Wird Wissen genutzt, um beispielsweise basierend auf einer Regelverarbeitung Konstruktionsschritte automatisiert oder teilautomatisiert innerhalb eines CAD-Systems ablaufen zu lassen, spricht man von „Wissensbasierter Konstruktion“ (englisch: Knowledge Based Engineering, KBE). Die neue Richtlinie VDI 5610 Blatt 2 beschreibt die wesentlichen Schritte und Elemente für die Entwicklung sowie den Betrieb einer KBE-Anwendung. Großes Potenzial haben die Anwendungen, den Konstrukteur von zeitaufwendigen Routinearbeiten zu entlasten.
In der Produktentwicklung und Konstruktion besteht noch erhebliches Potenzial zur Prozessoptimierung, Automatisierung und Standardisierung. Nach wie vor werden viele identische und ähnliche, Konstruktionsprozesse für Neu-, Sonder- und Weiterentwicklungen mehrmals wiederholt. Konstrukteuren und Entwicklern fehlt durch tendenziell kürzer werdende Entwicklungszeiten die Zeit, um Standardisierungs- und Automatisierungsprozesse einzuleiten.
Obwohl im Bereich KBE bereits seit den 1980er Jahren verschiedene Forschungsansätze entwickelt wurden, existiert für das industrielle Umfeld keine einheitliche und allgemeingültige Beschreibung, mit der eine KBE-Anwendung umgesetzt und betrieben werden kann. Ziel der Richtlinie VDI 5610 Blatt 2 ist es, diese Lücke zu schließen und eine Vorgehensweise für die Umsetzung einer KBE-Anwendung zur Verfügung zu stellen. Anwender können auf konkrete und anwendungsbezogene Empfehlungen und Beispiele zurückgreifen. Dies wird erreicht, indem die Umsetzung einer KBE-Anwendung als Projekt verstanden und die Theorie des Projektmanagements mit KBE-Grundlagen kombiniert wird. Insbesondere für KBE-Inhalte bietet die vorliegende Richtlinie ein wichtiges Fundament, das als Erweiterung zur Richtlinie VDI 5610 Blatt 1 „Wissensmanagement im Ingenieurswesen“ zu sehen ist. VDI 5610 Blatt 2 wendet sich besonders an Führungskräfte, Mitarbeiter von Konstruktion- und/oder Entwicklungsabteilungen, Mitarbeiter der Betriebsmittelkonstruktion und des technischen Vertriebs sowie an Studierende.
Herausgeber der Richtlinie VDI 5610 Blatt 2 „Wissensmanagement im Engineering; Wissensbasierte Konstruktion (KBE)“ ist die VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessgestaltung (GPP). Die Richtlinie ist ab Juli als Entwurf zum Preis von 92,20 Euro beim Beuth Verlag in Berlin (+49 30 2601-2260) erhältlich. Einsprüche sind bis zum 31. Dezember 2015 unter www.vdi.de/einspruchsportal möglich; Onlinebestellungen unter www.vdi.de/5610 und www.beuth.de.
Mit der Richtlinie erhält der Anwender Antworten auf zentrale Fragen wie:
- Was ist KBE, wo kann es (nicht) eingesetzt werden und warum brauchen wir es?
- Welche Personengruppen beziehungsweise Rollen sind im KBE-Projekt involviert?
- Welche Arten einer KBE-Anwendung gibt es, welche ist für mein Problem die richtige Anwendung und wie kann ein Einstiegszenario gestaltet sein?
- Welche IT-Werkzeuge sind notwendig, welche Rahmenbedingungen müssen im Unternehmen erfüllt sein und welche Ressourcen sollten zur Verfügung stehen (Kostenabschätzung)?
- Wie lassen sich der Nutzen einer KBE-Anwendung und der Aufwand für deren Entwicklung abschätzen?