In Berufspraktika kommen die ersten Gen Alphas jetzt in Kontakt mit Unternehmen.

In Berufspraktika kommen die ersten Gen Alphas jetzt in Kontakt mit Unternehmen. (Bild: Tongpool – stock. adobe.com)

Auf der Hannover Messe 2023 fiel der Stand von ebm-papst auf: Unter dem Hashtag #FutureHeroes hatten die Azubis den Auftritt des Elektromotorenherstellers komplett selbst konzipiert und organisiert. Auch Sensorspezialist Leuze aus Owen band seine Azubis ein: Für die Interpack montierten die Auszubildenden Sensoren auf eine Etikettiermaschine, um die Funktionalität in Aktion demonstrieren zu können. Diese Idee sowie deren Umsetzung kam ebenfalls von den Azubis selbst. Eigene Ideen einbringen, Verantwortung übernehmen und persönliche Erfahrungen machen – das ist der von Digitalisierung sehr stark geprägten jungen Generation von Auszubildenden wichtig.

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Jugendliche brauchen persönliche Erfahrungen

Die sogenannte Generation Alpha – gemeint sind die Jahrgänge 2010 bis 2025 – ist offen gegenüber Technologien und wächst selbstverständlich mit künstlicher Intelligenz auf. Wer heute ein Schülerpraktikum macht oder sich nach dem Abschluss für eine Lehre entscheidet, hat die Aufmerksamkeit seiner Eltern immer mit dem Smartphone geteilt. Es ist normal, permanent mobile Endgeräte zu nutzen. Informationen kommen nur noch aus dem Internet.

Was erwartet diese Generation von Unternehmen? Und wie gehen Unternehmen erfolgreich auf sie ein? „Jugendliche benötigen mehr als jemals zuvor die Herausforderung im Denken, Fühlen, Erleben und Handeln. Die persönlichen Erfahrungen können weder durch die Medien noch durch den Computer ersetzt werden. Jugendliche brauchen Lernprozesse, bei denen Erfahren, Erforschen im Mittelpunkt stehen“, erklärt Ausbildungsleiterin Cordula-Eva Bauer vom Werkzeugbau-Unternehmen Oskar Frech in Schorndorf. „Heute sind Jugendliche mit vielen Denkaufgaben konfrontiert, die zu wenig Praxisbezug haben zum realen Leben. Jugendliche möchten zeigen, was in Ihnen steckt. Dazu haben sie aber wenig Möglichkeiten.“

Daten und Fakten zur Generation Alpha

● Aktuell werden weltweit pro Woche rund 2,74 Millionen Menschen geboren, die der Generation Alpha angehören.
● Bis zum Ende des kommenden Jahres wird die Generation Alpha auf rund 2,2 Milliarden Personen angewachsen sein.
● Ihre Lebenserwartung wird rund 16 % über jeder der Millenials liegen (rund 85 Jahre).
● Die Häfte dieser Generation wird einen Uni-Abschluss besitzen.
● Zwei Drittel der Gen Alphas werden in Berufen arbeiten, die es heute noch nicht gibt.
● Ebenfalls zwei Drittel wollen vor allem Produkte kaufen, die nachhaltig produziert wurden

Azubis als Experten in den Schulen

Entsprechend bietet Frech den Jugendlichen eine ganze Palette an Möglichkeiten, sich selbst praktisch einzubringen. In Kooperation mit Schulen aus der Umgebung stellt Frech die eigene Lehrwerkstatt für den Technikunterricht zur Verfügung. Azubis gehen als Experten in die Schule und können sowohl die eigenen Fähigkeiten demonstrieren und entwickeln als auch potenzielle künftige Kollegen von Frech aus Ausbildungsstelle überzeugen. Darüber hinaus bietet das Unternehmen in den Schulen Bewerbungstrainings an, nimmt an Elternabenden teil und ermöglicht Betriebsbesichtigungen. „Wir sind sehr aktiv, vor Ort bei der Kammer, in den Schulen, in der Welt, um über unsere Ausbildung zu informieren“, so Bauer.

Qualität und Quantität lassen nach

Allerdings stellt man bei Frech immer wieder fest: Gewisse fehlende Grundlagen kann ein Betrieb nicht auffangen. Deshalb legt Frech bei der Auswahl der Auszubildenden neben guten Leistungen in Mathe auch viel Wert auf die Verhaltensnoten der Bewerber. Ähnliches beklagt auch Benedikt Windaus, Ausbildungsleiter beim Automatisierer Pilz in Ostfildern. „Wir stellen fest, dass nicht nur die Quantität der Bewerber nachlässt, sondern vor allem auch die Qualität. Auch eine geringere Eigenständigkeit und eine Anfälligkeit für psychische Erkrankungen sind für uns in der Breite erkennbar“, so Windaus.

Um die eigenen Ausbildungsplätze besetzen zu können, setzt auch Pilz auf ‚aufsuchende Arbeit‘. Das Unternehmen ist eng mit den Schulen der Region in Kontakt, bietet Exkursionen für den Technikunterricht an, ist auf Ausbildungsmessen unterwegs und lädt einzelne junge Leute oder gleich ganze Klassen ins Unternehmen ein. Trotz dieser Mühen: „Bei allen Aktivitäten ist es aber so, dass wir einzelne Stellen nicht besetzen können. Dies betrifft vor allem die dualen Studiengänge, wo wir ein gewisses Einstiegsniveau benötigen“, sagt Windaus.

Automation NEXT Conference 2024

Entdecken Sie die Zukunft der Automatisierung auf der Automation NEXT Conference 2024. Diese bedeutende Veranstaltung, die am 15. und 16. Oktober 2024 im Nestor Hotel Ludwigsburg stattfindet, bringt Branchenexperten zusammen, um über neueste Trends und Technologien in der Automatisierung zu diskutieren.

Die Themenbereiche umfassen Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Cybersicherheit, Edge Computing, Robotik und nachhaltige Automatisierungslösungen. Die Veranstaltung bietet eine einzigartige Plattform für Wissensaustausch, Netzwerken und Inspiration für Fachleute aus der Automatisierungsbranche.

Für weitere Informationen besuchen Sie bitte Automation NEXT Conference.

Fachkräftemangel macht Gen Alpha selbstbewusst

Dennoch tritt die Generation Alpha überwiegend selbstbewusst in den Arbeitsmarkt: Sie wissen, dass sie als ‚junge Leute‘ ein rares Gut sind. Nach Informationen des ZVEI ist mehr als ein Viertel der Beschäftigten in der heimischen Elektro- und Digitalindustrie älter als 55. Wenn diese in den nächsten zehn Jahren absehbar in den Ruhestand eintreten, müssten allein dadurch sukzessive rund 230 000 Fachkräfte ersetzt werden. Für zahlreiche Firmen stellt der Fachkräftemangel schon jetzt ein Produktionshemmnis dar.

Das wissen auch die Jugendlichen, und stellen Forderungen an die Unternehmen, die früher undenkbar gewesen wären. „Wir nehmen wahr, dass der Wunsch nach einer Teilzeitstelle größer geworden ist, dass das Thema Sabbatical vermehrt aufkommt und die Karriere nicht mehr alles ist, die Freizeit einen größeren Stellenwert einnimmt“, so Ausbildungsleiter Benedikt Windaus von Pilz.

Der Trend verwundert nicht. Als Digital Natives und Altersgruppe, die die Pandemie im Distanzunterricht durchlebt hat, kennt die Generation Alpha womöglich aus dem Elternhaus nicht einmal mehr das klassische Arbeitsmodell, bei dem fünf Tage die Woche im Büro gearbeitet wird. Die Ansprüche aller Altersgruppen an die Arbeit haben sich verändert. Homeoffice, Remote Work und flexible Arbeitszeiten werden der Generation Alpha von klein auf vorgelebt – von ihren Vorgängergenerationen.

Verteilung der Einwohner Deutschlands nach Generationen Ende des Jahres 2022
Verteilung der Einwohner Deutschlands nach Generationen Ende des Jahres 2022 (Bild: Statista)

Socializing und gemeinsames Lernen

Wichtig für die Generation Alpha ist vor allem sinnstiftende Arbeit, die Freude macht. Unternehmen legen daher besonderen Wert auf ein Miteinander mit den Jugendlichen und machen damit gute Erfahrungen. Bei Leuze in Owen ist Socializing wichtig: Im Rahmen eines monatlichen Stammtisches kommen die jungen Erwachsenen zusammen und tauschen sich aus. Auch Benedikt Windaus von Pilz erklärt: „Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von ‚Füreinander und Miteinander‘ und hoffen junge Menschen zu finden, die genau zu diesen Werten stehen. Ausbildung findet bewusst in der Gemeinschaft statt.“

Diese Gemeinschaft wird bereits in die kommende Generation weitergetragen. Neben den verschiedenen Angeboten für Schulen arbeitet man bei Werkzeugbauer Oskar Frech sogar schon mit den Kleinsten. Im Rahmen der Vorschulbildung kommen die ‚Kleinen Forscher‘ mit Erzieherinnen an zwei Nachmittagen ins Unternehmen. Von Frech-Azubis lernen sie dann, was Montieren heißt, wie man Schrauben und Muttern befestigt und bringen in einer kleinen Elektroübung eine Lampe zum Leuchten. So begeistert das Unternehmen gleich zwei Generationen für die Ausbildung.

Doris Beck

... ist freie Journalistin in München.

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