Kleine Glaskästen als Einzelbüros, stickige und laute Großraumbüros oder die schnöde Teeküche am Ende des Flurs: Heutige Bürokonzepte laden nicht zur kreativen Arbeit ein. Wissensarbeiter wie Ingenieur und Konstrukteur brauchen aber bestimmte Umgebungsbedingungen, um kreativ zu werden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und seine Mitarbeiter zu motivieren sollten Arbeitgeber in die Bürogestaltung investieren.
Wissensarbeiter wie Ingenieur und Konstrukteur sind kreative Menschen. Laut einer Studie des Personaldienstleisters Hays definieren sich Wissensarbeiter nicht über feste Regeln und Prozesse, sondern benötigen Gestaltungsfreiheit und wollen sich nicht an feste Zeiten und Orte binden. Selbstbestimmung und zeitliche Flexibilität sind aus Sicht der Wissensarbeiter Grundvoraussetzung, um produktiv zu arbeiten. Diese Ansichten passen nicht mehr zu der konservativen und durchstrukturierten Arbeitswelt, die in vielen Unternehmen noch heute existiert. Kleine Glaskästen als Büros, laute und stickige Großraumbüros in grau und braun. Arbeitgeber sollten jetzt umdenken, denn konservative Bürokonzepte laden nicht zur Kreativität ein. Und wenn sich der Mitarbeiter nicht wohl fühlt, wechselt er auch gerne mal den Arbeitgeber. In Zeiten des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels wird die Mitarbeiterbindung immer wichtiger. Laut einer Hays-Studie zum Thema Mitarbeiterbindung von 2012 hielten knapp 93 Prozent von 714 befragten Unternehmen ein gutes Betriebsklima als ausschlaggebend für die Mitarbeiterbindung. Deshalb versuchen schon heute einige Unternehmen aus der Industrie und Dienstleistungsbranche ihre Mitarbeiter mit neuen Bürokonzepten zu binden und zu motivieren.
Flache Hierarchien
Das Unternehmen Igus, Hersteller von Kunststoffgleitlagern und Energieführungsketten aus Vollkunststoff, setzt auf flache Hierarchien: Alle Mitarbeiter duzen sich – bis hoch zur Geschäftsleitung. „Das Duzen hält die Kommunikation sehr kurz und sehr freundschaftlich“, erklärt Artur Peplinski, Prokurist International Group Development. „Man muss nicht über 1000 Ecken gehen bis man vor der Person steht, mit der man reden möchte, sondern wenn man etwas klären möchte, dann geht man hin und spricht mit demjenigen.“ Einzelbüros sucht man im Kölner Hauptquartier vergeblich, stattdessen arbeiten alle in einem riesigen Großraumbüro. Vom Management-Team und Produktmanager bis hin zum Prokuristen. So steht der Schreibtisch von Geschäftsführer Frank Blase nur wenige Meter von der Entwicklungsabteilung entfernt und sieht genauso aus wie der Schreibtisch der Kollegen – einen tiefen Teppich oder eine Vorzimmerdame gibt es nicht. Dadurch, dass Fabrik und Büros unter einem Dach und nur wenige Wände und Türen vorhanden sind, kann der Entwickler schnell ins Testlabor und der Produktmanager direkt zu seinen Produkten. Für die offene Architektur sorgen die gelben Pylonen; sie halten die Dachkonstruktion in weiten Teilen. Dadurch lassen sich Wände, Büros, Sitze und Maschinen schnell verschieben und an Bedürfnisse anpassen. „Dank dieses Fast-Change-Konzeptes passt sich das Gebäude den aktuellen Anforderungen und den Mitarbeitern an – und nicht umgekehrt“, erklärt Peplinski.
Räumliche Flexibilität
Auch das Telekommunikationsunternehmen Telekom setzt auf räumliche Flexibilität. Unter dem Thema „Arbeitsplatz der Zukunft“ führte der Konzern 2013 verschiedene Projekte durch. 60 Mitarbeiter des Bereichs Human Ressources (HR) in der Digital Business Unit in Darmstadt nehmen seitdem am Pilotprojekt „Future Workplace“ teil. Hier wird ein Arbeitsplatz von verschiedenen Mitarbeitern genutzt – Stichwort „Desk-Sharing“ – und die Büros innovativ und inspirierend gestaltet. Ziel ist es sicher zu stellen, dass jeder Mitarbeiter mit seinen unterschiedlichen Aufgaben und Bedürfnissen optimal unterstützt wird. Daraus erarbeitete Telekom drei Säulen für die Smart-Working-Ansätze: Die Zusammenarbeit von Menschen, die Gestaltung der Arbeitsplätze und die zur Arbeitserleichterung eingesetzten Instrumente. Das Konzept für die Raum- und Zusammenarbeit entwickelten die Mitarbeiter nach der Scrum-Methode, einem agilen Entwicklungsmodell (lesen Sie dazu den nachfolgenden Beitrag).
Frei buchbare Arbeitsplätze
Außerdem startete die Telekom das Pilotprojekt „FlexDesk“, die flexible Nutzung von frei buchbaren Arbeitsplätzen. 100 Mitarbieter des HR- und Finanzbereichs nehmen am Projekt teil. Sie können von zu Hause aus arbeiten oder sich über ein Online-Tool flexibel einen Arbeitsplatz im Büro buchen. Das Unternehmen will herausfinden, welche Auswirkungen dieser Ansatz auf die Work-Life-Balance, die Wirtschaftlichkeit der Nutzung der Arbeitsplätze, die Vertrauenskultur zwischen Beschäftigten und Führungskraft und die allgemeine Motivation hat. Eine aktuelle Auswertung des Buchungstools ergab eine Auslastung von durchschnittlich 61 Prozent. Außerdem äußerten sich die Projektteilnehmer durchweg positiv und zufrieden. Daneben testet der Konzern flexible Arbeitszeitmodelle. Dazu gehören Home-Office-Regelungen, Telearbeitsplätze und Angebote wie Sabbaticals, Job-Sharing-Möglichkeiten und die orts- und zeitflexible Ausgestaltung von Projektarbeit.
Ein 2013 in Kroatien initiiertes Pilotprojekt „Friday in Slippers“ erlaubt es den Mitarbeitern, jeden letzten Freitag im Monat von zu Hause aus zu arbeiten. Laut Konzernangaben stehe hier die „Ergebniskultur“ statt der „Präsenzkultur“ im Vordergrund. Diese Einstellung deckt sich auch mit dem Wunsch der Wissensarbeiter nach flexiblen Arbeitsplätzen. Laut der Hays-Umfrage präferieren 44 Prozent der Befragten flexible Arbeitsorte.
Motivation mit Design
Auf eine ganz andere Art von Motivation und gutes Betriebsklima setzt die Unternehmensberatung Detecon. Im neuen Hauptquartier in Köln wurde auf ein modernes und außergewöhnliches Design viel Wert gelegt. Eben noch im hellen weißen Flur, gelangt man schnell in eine zünftige Bierstube mit derbem Holztisch und Stühlen, mit Hirschgeweihen an der Wand und hängenden Bierkrügen. Hier löst das Unternehmen in Besprechungen komplexe IT-Probleme. „Hier besprechen sich die Kollegen besonders gern“, erklärt Gerhard Auer, Pressesprecher bei Detecon. Kunst wird nicht als ästhetisches Ausstattungsmerkmal empfunden, sondern sie soll zur Arbeit führen. Kommunikation und Kreativität kristallieren sich durch Kontraste aus; Gegensätze sollen zum Querdenken anregen. So gibt es beim Beratungsunternehmen auch den „Sport-
raum“ mit alten Skiern als Lampe oder einem grasgrünen Teppich. Der Besprechungstisch ist dabei gleichzeitig eine Tischtennisplatte. Daneben bietet der Arbeitgeber auch Relaxräume an. Im Raum „1001 Nacht“ können sich Mitarbeiter in einer orientalischen Sitzecke, einem indischen Tisch und unter einem Kronleuchter entspannen.
Neben den „exotischen“ Räumen gibt es im ganzen Büro keine Türen. Nur die Abteilungsleitung und die Geschäftsführung sind in Einzelbüros untergebracht. Ansonsten ist das Büro ein Open Space mit 14 Arbeitsplätzen und 33 sogenannte Think Tanks, in denen die Mitarbeiter die notwendige Privatsphäre für Telefonate, ruhiges Nachdenken oder Zweiergespräche haben. Offene Räume liegen allgemein im Trend. Ingrid Blessing, Leiterin der Kommunikationsabteilung, erklärt: „Sie fördern das eigenverantwortliche und kreative Arbeiten. Wo keine Mauern in der Wahrnehmung sind, fallen sie auch leicht im Denken.“ Auch das Konzept der freien Arbeitsplätze verfolgt Detecon. In Caddys, in rollenden Containern, haben die Berater des Unternehmens ihre Unterlagen und Akten untergebracht. Wenn sie im Haus sind, können sie sich auf einer der vier Etagen an einer Workstation eindocken und arbeiten. Obwohl Flexibilität und offene Räume erwünscht sind, favorisieren 70 Prozent der aufkommenden Arbeitsgeneration einen eigenen Arbeitsplatz gegenüber dem Desk-Sharing. Das ist das Ergebnis der Studie „Schweizerische Befragung in Büros“, welche das Seco – das Kompetenzzentrum der Schweiz für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik – zusammen mit der Hochschule Luzern durgeführt hat.
Work-Life-Balance
Neben räumlicher und zeitlicher Flexibilität ist auch eine gute Work-Life-Balance wichtig, damit Mitarbeiter ausgeglichen und produktiv sind. Zahlreiche Unternehmen bieten bereits Fitnessräume und Sportprogramme an, die ihre Mitarbeiter am Arbeitsplatz nutzen können. So auch Phoenix Contact, Spezialist für elektrische Verbindungs- und elektronische Interfacetechnik sowie der industriellen Automatisierungstechnik. Das Unternehmen setzt gezielt auf flexible Arbeitszeiten mit bestimmten Kernzeiten für Arbeitsgruppen. Neben dem Fitnesscenter, dessen Mitgliedschaft vom Arbeitgeber zu 50 Prozent übernommen wird, können Mitarbeiter sich in Massageräumen entspannen oder verschiedene Sportkurse besuchen. Das Angebot reicht von betreuten Kursen für Rückenschäden, Entspannungskursen, Richtig-Schlafen-Kursen für Schichtarbeiter bis hin zu Zumba und Pilates.
Aktuelle Bürokonzepte zielen laut dem Bürogestalter Bene Büromöbel auf eine moderne Bürowelt als lebendige Stadtlandschaft mit „Me-, We- und Workplaces“ ab. Dabei ist sie geprägt von Flexibilität, Mobilität, neuen Technologien und Kommunikationsmedien. Ein Konzept, das auf die jeweiligen Bedürfnisse der Mitarbeiter eingeht – auch auf die der Wissensarbeiter.
Autorinnen Felicitas Heimann und Angela Unger, Redaktion