Knapp 21.980 Firmen aus 91 Ländern nahmen an der im Februar 2016 veröffentlichten weltweiten Studie des Peterson Institute for International Economics in Washington teil. Die Frauenquote innerhalb der Vorstandsmitglieder, Unternehmens- und Geschäftsführer lag bei den deutschen Firmen, die sich an der Studie beteiligten, bei rund 30 Prozent. Damit zählt Deutschland im Ländervergleich der Studie zum unteren Drittel und den schlecht ausbalancierten Teilnehmern.
Im internationalen Vergleich zeigt sich deutlich die Diskrepanz zwischen Männer- und Frauenanteil in den Chefetagen deutscher Unternehmen. Dabei haben Frauen in gehobenen Positionen einen positiven Einfluss auf den Firmen-Umsatz, wie bereits mehrfach innerhalb des Landes durch Studien erfasst wurde.
Ein deutliches Ergebnis: Ein höherer Anteil an Frauen in entscheidenden Chefpositionen steigert den Umsatz der Unternehmen im Schnitt um 15 Prozent. Auch die Börsenwerte sind erhöht. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich Deutschland allmählich dem Trend zur ausbalancierten Führungsspitze annähert.
Frauenquote: Lösung aller Probleme?
Die Integration von Frauen soll nun auch gesetzlich vermehrt unterstützt werden. Dreh- und Angelpunkt dieser Hilfe ist die Einführung der sogenannten Frauenquote als Teil des „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, das am 1. Mai 2015 in Kraft trat. Seit dem 1. Januar 2016 ist die Frauenquote spürbar: „Nun gilt die fixe Geschlechterquote von 30 Prozent auf neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in 100 großen Unternehmen. Etwa 3500 weitere Unternehmen sind verpflichtet, sich eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen zu setzen. Und auch für den öffentlichen Dienst gilt für die Besetzung von Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für alle Neubesetzungen dieser Sitze“, verkündete das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf der eigenen Website nun.
Deutschland ist mit der Einführung der Frauenquote dabei nicht allein: Spitzen- und Vorreiter der Quote ist Norwegen, die bereits 2006 eine Frauenquote von 40 Prozent einführten. Auch andere EU-Länder wie Schweden, Frankreich, Finnland und der Slowakei rühmen sich einer Frauenrate von zumindest 15 bis 20 Prozent. Doch ein Wundermittel ist die, schwer umkämpfte, Frauenquote lange nicht. Ihr folgt ein Rattenschwanz an neuen Problematiken: Ist es so nicht unumgänglich, männliche Bewerber zu diskriminieren? Wird so nicht auch der berufliche Aufstieg im Vergleich weniger kompetenter Frauen begünstigt? Und „last but not least“, wollen Frauen nicht eher wegen ihrer beruflichen Leistung und Errungenschaften belohnt werden?
Herangehensweise ändern
Die Studie liefert, zusammen mit der Auswertung der Ergebnisse, auch Ansatzpunkte für die Lösung des Problems. Eine staatlich festgelegte Frauenquote kommt in diesem Lösungsweg nicht vor. Vielmehr müsse man, so die Experten, bereits bei der frühkindlichen Erziehung neuer Generationen ansetzen. Mädchen müssen im gleichen Maße und in den gleichen Bereichen wie Jungen gefördert werden. Es darf keine „Mädchenberufe“ mehr geben.
Der erste Schritt zum „Männer und Frauen“-Beruf wurde bereits getan, denn ein großer Teil der weiblichen Arbeitskräfte in Deutschland beweist, dass sich Frauen in allen Berufsfeldern wohlfühlen. Auch männerdominierte Berufe finden inzwischen interessierte Mitarbeiterinnen.
Nichtsdestotrotz zeigen sich auch in der Studie der KFW Trends, wonach in bestimmten Branchen weibliche Führungskräfte besonders häufig auftreten. Dazu zählt das Gastronomie- und Hotelgewerbe. 33 Prozent der Führungsspitzen sind hier weiblich. In Dienstleistungsbereichen wie Pflege, Aus- und Weiterbildung, Kultur und Sport liegt der Frauenanteil bei 31 Prozent. Im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen erreicht er 30 Prozent. Auch unternehmensnahe Dienstleistungen, etwa Anwaltskanzleien, PR-Agenturen, Finanzberatungen und personalbezogene Unternehmen weisen einen Frauenanteil von 27 Prozent in Führungspositionen auf.
Und auch Jungen haben Nachholbedarf: Die Einstellung, ebenfalls zeitaktiv bei der Erziehung mitzuwirken, muss sich in neuen Generationen verankern und nicht mehr in Frage zu stellen sein. Denn nicht nur Frauen kämpfen mit dem Stigma der Elternzeit, gerade Väter sehen mit altem Rollendenken konfrontiert. Männer, darin sind sich viele Firmenchefs einig, gehören nicht an den „heimischen Herd“. Nur jeder zweite Firmenchef unterstützt daher das Anliegen, in Elternzeit zu gehen.
Anders als Mütter haben Väter zudem noch immer keinen gesetzlichen Anspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz nach der Elternzeit, und auch der Sonderkündigungsschutz deckt die rechtliche Problematik nur unzureichend. Dabei wäre die Folge eines fairen Rechtssystems auch für Frauen von Nutzen: Mehr von ihnen stiegen beruflich auf, entschieden sich Männer häufiger für die Elternzeit. Die Gleichstellung von Männern und Frauen kann funktionieren, wie die die Personalberatung iperdi beweist: „Bei uns haben natürlich auch Männer das Recht, in Elternzeit zu gehen und danach wieder an den gewohnten Arbeitsplatz zurückzukehren. Es ist schließlich genauso wenig rechtens, Männer aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren wie Frauen“, sagt Thomas Rehder, Geschäftsführer des Personaldienstleisters iperdi Holding Nord.
Ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen
Der erste Schritt zum integrativen Arbeitsumfeld ist, die unternehmenseigene Attraktivität zu steigern. „Frauen sind, entgegen einiger Behauptungen deutscher Firmenchefs, auch durch ihre familiäre Bindung nicht in ihrer Arbeit beeinträchtigt“, weiß Rehder. Der Frauenanteil interner Niederlassungen liegt beim Personaldienstleister schon länger bei einem Anteil von 70 Prozent.
Laut Erhebungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben 70 Prozent der Frauen in Vorständen mindestens ein Kind. Die Herausforderung, die zu Recht an Firmen gestellt wird, um Frauen für das eigene Unternehmen zu gewinnen ist, das Arbeitsumfeld familienfreundlicher zu gestalten. Denn häufig ist es, nach wie vor so, dass es die Frauen sind, die in Elternzeit und später in Teilzeit gehen.
„Damit wir diese qualifizierten und erfahrenen Kolleginnen nicht dauerhaft verlieren, möchten wir das Arbeitsumfeld so entgegenkommend wie möglich gestalten. Hierfür bieten wir unseren Mitarbeitern bei iperdi beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle an, mit denen der berufliche und private Alltag bestmöglich organisiert und kombiniert werden kann“, sagt Rehder.
Auch andere Konzepte stehen Firmenchefs zur Verfügung, um zu einem familienfreundlichen Unternehmen aufzusteigen. Hier kämen nicht nur eine firmeninterne Kinderbetreuung, sondern auch Unterstützung bei der Suche nach externen Betreuungsstellen, die Möglichkeit eines Homeoffices und Planungsgespräche nach der Elternzeit in Frage. So steht der firmeninternen Balance in Zukunft nichts mehr im Wege.
Das denkt die Redakteurin
Gleiches Recht für alle
Wir leben im 21. Jahrhundert und immer noch wird zwischen Mann und Frau unterschieden. Das liest man in Frauenmagazinen oder Tageszeitungen. Da kommt die Frau von der Venus, der Mann vom Mars; Frauen seien shoppingsüchtig und Männer Sportfanatiker. Auch wenn manche dieser Charaktereigenschaften zutreffen, kann das weibliche oder männliche Geschlecht nicht einfach in klassische Stereotype eingeteilt werden. Denn nicht jede Frau ist eine „typische“ Frau, shoppingsüchtig, liebt rosa und muss – nach alten Rollenbildern – Heim, Herd und Kinder versorgen. Und auch der Mann muss nicht mehr als typischer Ernährer der Familie gesehen werden. Er darf sich ebenfalls um Haushalt und Nachwuchs kümmern. Wir suggerieren eine tolerante Gesellschaft, in der homosexuelle Paare heiraten, Männer in Elternzeit gehen oder Frauen Karriere machen können – aber eigentlich stecken wir noch tief in alten Rollenbildern fest. Denn wenn nicht einmal Frauen und Männer für die gleiche Arbeit das gleiche Geld verdienen, dann ist die Gesellschaft weit weniger tolerant als gedacht. Also weg mit den Stereotypen und gleiches Recht für alle!