Die einen tun es Ende April jeden Jahres schon, die anderen (noch) nicht. Die Rede ist von der Unternehmensteilnahme am Girls´Day, einem im Jahr 2001 von Bundesministerien, der Initiative D21 und weiteren Verbänden geschaffenen Aktionstag. In diesem Jahr konnte der Girls´ Day ein neues Rekordhoch verzeichnen: Bundesweit standen mehr als 10.000 Veranstaltungsangebote zur Verfügung. Am Aktionstag, der Mädchen und Frauen motivieren soll, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen, und der damit beitragen soll, den prognostizierten künftigen Fachkräftemangel zu reduzieren, nehmen auch etliche Branchenunternehmen teil:
Bei der Beumer Group in Beckum nahmen 24 Mädchen und ein Junge am diesjährigen Girls- & Boys Day teil. Sie konnten zwischen fünf verschiedene Workshops wählen: Montage eines Schwerkranes, Konstruktieren einer 3D-Zeichnung in SolidEdge, Herstellen einer Standuhr, Programmierung sowie Steuerungs- und Automatisierungstechnik. Bei Wika durften die Schülerinnen die Elektronikausbildung hautnah erleben und einfache elektronische Schaltungen selbst löten, Schaltungen in den Bereichen der Installations- und Steuerungstechnik aufbauen sowie erste Einblicke in die Welt der Microprozessortechnik werfen. Wer lieber den Ausbildungsberuf der Industrie-, Zerspanungs- oder Fertigungsmechanikerin kennenlernen wollte, durfte einfache Übungen zur Metallbearbeitung absolvieren, nach Technischen Zeichnungen anreißen, körnen und bohren, unter Anleitung an konventionellen Maschinen drehen und fräsen und sich unter Anleitung an einfach Übungen zum CNC-Fräsen versuchen.
Ein Elektro-Auto selbst konstruieren
Am Wago-Standort in Minden tauchte eine Gruppe der 40 angemeldeten Schülerinnen und Schüler in die Welt der elektromechanischen Konstruktion ein. Mit Klemmen, einem Stück Pappe, einem Modellbau-Motor mit Propeller und verschiedenen Elektromaterialien wie Aderendhülsen und Leitungen sollte ein „Elektro-Renner“ konstruiert und gebaut werden. Vorgaben rund um das Design und die Konstruktion wurden dabei nicht gemacht, sodass der Fantasie der Mädchen und Jungen keine Grenzen gesetzt waren. Mit einer kurzen Einweisung in den elektrischen Stromkreis, die Werkzeuge wie Heißklebepistole, Lötkolben, Abisolier- und Crimpzangen und ersten Inspirationen durch vorkonstruierte Renner, konnten die Gäste dann auch direkt loslegen. Die jungen kreativen Köpfe erweiterten dabei spielerisch die Einsatzmöglichkeiten der Dosenklemmen und verwendeten sie neben der elektrischen Verbindung im Stromkreis der Motoren unter anderem auch als Radaufhängung, Konstruktionssockel für den Modellbaumotor und Propeller.
Metallbearbeiltung im Fokus
In der Mindener Ausbildungswerkstatt lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die verschiedensten Maschinen zur Metallbearbeitung kennen. Mit Begeisterung stellten die Jungen und Mädchen auf Basis einer technischen Zeichnung ein eigenes Solitärspiel her. Dabei schulten handwerkliche Tätigkeiten wie Anreißen, Körnen und anschließendes Bohren der Metallgrundplatte spielerisch das Geschick und die eigenen Fertigkeiten. Die Gruppe erlebte dann die faszinierende Welt der Elektrotechnik. Anhand der Bestückung einer Leiterplatte mit elektronischen Bauteilen konnten erste Erfahrungen im Umgang mit dem Lötkolben und der Elektronik gesammelt werden. Mit leuchtenden Augen konnten die Mädchen und Jungen anschließend die fertigen Robo-Käfer in Betrieb nehmen und testen. Nach 4,5 Stunden endete der Zukunftstag mit einer sehr positiven Feedbackrunde und das Team der Ausbildungsabteilung freut sich schon darauf, im kommenden Jahr wieder interessierte Schülerinnen und Schüler begrüßen zu dürfen.
Einblick in die Welt der Produktion
Wie Industrieroboter, Servoantriebe, Frequenzumrichter und Steuerungen in Fabriken und industriellen Produktionsanlagen für Bewegung sorgen, davon konnten sich an den drei deutschen Yaskawa-Standorten in Allershausen (Robotics), Eschborn (Drives & Motion) und Herzogenaurach (Vipa Controls) rund 50 Schülerinnen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren ein Bild machen. Dabei durften sie nicht nur einen Blick hinter die Kulissen werfen, sondern unter Anleitung auch selbst ein Elektronik-Bauteil konstruieren und herstellen. Als typische „Girls‘ Day“-Berufe gelten solche, in denen maximal 40 Prozent Frauen eine Ausbildung machen oder arbeiten. Bei Yaskawa sind dies zum Beispiel Ingenieur- und Technikberufe in Elektrotechnik, Maschinenbau und Mechatronik.
In eine Software-Ausbildung reinschnuppern
Bei Eplan konnten sich insgesamt 24 Schülerinnen an den Standorten Monheim und Stuttgart über die verschiedenen Möglichkeiten der Ausübung eines technischen Berufes informieren. „Auf bestimmte Stellen bewerben sich tendenziell eher wenige Frauen“, sagt Dagmar Henkel, Leiterin Personal bei Eplan. „Daher sprechen wir im Rahmen unserer Teilnahme am Girls‘ Day gezielt junge Mädchen an, die noch vor der Berufsentscheidung stehen. So möchten wir sie neugierig machen auf Berufsbereiche, für die sie sich klassisch vielleicht eher weniger interessieren würden.“ Die Beschäftigungsfelder bei dem Unternehmen sind dabei vielfältig, beispielsweise in Bezug auf Ausbildungen: Von der Fachinformatikerin für Systemintegration über die Kauffrau im Groß- und Außenhandel bis hin zur IT-Systemkauffrau stehen Schulabsolventen viele Möglichkeiten offen. Genau so bunt wie die konkreten Angebote war auch das im Rahmen des Girls‘ Day angebotene Programm in Monheim: Neben einer anschaulichen Vorstellung der Software & Services am Beispiel der individualisierten Schuhfertigung erhielten die Teilnehmerinnen Eckdaten zur Ausbildung bei Eplan. Ein Austausch mit erfahrenen Mitarbeitern aus den Bereichen Inside Sales und Softwareentwicklung rundete den Vormittag ab, der für die Teilnehmerinnen die ein oder andere Überraschung bereithielt. Alessia Barisic, Schülerin aus Solingen, fasst ihre Eindrücke abschließend zusammen: „Ich habe nicht damit gerechnet, wie viele berufliche Möglichkeiten man in einem Softwareunternehmen hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich daran zurückdenken werde, wenn ich mich später einmal für einen Ausbildungsweg entscheiden muss.“ Am Unternehmensstandort in Stuttgart lag der Fokus hingegen auf dem Berufsbild der Softwareentwicklerin. Mit einem „Daily Scrum“ sowie einer Beispielaufgabe, die die Mädchen mit Hilfe des Mitarbeiter-Teams lösten, erhielten die Teilnehmerinnen einen praxisnahen Einblick.
Frauen für die Forschung begeistern
Auch die Forschung möchte Mädchen neugierig machen. So lernten Schülerinnen beim Fraunhofer-Institut für eingebettete Systeme und Kommunikationstechnik ESK, was sie benötigen, um Roboter zum Sprechen zu bringen. In Vorträgen, Laborrundgängen und Experimenten erfuhren die Mädchen zunächst alles über die Kommunikation zwischen Robotern und Maschinen. Dabei lernten sie, welche Rolle Roboter in der Industrie spielen und wie sich Bluetooth entwickelt hat und funktioniert. Später durften sie selbst aktiv werden, als das Programmieren der Robotinos, der kleinen mobilen Schulungsroboter auf dem Programm stand.
Industrie sucht überdurchschnittlich lange nach Fachkräften
Der Frauenanteil steigt inzwischen
Für Arbeitgeber kann sich die Teilnahme lohnen. Nach einer Befragung von 5.200 Jugendlichen direkt vor und nach dem Aktionstag durch das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. im vergangenen Jahr zeigt, dass sich Mädchen nach dem Girls’Day deutlich häufiger als vorher vorstellen können, einen technisch-naturwissenschaftlichen Beruf auszuüben. Noch sind Frauen bei den Ingenieurstudienfächern zwar in der Minderheit, aber die Zahlen der Absolventinnen steigen, wie eine auf den jährlich erscheinenden Studierenden- und Prüfungsstatistiken des Statistischen Bundesamtes Destatis basierende Übersicht des Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit zeigt: Danach stieg die Anzahl der Absolventinnen im Prüfungsjahr 2015 im Studienbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik um 8,4 Prozent (+569). Damit gab es im Prüfungsjahr 2015 so viele Absolventinnen in diesem Studienbereich wie nie zuvor. Der prozentuale Anteil der Frauen, die einen akademischen Grad im Studienbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik erlangten, stieg dadurch von 18,9 Prozent im Jahr 2014 auf 19,0 Prozent im Jahr 2015. Seit 2002 steigt die Zahl der von Frauen erworbenen akademischen Grade im Studienbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik kontinuierlich an und hat sich seitdem mehr als vervierfacht (2002: 1.626; 2015: 7.332).