Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA polarisiert die Gesellschaft. Die Maschinen- und Anlagenbauer begrüßen die geplante Schaffung eines großen Wirtschaftsraums ohne Zollschranken, aber mit gemeinsamen Regularien und Standards für über 800 Millionen Menschen. Die mittelständisch geprägte Industrie hat traditionell einen starken Sinn für unternehmerische Verantwortung und langfristig erfolgreiche Unternehmensstrategien und befürwortet deshalb den Freihandel. Hierzu interviewte der VDMA Pierre Noack, President bei Aerzen USA, einem Hersteller von Gebläsen, Kompressoren und Vakuumpumpen.
Wie könnte Ihr Unternehmen von TTIP profitieren?
Noack: Maschinen sind physische Gegenstände. Man kann mehr oder weniger alles daran messen. Deshalb müsste eigentlich die Gefahrenbeurteilung für eine Maschine in den USA und Europa ähnlich sein. Das ist heute vielfach nicht der Fall. Aber es wäre ein großer Vorteil, wenn man tatsächlich zu einer Vereinheitlichung von Normen käme, zumindest aber zu einer gegenseitigen Akzeptanz. Eine Harmonisierung der Normen würde unsere Effizienz weiter erhöhen. Wir müssten hier nicht alles noch einmal überarbeiten, was in Deutschland bereits gemacht worden ist und hätten mehr freie Kapazität für andere Aufgaben.
Wie groß wäre denn der Kostenvorteil, wenn Sie künftig weniger Aufwand hätten?
Noack: Ich kann mir vorstellen, dass wir dann einen Anteil von fünf bis zehn Prozent unserer Gesamtkosten einsparen könnten. Zusätzlich dazu würden wir natürlich auch durch den Wegfall von Importzöllen Kosten senken. Die fallen allerdings nicht so sehr ins Gewicht, weil sie relativ gering sind.
Wie sehen ihre amerikanischen Wettbewerber im Maschinenbau die Sache?
Noack: Die sehen viele Dinge ähnlich wie wir. Wenn es ein Gremium gäbe, das gemeinsame Normen erarbeitete, könnte ich mir vorstellen, dass man schnell zu einer Lösung kommen kann. In manchen Bereichen gibt es heute schon Versuche, zu harmonisieren. Das sind vor allem Branchen, die international aufgestellt sind. Zum Beispiel das American Petroleum Institute, wo wir auch in manchen technischen Arbeitsgruppen beteiligt sind.
Aber man muss auch sehen, dass die amerikanischen Wettbewerber nicht sehr exportorientiert sind. Wer nicht exportiert, kennt auch die Kosten nicht, die durch Anpassung an fremde Normen entstehen. Hinzu kommt etwas Grundsätzliches. Die amerikanische Unternehmenskultur ist sehr pragmatisch. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass man sehr beweglich ist, dass man schnell etwas anfangen kann. Das führt dann andererseits dazu, dass man Situationen nicht genügend untersucht. Und entsprechend die Normung nicht optimal ist. Das ist ein Nachteil.
Was würde sich hinsichtlich des Wettbewerbs durch TTIP auf dem US-Markt ändern?
Noack: Wenn sich die Normen nicht auf dem niedrigsten Niveau einpendeln, sondern auf einem möglichst hohen, würde uns das helfen, fairer beurteilt zu werden. Dann würde man auf Kundenseite beispielsweise sehen, welche Gefahren unter Umständen für den Betreiber einer Maschine bestehen. Das würde dazu führen, dass unsere Wettbewerber auch sicherere Maschinen auf den Markt bringen müssten. Wir dagegen sind schon immer im Spitzenbereich zuhause und müssten gar nichts tun.
Wird es in Zukunft verstärkt Wettbewerb aus China geben?
Noack: Unsere Maschinen sind Investitionsgüter. Bei einer Investitionsentscheidung greifen in der Regel zwei Kriterien. Das eine ist der Return on Investment, das andere die Risikobeurteilung. Beim RoI werden die Chinesen wahrscheinlich mit kostengünstigeren Produkten in den nächsten Jahren eine gute Chance in den USA haben. Bei der Risikobeurteilung müssen sie erst einmal eine Vertrauensbasis aufbauen. Wenn man aber weiter in die Zukunft sieht, vielleicht zehn Jahre, dann werden die Chinesen wohl auch in die Top-Liga vorstoßen – und dann werden sie vermutlich immer noch kostengünstiger sein, auch wenn ihre Gehälter inzwischen auch steigen werden.
Wollen Sie in den USA wachsen?
Pierre Noack: Weiteres Wachstum ist eines unserer strategischen Ziele. Der Markt in den USA ist zwar sehr groß und hart umkämpft. Das macht es schwierig, ihn zu bearbeiten. Andererseits haben deutsche Maschinenbauer hier einen sehr guten Ruf. Wir werden für unsere Produkte bewundert. Aber dann höre ich auch oft die Frage: Was soll ich mit einem Mercedes, wenn ich mit einem Chevrolet auch von A nach B komme? Wenn durch TTIP höhere Normen eingeführt würden, bekämen auch Kriterien wie Energieeffizienz und Ressourceneffizienz einen höheren Stellenwert. Da könnten wir dann durchaus punkten.
Das Interview führte der VDMA im Rahmen einer Interviewserie zum Freihandelsabkommen TTIP