Die Nachfrage nach Premiumautos und Individualität ist hoch. Das bedeutet steigende Modellvielfalt und Stückkosten. Denn auf einer Produktionslinie kann bisher nur ein Modell gebaut werden. Außer bei Toyota – als einziger baut der japanische Hersteller fünf Modelle auf einer Linie. Deutsche Automobilbauer wollen nun mit dem neuen Drei-Achs-Positioniersystem von Leantechnik nachziehen.
Build-to-order und Mass Customization, also die Fertigung nach Auftragseingang und die stärkere Individualisierung von Massenprodukten, stellen die Automobilhersteller vor neue Herausforderungen. Linienfertigungen mit hohem Automatisierungsgrad haben in den vergangenen Jahrzehnten die Produktionskosten von Fahrzeugen immer weiter reduziert.
Nun gilt es, die Produktionsabläufe so zu organisieren, dass sich möglichst viele Fahrzeugvarianten in einer Produktionsanlage beziehungsweise -linie wirtschaftlich fertigen lassen „Für einen Unter- und Oberbau einer Linie bezahlt ein Hersteller knapp eine halbe Milliarde Euro“, weiß Leantechnik-Geschäftsführer Reinhard Janzen. „Vor allem die Premiumhersteller sind hier unter Druck. Besonders hier versuchen wir Ihnen zu helfen.“
Architekturfreie Produktionswelt
Mit dem Drei-Achs-Positioniersystem (DAP), der „architekturfreien Produktionswelt“, entwickelte Leantechnik nun laut Janzen „mehr Flexibilität in der Automobilproduktion“ . Mit seiner flexiblen Bewegung im Raum ist das neue System für den Einsatz in Linienfertigungen prädestiniert. Möglich machen es die auf drei Achsen positionierten lifgo-Zahnstangengetriebe. So gelingt eine flexible und architekturfreie Bodenspanntechnik, die die Aufnahmepunkte für jede Karosseriegeometrie automatisch anpasst und die wirtschaftliche Ableitung von Karosseriederivaten unterstützt.
Durch die Kombination und Synchronisation von vier lifgo-Getrieben kann sich das Positioniersystem ohne langwierige Anpassungen oder Umbauphasen in verschiedene Richtungen bewegen. So sind auf der X-Achse beispielsweise Hübe von 500 Millimeter, auf der Y-Achse von 250 Millimeter und auf der Z-Achse von 350 Millimeter möglich. Die Wiederholgenauigkeit liegt dabei zwischen +/- 0,02 und +/- 0,01 Millimeter, die Hubkraft beträgt 3.500 N.
Vier solcher Positioniereinheiten arbeiten unabhängig voneinander, nehmen über die oberen Enden die Karosserie mit Hilfe von Aufnahmepiks auf und spannen sie mit Hakenspannern fest. Eine gemeinsame Steuerung regelt für jedes Fahrzeugmodell die erforderlichen Abstände zwischen den Aufnahmepunkten sowie den Hub auf die für Schweißroboter und andere Fertigungsaufgaben erforderliche Arbeitshöhe. Eine einseitige Absenkung oder Anhebung der Karosserie ist ebenfalls möglich.
Schmale Technik
Bei der Konstruktion des DAP ist Leantechnik dem Grundgedanken einer schmalen Technik treu geblieben und hat alle Zahnstangen und Antriebe nach innen verlegt. So ist ein anwenderfreundliches System mit geringem Bauraum entstanden. Daneben überzeugt das Positioniersystem durch die gute Führung der Zahnstangen, mit der sich alle Hübe äußerst präzise ausführen lassen. Ganz entscheidend für den Einsatz in der Linienfertigung ist auch die Fähigkeit zur Absorption von Quer- und Prozesskräften, die insbesondere beim Schweißen entstehen.
Vier Jahre Entwicklung
Leantechnik entwickelte in den letzten vier Jahren zusammen mit Automobilherstellern an dem neuen System. Eine Pilotlinie mit dem DAP soll 2016 gebaut werden. Zwar baut Toyota schon seit mehreren Jahren bis zu fünf Modelle auf einer Produktionslinie, aber erst jetzt wollen die deutschen Autohersteller nachziehen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Janzen erklärt die späte Reaktion so: „Bisher hat sich noch keiner getraut, weil es ein sehr konsequenter Schritt ist.“ Denn neben der neuen Produktionslinie für mehrere Modelle, muss auch die Logistik hinter den Linien den Änderungen gewachsen sein. Das ist heute kein Problem mehr.
Doch nicht nur für die Automobilindustrie ist das DAP eine Revolution. „Das DAP ist überall da einsetzbar, wo viele Verstellungen notwendig sind“, sagt Janzen. So wäre auch ein Einsatz bei Produktionen mit hoher Stückzahl und einer großen Variantenvielfalt denkbar. Das wäre etwa für die Produktion von Plasma-Bildschirmen interessant. Auch die Verpackungsindustrie ist für das System ein Einsatzort.
Autorin: Felicitas Heimann, Redaktion