Die Ariane 6 kurz vor dem sogenannten "wet dress rehearsal". Dabei werden die Startvorbereitungen der Rakete bis wenige Sekunden vor Zündung der Triebwerke simuliert.

Die Ariane 6 kurz vor dem sogenannten "wet dress rehearsal". Dabei werden die Startvorbereitungen der Rakete bis wenige Sekunden vor Zündung der Triebwerke simuliert. (Bild: ESA)

Was genau ist die Ariane 6?

Die Ariane 6 ist die nächste Generation der europäischen Trägerraketen, die von der Europäischen Weltraumorganisation ESA entwickelt wird. Sie soll am 9. Juli 2024 erstmals ins Weltall starten. Die Ariane 6 soll flexibler und kostengünstiger, und damit insgesamt wettbewerbsfähiger als ihre Vorgänger sein. Erreicht werden soll das durch Kosteneinsparungen bei der Herstellung. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6, ihre Fähigkeiten, Varianten und die geplanten Verbesserungen gegenüber früheren Ariane-Versionen.

So wird der Start der Ariane 6 ablaufen

Startablauf Ariane 6
(Bild: ESA)

Für den Start der Ariane 6 vom Raumfahrtzentrum Kourou in  Französisch-Guayana ist ein Startfenster vorgesehen, das von 20 Uhr deutscher Sommerzeit am 9. Juli bis um 24 Uhr offen steht. Verfolgen lässt sich der Start live zum Beispiel über einen deutschsprachigen Feed der ESA auf Youtube.

Das sind die geplanten Phasen des knapp dreistündigen Fluges:

  • 00:00:00 Booster ignition and liftoff (1)
  • 00:02:15 Booster separation (2)
  • 00:03:40 Fairing separation (3)
  • 00:07:41 Upper stage separation (4)
  • 00:07:50 First Vinci boost (5)
  • 00:08:53 First Auxiliary Propulsion Unit power up
  • 00:56:20 Second Vinci boost (6)
  • 01:06:03 First separation command: O0V-Cube, Curium One, Robusta-3A and initialisation of YPSat and Peregrinus (7)
  • 01:06:06 Second separation command: Cat-4, ZSTSat-1, GRBBeta, RIDEIGU, and initialisation of SIDLOC and PariSat (8)
  • 01:06:12 Third separation command: CURIE and Replicator (9)
  • 02:37:25 Third Vinci boost (10)
  • 02:40:23 Capsule separation command: Bikini and SpaceCase SCX01 (11)
  • 02:51:40 End of mission (12)

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Modularer Aufbau für flexible Nutzlasten

Die Ariane 6 hat einen modularen Aufbau. Auf diese Weise können unterschiedliche Konfigurationen der Rakete angeboten werden. Es gibt zwei Hauptvarianten - die Ariane 62 mit zwei Feststoff-Boostern und die leistungsstärkere Ariane 64 mit vier Boostern für schwerere Nutzlasten. Dies erhöht die Flexibilität und ermöglicht Nutzlasten bis zu 21 Tonnen.

Zusätzlich gibt es zwei verschieden große Fairings, um unterschiedliche Satelliten-Nutzlasten abzudecken.

Die Triebwerke der Ariane 6

Das Vulcain-Triebwerk in der Version 2.1 für die Ariane 6
Das Vulcain-Triebwerk in der Version 2.1 für die Ariane 6 (Bild: Arianegroup)

In der Ariane 6 wird mit dem Haupttriebwerk Vulcain 2.1 eine weiterentwickelte Version des Triebswerks verwendet, das bereits erfolgreich in der Ariane 5 verwendet wurde. Das Triebwerk mit einem Gewicht von 2,1 Tonnen  ist 3,45 hoch und hat einen Durchmesser von 2,10 Meter. Als Treibstoff kommen flüssiger Sauerstoff (LOX) und flüssiger Wasserstoff (LH2) im Verhältnis 6:1 zum Einsatz. Die Turbopumpen zur Einspritzung der beiden Komponenten in die Brennkammer laufen mit bis zu 40.000 Umdrehungen pro Minute.

Bei den P120 Feststoff-Boostern der Ariane 6 kamen erstmals Faserverbundtechnologien für die Außenhülle zum Einsatz, um das Gewicht der Booster zu reduzieren. Sie wiegen leer 11 Tonnen pro Stück, dazu kommen jeweils 142 Tonnen Ammoniumperchlorat-Verbundtreibstoff (APCP). Die Booster sind 13,5 Meter lang und etwa 3,4 Meter im Durchmesser.

Vinci: Ein Triebwerk der besonderen Art

Das wiederzündbare Vinci-Triebwerk bei einem Brenntest auf dem Prüfstand.
Das wiederzündbare Vinci-Triebwerk bei einem Brenntest auf dem Prüfstand. (Bild: ESA)

Eine Besonderheit ist das Vinci-Triebwerk der Oberstufe der Ariane 6, das ebenfalls mit LOX/LOH bei extrem niedrigen Temperaturen angetrieben wird und als erstes  kryogenes Oberstufentriebwerk der ESA wiederzündbar ist. Dadurch wird die Flexibilität der Ariane beim Absetzen von unterschiedlichen Nutzlasten stark erhöht. Um die Wiederzündbarkeit zu erzielen wurde die sogenannte Auxiliary Propulsion Unit (APU) entwickelt. Sie erlaubt, die teilweise entleerten Oberstufen-Tanks erneut mit Druck zu beaufschlagen, um das Vinci-Triebwerk während des Flugs wiederzuzünden. Dazu zweigt die APU einen kleinen Teil des Flüssigwasserstoffs und -sauerstoffs aus den Tanks ab, heizt diesen mit einem zu 100 % im 3D-Verfahren gefertigten Gasgenerator auf, baut Druck auf und führt ihn wieder in die Tanks zurück. Bei Bedarf kann die APU auch zusätzlichen Schub liefern, beispielsweise um die Oberstufe im Orbit anzutreiben.

Wer ist alles am Bau der Ariane 6 beteiligt?

  • Für die Entwicklung der Ariane 6 arbeitet die ESA mit einem industriellen Netzwerk in 13 europäischen Ländern zusammen, das vom Hauptauftragnehmer ArianeGroup angeführt wird.
  • Die französische Raumfahrtbehörde CNES betreibt die Startanlagen für die Ariane 6 auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana.
  • Arianespace ist der Startdienstleister, der die Ariane 6 vermarktet und betreibt.
  • Die Rolle der europäischen Raumfahrtagentur ESA bei der Entwicklung der Ariane 6 besteht in die Überwachung des Beschaffungsprozesses sowie der die Verantwortung für das gesamte Trägersystem.

Welche Schwächen gibt es bei der Ariane 6?

  • Zunächst einmal hat die Entwicklung der Rakete sämtliche Zeit- und Kostenpläne gesprengt. Der Erstflug hätte bereits vor vier Jahren stattfinden sollen.
  • Hinzu kommen Entwicklungskosten von etwa 3,8 Milliarden Euro, fast eine Milliarde Euro mehr als ursprünglich kalkuliert.
  • Zu guter Letzt geht der Trend mittlerweile aus Kostengründen zu Trägerraketen mit wiederverwendbaren Komponenten. So können etwa die Hauptstufen der US-Raketen Falcon 9 (SpaceX) und New Shepard  (Blue Origin) nach dem Einsatz wieder zur Erde zurückkehren und vertikal landen. Die ESA will wiederverwendbare Komponenten erst beim Nachfolger der Ariane 6 ab etwa Mitte der 2030er Jahre einsetzen.

Welche Nutzlasten sind beim Erstflug mit dabei?

Die Ariane 6 wird mehrere Satelliten und Experimente von Raumfahrtbehörden, Unternehmen, Forschungsinstituten, Universitäten und Studenten auf ihrem ersten Flug in All bringen.

Zwei Wiedereintrittskapseln und mehrere Satelliten werden rund 600 km über der Erde freigesetzt. Einige Experimente werden dagegen fest an der Ariane 6-Oberstufe befestigt bleiben, und Daten sammeln.

Wo wird die Ariane 6 starten?

Die Ariane 6 startet vom Raumfahrtzentrum der ESA bei Kourou in Französisch-Guayana. Das Centre Spatial Guyanais (CSG) ist einer der am günstigsten gelegenen Raketenstartplätze der Welt, da er nur 580 Kilometer vom Äquator entfernt ist. Dadurch verleiht die Erdrotation einer dort startenden Rakete eine zusätzliche Geschwindigkeit von 461 m/s in Richtung Osten. Das Gelände umfasst eine umfangreiche Infrastruktur für die Ariane 6. Diese reicht von einer Anlegestelle für Transportschiffe, die Raketenteile aus Europa nach Kourou bringen, bis zu Tankanlagen Wasserstoff und Sauerstoff in flüssigem Zustand. Mehr dazu in folgender Bildergalerie.

Die wichtigsten Daten der Ariane 6 im Überblick

Höhe 56 Meter (Ariane 62) bww. 62 Meter (Ariane 64)
Durchmesser 5,4 Meter
Startgewicht 540 Tonnen / 870 Tonnen
Nutzlast für LowEarth Orbit 10,3 Tonnen / 21,6 Tonnen
Nutzlast geostationärer Orbit 4,5 Tonnen / 11,5 Tonnen
Schub der Feststoff-Booster 8.000 kN / 15.400 kN
Brenndauer der Feststoff-Booster 130 Sekunden
Schub des Vulcain 2.1 Haupttriebwerks beim Start 1370 kN
Brenndauer des Vulcain 2.1 Haupttriebwerks beim Start 468 Sekunden
Schub des Vinci Oberstufentriebwerks 180 kN
Brenndauer des Vinci Oberstufentriebwerks Bis zu 900 Sekunden

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Anna McMaster)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins Automation NEXT. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.

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