Professor Dr. Joachim Bauer, Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut schrieb bereits im Jahr 2005 ein Buch über die neu entdeckten Spiegel-Nervenzellen (Spiegelneuronen) mit dem Titel "Warum ich fühle was du fühlst". Darin warnt er augenzwinkernd: "Vorsicht, Ansteckungsgefahr!", bei Gefühlen. Mit den Spiegelneuronen entdeckte man einen Mechanismus des Gehirns, der Stimmungen, Gefühle und Körperhaltungen anderer Menschen automatisch spiegelt.
Prof. Bauer hierzu: "Meistens ist es schon passiert, bevor wir beginnen konnten, darüber nachzudenken: Unwillkürlich hat man ein charmantes Lächeln erwidert". Bauer beschreibt diese spontane Reaktion mit Empathie-Netzwerken, die uns melden, was Menschen in unserer Nähe fühlen. Auf diese Weise sind wir in der Lage, die Freude oder den Schmerz anderer mitzuempfinden. Er geht davon aus, dass dies die Basis unserer Fähigkeit zum Mitfühlen und für unsere Emotionale Intelligenz ist.
Dein Stress ist auch mein Stress
Zum Ergebnis "Dein Stress ist auch mein Stress" kam ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig in Kooperation mit der TU Dresden im Jahr 2013. Forschungen zum Thema Mitgefühl zeigten: "Stress ist ansteckend. Bereits die Beobachtung einer anderen Person in einer stressigen Situation kann ausreichen, damit der eigene Körper das Stresshormon Kortisol ausschüttet". Bei einigen Menschen genügt bereits die Beobachtung auf einem Bildschirm, um Stressreaktionen auszulösen. Wie der Stress übertragen wird, soll noch erforscht werden.
Die Neurowissenschaft forscht hierzu nach wie vor insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Empathie. Es wird angenommen, dass wir Gefühle anderer spiegeln, um selbst dieses Gefühl des anderen nachempfinden zu können. Die Forscher suchen auch nach Erklärungen, warum das Einfühlungsvermögen bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt ist und manchmal gänzlich zu fehlen scheint.
Nach meiner Meinung ist manchen Menschen das Mitgefühl durch äußere Umstände abhandengekommen, ähnlich wie die Neugier.
Emotionale Ansteckung im Büro
Jeder hat es schon erlebt: Sie arbeiten ganz entspannt an Ihrem Schreibtisch, Ihr gestresster Chef kommt herein und sofort steigt Ihr eigenes Stresslevel an. Ebenso wirkt ein Telefonanruf eines verärgerten Kunden. Oder ein Kollege sitzt am Schreibtisch nebenan und ist total gestresst. Er spricht nicht darüber, aber Sie fühlen es. Was passiert? Viele Menschen fühlen sich in einem solchen Umfeld unwohl oder sie fühlen sich ebenfalls gestresst.
Ein Gefühl von außen stellt sich bewusst oder unbewusst ein, durch Beobachtung oder schleichend durch subtile Wahrnehmung. Wenn eine negative Befindlichkeit wie Stress von Ihren über die Spiegelneuronen nachempfunden wird, empfinden Sie eventuell auch Stress. Wissenschaftler nennen das empathischen Stress. Das Eine ist der Einfluss auf uns durch Stimmungen von außen, die andere Seite sind wir selbst mit unseren Gefühlen und Befindlichkeiten. Wir wirken darüber auf unser Umfeld, es ist ein Teil unserer non-verbalen Kommunikation. Allerdings wirken Gefühle nicht bei jedem gleich.
Beachten wir jedoch unbedingt auch die gute Wirkung der Spiegelneuronen, die Ansteckung mit positiven Gefühlen. Denken Sie an das von einer fremden Person geschenkte Lächeln irgendwo auf Ihrem Weg zur Arbeit, das Sie unwillkürlich erwidern und Ihre Stimmung hebt.
Was bedeutet das für den Job?
Wenn sich negative und positive Stimmungen zwischen Menschen übertragen, ist es sinnvoll sich selbst zu reflektieren. Nur dann können Sie Ihre kontraproduktiven Stimmungen und Gefühle ändern. Und Stress zu verbreiten ist dabei noch der harmlose Fall gegenüber Zukunftsängsten, Unzufriedenheit & Co. Beobachten Sie sich in Gesprächen: lassen Sie sich vom negativen Tonfall des Gegenübers anstecken? Das passiert leicht in Unreflektiertheit.
Wenn man mit den Überlegungen zu der Wirkung von Gefühlen aus dem Außen noch ein Stück weiter geht, ist es wahrscheinlich, dass diese auch unsere Entscheidungen beeinflussen können. Das ist bei positiven Gefühlen wie Begeisterung gut, aber bei unguten Gefühlen wie Stress, Ablehnung, Angst usw. weniger gut.
Jeder kennt auch das Gefühl, dass im Team oder in der Abteilung eine schlechte Stimmung herrscht und nicht immer liegen die Gründe dafür klar auf der Hand. Es gibt beispielsweise das Phänomen, dass Stimmungen von Angst und Depression ganze Unternehmen zu beherrschen scheinen. Wie bei einer Massenhysterie, bei der sich plötzlich alle von Panik anstecken lassen. Umgekehrt gibt es auch Unternehmen mit rundum positiver Stimmung - meist sehr innovative und agile Unternehmen.
Chefs und Spiegelneuronen
Führungskräfte tragen erheblich dazu bei, wie die Stimmung im Team, in der Abteilung und im Unternehmen ist. Sie strahlen und beeinflussen aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung nicht nur als Vorbild sondern auch stimmungsgebend. Gerade heute ist der Spiegelungsgesichtspunkt wichtig, weil diese Zeit des Wandels viele Ängste erzeugt. Als Chef können Sie davon ausgehen, dass Ihre Haltung zur Veränderung, zu neuen Methoden und zur Digitalisierung auf die Mitarbeiter eine förderliche oder bremsende Wirkung hat.
Die Führungskraft hat eine Verantwortung den Mitarbeitern und dem Unternehmen gegenüber. Wenn Sie Zukunftsängste, Zweifel oder Ablehnung gegen das Neue bei sich selbst oder den Mitarbeitern ignorieren, anstatt sich um konstruktive Zukunftsperspektiven zu kümmern, müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Abteilung oder das ganze Unternehmen in Lethargie verfällt.
Die Wahrnehmung negativer Stimmungen in Teams und im Unternehmen ist wichtig, um gegenzusteuern. Und angstmachende Tatsachen wie zum Beispiel "Elektroautos benötigen kein Getriebe" dürfen in einem Unternehmen, das Getriebe herstellt, nicht ignoriert werden, denn sie bedrohen konkret Arbeitsplätze.
Ein Weg wäre es, sich den eigenen Ängsten und blockierenden Gefühlen zu stellen und nach neuen Perspektiven und Lösungen zu suchen. Optimismus ist eine Kompetenz der neuen Arbeitswelt. Was erzeugt bei Ihnen ein Gefühl von Optimismus, Zuversicht oder Begeisterung? hei