird eine hohe Wertschöpfungsorientierung sichergestellt. Jede Funktion übernimmt dabei die Verantwortung in ihrem Kompetenzbereich. Die Zielkostenabschätzung erfolgt entlang der Wertschöpfung des Produktes. Die Herausforderung besteht in der Abstimmung bei der Zielkostenabschätzung und der Ermittlung der Kostenoptimierungspotenziale über die Grenzen der Abteilungen hinaus. Daher wird eine neutrale Moderationsfunktion benötigt.
Costen-Engineering Schritt für Schritt einführen
Die Implementierung der Cost-Engineering-Funktion oder -Abteilung sollte stufenweise erfolgen, um deren Akzeptanz zu sichern. Dabei sind in der ersten Phase die personellen Ressourcen bereitzustellen. Die Personalanzahl variiert in Abhängigkeit von der Aufgabenintensität im Unternehmen. Zunächst erfolgt die Erzeugung von Kostentransparenz bei den Produkten als Basis der Zielkostendefinition. Mit Hilfe des Benchmarking von Wettbewerbsprodukten sowie Prozessabläufen sind die Kosten für ein Produkt zu ermitteln.
In der zweiten Phase erfolgt die Aufspaltung der Produktkosten bis auf Bauteil- und Komponentenebene. Als Ergebnis liegen Zielkosten für das Gesamtprodukt vor. In der dritten Phase der Implementierung sind auf Basis der Zielkosten die Kostenbestandteile eines Produktes zu optimieren.
In der Betriebsphase, der vierten und letzten Phase, nimmt die Cost-Engineering-Funktion alle Aufgaben des Cost Engineering schlussendlich wahr. Zu den bereits benannten Aufgabenstellungen kommt die Planung, Umsetzung sowie das Controlling von Kostensenkungsinitiativen hinzu. Interne Kostendaten aus ERP-Systemen werden mit marktseitig identifizierten Kostentreibern abgeglichen und nach Konsolidierung in Datenbanken verwaltet. Weitere Kostenanalysen wie die Extrapolation von Kosten für Produktkonzepte erhöhen die Aussagekraft.
Für eine effiziente Verwaltung von Information und Wissen durch die Cost-Engineering-Funktion werden auch Ansätze und Methoden des Wissensmanagement benötigt. Die hohe effiziente Verfügbarkeit von Informationen sowie die Transparenz über Wissensbedarfe sind im Cost Engineering von goßer Bedeutung.
Die Gestaltung eines effektiven Wissenstransfers und Nutzung von Informationsnetzwerken sollte daher in enger Verzahnung mit dem Wissensmanagement im Unternehmen erfolgen. Dabei verantworten die jeweiligen Wissensmanager die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der organisatorischen Wissensbasis. Hingegen stellen die Cost Engineers eine hinreichende Kostentransparenz sicher.
Fallbeispiel: Anlagenbau
Das Unternehmen verfolgte bereits in der Vergangenheit Kostensenkungsinitiativen für unterschiedliche Produktgruppen. Diese einzelnen Initiativen wurden jedoch losgelöst voneinander gehandhabt. In Folge dessen wurde teils parallel an gleichen Ideen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen ohne Kenntnis voneinander gearbeitet.
Die Unternehmensleitung entschloss sich daraufhin, eine zentrale Abteilung zum Produktkostenmanagement aufzubauen. Ziel war es, die Aufbau- und Ablauforganisation für das Cost Engineering in einer Abteilung im F&E-Umfeld mit unternehmensweiter Kompetenz und Autorität zu verankern.
Im ersten Schritt wurden die Kernaufgaben für die neue Abteilung definiert. Als Grundlage hierfür dienten Best-Practice-Beispiele vergleichbarer Unternehmen. Anhand der Kernaufgaben wurden neue Tätigkeitscluster definiert und Abschätzungen über den Zeitaufwand vorgenommen. Diese waren Grundlage für die Dimensionierung der Abteilung. Es ergab sich eine Planzahl von 16 Mitarbeitern.
Ausgehend von der Aufbauorganisation, den definierten Kernprozessen und den Einzeltätigkeiten wurde eine Ablauforganisation erarbeitet. Für die Prozesse wurden Subprozesse und Schnittstellen zu den Unternehmensfunktionen definiert. Abschließend wurden Rollen und Verantwortlichkeiten mit den Schnittstellenpartnern abgestimmt.
Die Professionalisierung der neuen Abteilung erfolgte stufenweise. Die bestehende Systemlandschaft konnte an die neuen Anforderungen der Abteilung angepasst werden. Methoden des Cost Engineerings wurden Mitarbeitern und Kompetenzträgern angrenzender Unternehmensfunktionen und Abteilungen in Workshops vermittelt.
Die Ermittlung von Produktkosten erfolgte jeweils zum Quartalsende. Dazu berichteten die Cost Engineers direkt an den Entwicklungsvorstand. Auch die Eskalation erfolgte im Managementmeeting über den Vorstand. Mit der neuen Abteilung zum Produktkostenmanagement gelang es dem Unternehmen, die Kostentransparenz über alle Produktgruppen herzustellen. Diese Klarheit verschaffte der Abteilung eine hohe Reputation im gesamten Unternehmen.
Fallbeispiel: Luft- und Raumfahrttechnik
Obwohl in dem Unternehmen bereits eine Cost-Engineering-Funktion permanent implementiert war, fehlte es an einer ausreichenden Prognosegenauigkeit bei der Produktkostenschätzung. Ziel war die Prognosegenauigkeit im Band von +/- 5 % zu halten. Die bestehende Cost-Engineering-Einheit berichtete direkt an den CEO und den CFO. Um die Zielsetzung zu erreichen, wurde die Aufgabendefinition von Produktlinienmanagement, Einkauf, Produktion, Produktentwicklung und deren Interaktion mit der Cost-Engineering-Funktion neu definiert.
Es wurden Cost Engineers in jedem Bereich angesiedelt. Diese berichteten in der neuen Rolle direkt an die zentrale Cost-Engineering-Funktion und ihren Vorgesetzten in der Unternehmensfunktion. Das Produktlinienmanagement verantwortete in der neuen Rolle die Abschätzung der Programmkosten. Der Einkauf bekam die Verantwortung für die Abschätzung des Beschaffungsumfangs. Die Produktion verantwortete die Analyse und Optimierung der Prozesskosten.
Die Cost-Engineering-Funktion führte diese Erkenntnisse aus den Unternehmensfunktionen über in eine Kostenplanung und Business-Case-Kalkulation für die einzelnen Produkte. Diese Neugestaltung des Cost Engineering führte zu der gewünschten Prognosequalität von +/- 5 %.
Autor: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann, Leiter des Forschungsinstituts für Unternehmensführung, Logistik und Produktion der TU München und Geschäftsführer der TCW Unternehmensberatung