Wen habe ich nicht alles gesehen auf der Messe in Hannover: 2012 war es Hu Jintao, chinesischer Staatspräsident, 2013 der russische Präsident Wladimir Putin. 2014 der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, ok, global gesehen jetzt nicht ganz das große Tier, und 2015 dann der indische Premierminister Narendra Modi. Und demnächst, auf der Hannover Messe 2016, soll nun der amerikanische Präsident zur Eröffnung kommen. Mal sehen, ob er wirklich anreist, der Barack Obama. Avisiert ist es, aber es wäre ja nicht der erste Politiker, der kurzfristig einen Fachreferenten auf einen unliebsamen Termin schickt. Auf der anderen Seite: Die Aussteller der südöstlichen Messehallen müssen bereits am Samstagabend mit dem Messeaufbau fertig sein, weil am Sonntag der Secret Service die Hallen durchkämmt. Am Montag sind die Eingänge Süd und Ost bis mindestens 11 Uhr gesperrt, auch für die Hallen 9 und 11 sind uns schon Sperrungen für Montagvormittag gemeldet. Es scheint so, als käme der POTUS tatsächlich.
Muss er ja fast. Denn zum Einen zeigen sich die Deutschen etwas renitent, was die TTIP-Verhandlungen angeht. Und zum Anderen spielen sie mit Industrie 4.0 gerade eine Karte, die die amerikanische Vorherrschaft im Hightech-Segment anzugreifen droht. Die Zahl der zu vernetzenden Geräte soll laut Prognosen in der Industrie künftig deutlich stärker steigen als im Consumer-Bereich. Und für die globale Vernetzung sind ja bislang eher amerikanische Unternehmen zuständig.
Dass diese Vernetzungs-Geschichte irgendwie toll ist, hat auch die Hannover Messe entdeckt, wie die Historie der Messe- Leitsprüche eindrücklich belegt:
2013 „Integrated Industry“
2014 „Integrated Industry – Next Steps“
2015 „Integrated Industry – Join the Network!“
2016 „Integrated Industry – Discover Solutions“
Ich finde ja, sie hätten es diesmal „Integrated Industry 4.0“ nennen können. Das klingt cooler. Überhaupt: 4.0 ist das neue cool. Landwirtschaft 4.0, Arbeiten 4.0, Mittelstand 4.0 – kaum etwas Hippes, das ohne den 4.0-Zusatz auskommt.
Manch einer fragt nun: Brauchen wir dieses ganze Industrie-4.0-Gedöns überhaupt? Muss das alles sein? Ich denke, die Frage stellt sich überhaupt nicht mehr. Wir können gar nicht verhindern, dass die globale Vernetzung kommt, wir können nicht verhindern, dass Giga-, Tera-, Peta- und Exabytes an Daten anfallen werden. Wir können nicht verhindern, dass Algorithmen programmiert werden, die diese Daten analysieren und auf zum Teil auch ungewohnte Weise in Relation setzen. Wir können nicht verhindern, dass neue Geschäftsmodelle entstehen, die unseren bewährten Beziehungen dazwischenfunken.
Über dem gesamten deutschen Maschinen- und Anlagenbau hängt das Damoklesschwert namens Nokia, die Angst, in die preiskampfumtobte Zulieferer-Bedeutungslosigkeit abzusacken. Es herrscht die Angst, dass milliardenschwere Giganten wie Google oder Cisco sich finanzmächtig in den Maschinenbau einkaufen und damit ihre Standards durchdrücken. Oder schlimmer noch, dass ein kreativer Zerstörer wie dereinst Amazon und heute Uber kommt und die gesamte Branche aus dem Nichts aufmischt. Und jetzt kommt auch noch der Obama.
Das Problem ist: Wer Angst hat, erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Lösung kann also nur sein, selber vierpunktnullig zu werden, die Veränderung als Chance zu begreifen und die neuen Möglichkeiten mutig zu umarmen. Lasst die Amerikaner nur kommen. I you can't beat them, join them! Yes, we can!