Wasser umgibt die 243.610 qkm große Insel des Vereinigten Königreichs zwischen Nordsee, Ärmelkanal und Atlantik von allen Seiten. Da ist es kein Wunder, dass die Energiegewinnung Offshore quasi auf der Hand und vor der Haustüre liegt. Mitte 2013 waren weltweit Windkraftanlagen mit einer Leistung von etwa 6,5 GW an Windkraft im Meer installiert. Bis Ende 2013 sollte diese Kapazität auf knapp 7,1 GW ansteigen. Europa ist bei der Entwicklung von Offshore-Anlagen bisher weltweit führend. Die gesamte installierte Leistung von Windkraftanlagen im Meer lag in Europa im Januar 2013 bei etwa 5000 MW, davon war in Großbritannien mit rund 3000 MW die höchste Leistung installiert. An zweiter Stelle stand mit etwas mehr als 900 MW Dänemark. Auf dem dritten Platz liegt Deutschland mit einer installierten Leistung von etwa 520 MW, knapp vor Belgien mit 380 MW.
Das Vereinigte Königreich besteht aus England, Wales und Schottland (die zusammen Großbritannien bilden) und Nordirland. Die Wirtschaft des Landes ist eine der stärksten in der EU. Ihr Schwerpunkt verlagert sich immer mehr auf den Dienstleistungssektor, wobei aber auch die High-Tech-Industrie und andere Sektoren nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. London ist eines der großen Finanzzentren der Welt. Viele große Wissenschaftler und Ingenieure wie Isaac Newton und Charles Darwin stammen aus dem Vereinigten Königreich, von dem aus die industrielle Revolution ihren Anfang nahm. Adam Smith, Vater der modernen Wirtschaft, war Schotte.
Das Land hatte 2008 das weltweit sechstgrößte Bruttoinlandsprodukt (BIP), nach Deutschland und Frankreich das drittgrößte in Europa. Nach einer Phase hohen Wachstums ab den späten 1990ern befand sich die britische Wirtschaft seit 2008 infolge der Wirtschaftskrise in einer Rezession. Allerdings hat die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs im Jahresverlauf 2013 wieder an Fahrt aufgenommen. 2014 dürfte sich die wirtschaftliche Erholung durch vermehrte Investitionen konsolidieren.
Deutschland trotzt dem Trend
Gegen den allgemeinen Trend stiegen die deutschen Exporte ins Vereinigte Königreich im Zeitraum Januar bis August 2013 um 0,4 Prozent auf 42,8 Milliarden Euro. Dies lag vor allem an einem satten Plus von 7,5 Prozent in der wichtigsten deutschen Exportgütergruppe im Handel mit dem Vereinigten Königreich: dem Kfz-Segment. Einen erfreulichen Trend gab es zudem in den Segmenten sonstige Transportausrüstungen (unter anderem Eisenbahntechnik sowie Luft- und Raumfahrttechnik; +25,1 Prozent), Düngemittel (+25,7 Prozent), medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (+18,8 Prozent) sowie Lebensmittel (+11,3 Prozent).
Produkte und Dienstleistungen „Made in Germany“ sind im Vereinigten Königreich in allen Marktsegmenten und Branchen gefragt und vertreten. Mindestens ebenso wichtig wie der Verweis auf das Herkunftsland ist jedoch in vielen Fällen die markentechnische Positionierung des individuellen Unternehmens beziehungsweise des individuellen Produktes auf dem britischen Markt. Britische Verbraucher und Unternehmen gelten im internationalen Vergleich als experimentierfreudig und sehr aufgeschlossen gegenüber Innovationen. Neben der Qualität legen die Kunden in der Regel großen Wert auf ein ansprechendes Design beziehungsweise eine gute Produktaufmachung.
Zahlen, Daten, Fakten
Maschineneinfuhr ins Vereinigte Königreich:
Gegen den allgemeinen Trend stiegen die deutschen Exporte ins Vereinigte Königreich im Zeitraum Januar bis August 2013 insgesamt um 0,4 Prozent auf 42,8 Milliarden Euro. An der gesamten Maschineneinfuhr von 26,4 Milliarden Euro hatte Deutschland 2013 mit 20,7 Prozent und knapp 6 Milliarden Euro den höchsten Anteil, gefolgt von den USA mit 13, 8 Prozent und Italien mit 8,7 Prozent.
Auch die praktische und einfache Anwendbarkeit eines Produkts wird als wichtig erachtet, spielt jedoch im Vergleich zu Deutschland tendenziell eine etwas geringere Rolle. Einem Großteil der deutschen Unternehmen gelingt es gut, sich in dieses Erwartungsschema britischer Kunden einzufügen – wobei der Hinweis auf das „Made in Germany“ in den meisten Fällen nicht schädlich sein dürfte. Allerdings haben seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 die Appelle an die britischen Verbraucher zugenommen, im Zweifelsfall eher ein Produkt „Made in the UK“ zu kaufen, um die heimische Wirtschaft zu stärken.
Trotz zunehmender Konkurrenz aus Fernost belegen in Deutschland hergestellte Waren in verschiedenen Produktsegmenten im Vereinigten Königreich die Spitzenposition, so auch im Maschinen- und Anlagenbau. Führende deutsche Maschinenbauer wie Siemens Industry, Festo oder Jungheinrich sind auf dem britischen Markt seit vielen Jahren erfolgreich vertreten. Gerade die größeren deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sind im Vereinigten Königreich häufig nicht nur im Vertrieb tätig, sondern auch in der Produktion und teils auch in Forschung und Entwicklung.
Auch Umwelttechnik sowie umwelttechnische Dienstleistungen „Made in Germany“ sind hier stark gefragt. Dabei wird der Markt für das Erbringen entsorgungswirtschaftlicher Dienstleistungen von spanischen und französischen Konzernen (etwa Veolia) dominiert. Deutsche Firmen treten in diesem Segment jedoch vielfach als Hersteller und Lieferanten von Anlagen und Ausrüstungen in Erscheinung. Auch deutsche Finanzdienstleister wie die KfW IPEX-Bank sind im britischen Umwelttechnikmarkt erfolgreich im Geschäft und finanzieren unter anderem den Bau von Abfallbehandlungs- und Recyclinganlagen.
Wie auch in anderen Ländern ist Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) „Made in Germany“ im Vereinigten Königreich nicht der ganz große Exportschlager, zumal viele Unternehmen gerade die Produktion von Hardware häufig nach Asien verlagert haben. Dennoch agieren einzelne IKT- oder Softwarefirmen wie SAP und die Software AG gerade im B2B-Segment erfolgreich auf dem britischen Markt.
Invest in Energie
Energietechnik (inklusive erneuerbare Energien) aus Deutschland hat auf der Insel einen guten Ruf. Sowohl Siemens als auch Repower, ein Tochterunternehmen der indischen Suzlon-Gruppe, halten auf dem britischen Markt für Windkraftanlagen hohe Marktanteile. Dies gilt insbesondere für das dynamische Offshore-Windenergiesegment. Allerdings hat die britische Regierung in diesem Sektor angekündigt, künftig mehr „local content“, also im Vereinigten Königreich hergestellte Komponenten sehen zu wollen. Die Ministerien stören sich daran, dass bei Offshore-Windparks, die in den vergangenen Jahren in britischen Gewässern installiert wurden, der Großteil der Wertschöpfung in anderen EU-Ländern stattfand. Offshore-Windpark-Entwickler wie Dong, RWE Npower oder Statkraft müssen künftig in „Supply Chain Plans“ darlegen, wie sie gedenken, für eine „Diversifikation der Lieferkette“ zu sorgen.
Ohne die Präsentation entsprechender Pläne sollen die Projektbetreiber nicht in den Genuss der spätestens ab 2017 geltenden Einspeisevergütung nach dem Contracts for Difference-Modell (CfD) kommen. Siemens hatte bereits 2010 angekündigt, im ostenglischen Hull bis 2014 eine Produktionsstätte für Offshore-Windkraftanlagen zu errichten. Allerdings steht eine endgültige Investitionsentscheidung bezüglich dieser Pläne weiter aus. Für Offshorewindenergie soll nach derzeitigem Stand im Fiskaljahr 2014/15 ein Mindestpreis von 155 Pfund je MWh gelten. Ein neues Papier des Energieministeriums prognostiziert für 2020 eine installierte Offshorewindkapazität von acht GW (bisherige Prognose: zwölf bis 18 GW).
Trotz dieser Bemühungen einigten sich die britische Regierung und der Konzern EDF im Oktober 2013 auch auf einen Deal zur Errichtung eines neuen, knapp 16 Milliarden Pfund teuren Atomkraftwerks in Hinkley Point, Somerset. Die britische Regierung garantiert dem Versorger einen Mindestpreis von 92,50 Pfund je MWh für die Dauer von 35 Jahren. An dem Konsortium werden laut Presseberichten auch CGN und CNNC (beide VR China) beteiligt sein. Allerdings wird die EU-Kommission in den nächsten Monaten noch prüfen, ob die Vertragsinhalte mit den EU-Bestimmungen für staatliche Beihilfen vereinbar sind.
Die britischen Importe beliefen sich nach Angaben von Eurostat bis August 2013 auf 323,1 Milliarden Euro. Dies kommt einem Rückgang gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 7,8 Prozent gleich. Deutschland hatte im Gesamtjahr 2013 einen Exportanteil von knapp 75,7 Milliarden Euro. Und konnte mit einem Anteil von 7,9 Prozent der Gesamtlieferungen Maschinen für knapp sechs Milliarden Euro und damit um drei Prozent mehr als im Vorjahr ins Vereinigte Königreich liefern. Allerdings waren die Maschinenlieferungen in den beiden Vorjahren noch um jeweils über zehn Prozent gewachsen. Ingesamt hat das Vereinigte Königreich im Jahr 2013 Maschinen für 26,4 Milliarden Euro eingeführt. An diesem Import hatte Deutschland einen Anteil von 20,7 Prozent und war damit Nummer 1 der Importeure vor den USA (13,8 Prozent), Italien (8,7 Prozent) und Frankreich (6,9 Prozent). Die wichtigsten Fachzweige der aus Deutschland gelieferten Maschinen waren die Land-, Förder- sowie Antriebstechnik.
Autorin: Ingrid Fackler, Redaktion
Zu den größten Offshore-Windfarmen weltweit gehört mit Abstand “London Array” vor der Ostküste Englands. Spannende Einblicke in den Arbeitsalltag mit den über 300 Turbinen bietet das folgende Video: