China ist für die deutschen Werkzeugmaschinen-Hersteller weltweit das wichtigste Exportziel. Das schnelle Tempo der Modernisierung schafft dort einen gewaltigen Bedarf an modernen, leistungsfähigen und umweltfreundlichen Werkzeugmaschinen. Doch chinesische Konkurrenten holen mit preiswerten Werkzeugmaschinen schnell auf und werden jetzt auch in Deutschland und allen Exportmärkten zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz.
Die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaftspolitik zu mehr Qualität statt reiner Quantität schlug sich im vergangenen Jahr zunächst mit sinkenden Importen von Werkzeugmaschinen aus Deutschland nieder. Von Januar bis November 2013 sanken die Ausfuhren aus Deutschland in die Volksrepublik um elf Prozent. Das war nach zwölf Jahren ununterbrochenen Wachstums erstmals ein Rückgang der Lieferungen. Damit reduzierte sich auch das Gewicht der Volksrepublik für die Branche um vier Prozentpunkte auf ein gutes Viertel, berichtet der VDW-Vorsitzender Martin Kapp. China bleibt jedoch noch weit vor dem zweitwichtigsten Exportmarkt USA (10,2 Prozent der Exporte) das wichtigste Abnehmerland. Noch 2000 gingen nur vier Prozent der Ausfuhren deutscher Werkzeugmaschinen nach China. Das Reich der Mitte konnte jedoch während der Finanzkrise als Absatzmarkt stark zulegen.
Werkzeugmaschinenstrategie
Wachsende Konkurrenz aus China
„Ich habe noch nie eine chinesische Werkzeugmaschine in einer deutschen Produktionshalle stehen sehen“, konstatiert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken VDW. Klingt zunächst einmal nach Entwarnung für den deutschen Werkzeugmaschinenbau. Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Denn chinesische Unternehmen entdecken gerade, dass es auch außerhalb ihrer Landesgrenzen interessante Märkte gibt. „Wo die Chinesen mittlerweile technologisch etwas aufgeholt haben, ist beim klassischen Drehen und beim Vierachsfräsen, auch einfache Schleifoperationen beherrschen sie mittlerweile recht gut“, gibt Dr. Schäfer zu. Entscheidend sei jedoch das Know-how bei der Kombination verschiedener Prozesse, der Integration anspruchsvoller Mess- und Prüftechnik und den Automatisierungslösungen, „das macht bei allen Systemen den Unterschied aus“. Zumindest im preissensiblen mittleren Bereich könnte jedoch bald ein ernst zu nehmender Konkurrent erwachsen. Nicht umsonst bilden Werkzeugmaschinen einen Schwerpunkt der chinesischen Innovations- und Industriepolitik und des aktuellen Fünfjahresplans, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.
„Ohne Frage bleibt im Grundsatz die hohe Bedeutung des Marktes China erhalten, auch wenn die goldenen Wachstumsjahre vorüber sind“, prognostiziert Kapp. Die anhaltende Fortentwicklung der eigenen industriellen Basis ist erklärtes politisches Ziel Chinas, und dazu wird zunehmend höherwertige Fertigungstechnologie benötigt. Dies begünstigt die deutschen Hersteller. Die Politik fördert den Markt durch die im aktuellen Fünfjahresplan festgeschriebenen Anstrengungen, die technologische Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Werkzeugmaschinenindustrie zügig zu erhöhen. Der zunehmende Wegfall von Steuer- und Zollerleichterungen für Importe dient ebenfalls zur Stützung der Eigenentwicklung und Inlandsproduktion. Zur Sicherung der Position bauen die großen deutschen Hersteller ihre Produktionsaktivitäten vor Ort weiter aus. Nach einer VDW-Analyse geht etwa ein Zehntel der chinesischen Produktion auf Firmen mit ausländischem Kapital zurück, bislang vorwiegend aus Japan.
Doch angesichts eines sinkenden Absatzes ist der Aufbau einer Produktion in China schwierig. Im Weltrating der Produzentenländer kann China seinen ersten Platz mit einem Anteil von 22,8 Prozent halten. China musste jedoch im vergangenen Jahr schon zum zweiten Mal in Folge einen Einbruch bei der Gesamtproduktion hinnehmen. Nach einem Rückgang um fünf Prozent im Vorjahr verloren die chinesischen Hersteller 2013 nochmals 12 Prozent an Produktionsvolumen, meldet der chinesische Verband CMTBA. Der vom VDW um einfachste Maschinen bereinigte Produktionswert Chinas beläuft sich auf knapp 13,5 Milliarden Euro. Berücksichtigt werden NC-gesteuerte sowie höherwertige konventionelle Maschinen. Bereits 2011/2012 zeigte die Umformtechnik sehr hohe Wachstumsraten von 50/21 Prozent. Auch 2013 entwickelte sich die chinesische Umformtechnik mit einem Zuwachs von vier Prozent deutlich besser als der spanende Bereich, der um 19 Prozent einbrach. Mit einem Produktionsvolumen von 4,9 Milliarden Euro und einem Weltanteil von 27,4 Prozent liegt China trotz VDW-Bereinigung der Daten (unbereinigtes Volumen: 7,4 Milliarden Euro) an der Weltspitze. Deutschland stellt mit knapp 3,2 Milliarden Euro Produktionswert und 17,6 Prozent Anteil den Vize-Weltmeister.
Eine Herausforderung bleibt der gewerbliche Rechtschutz, das Nachkonstruieren von Maschinen, erklärt René Bernhard von der Pekinger VDMA-Repräsentanz. Dank wachsender modernerer Technologien hätten die chinesische Konzerne selbst nun aber ebenfalls großes Interesse am Patentschutz.
Produktion vor Ort
Die deutschen Maschinenbauer bauen ihre Kapazitäten in China weiter aus. Alleine im vergangenen Jahr lag der Personalzuwachs bei 40 Prozent. Von daher kann die ansteigende Produktion deutscher Maschinenbauer in China sinkende Exporte aus Deutschland mehr als ausgleichen. Kostengesichtspunkte spielen jedoch für diese Verlagerung eine abnehmende Rolle. Die Löhne für Facharbeiter steigen in China jährlich mit zweistelligen Raten, dennoch herrscht in China Facharbeitermangel. Auch andere Produktionskosten steigen stark an. Doch die Präsenz im größten Markt der Welt für Werkzeugmaschine wird dennoch immer wichtiger, um vor Ort maßgeschneiderte Maschinen bauen zu können.
So fertigt Trump in China bereits an mehreren Standorten. „Die Qualitätsanforderungen unserer Chinaproduktion sind die gleichen wie auch in Deutschland. Hier in China konzentrieren wir uns auf etwas abgespeckte preisgünstigere Maschinen. Dies verlangt der Kunde. Die Maschinen eignen sich auch gut für den Export in andere Schwellenländer. Exporte nach Deutschland sind nicht geplant, obwohl ich dies vom Preis-Leistungs-Verhältnis aus für möglich hielte“, erklärte ein Mitarbeiter von Trumpf auf einer Industriemesse in Shanghai.
Neben dem Aufbau eigener Werke versuchen deutsche Konzerne durch Übernahmen weitere Marktanteile vor Ort zu erringen. Im Oktober 2013 erwarb Trumpf eine Mehrheitsbeteiligung von rund 72 Prozent an dem chinesischen Werkzeugmaschinenhersteller Jiangsu Jinfangyuan CNC Machine Company Ltd. (JFY). „Der Erwerb der Mehrheit an diesem chinesischen Vorzeigeunternehmen stärkt uns im wichtigsten Maschinenbaumarkt der Welt“, so Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf. „Es ist sehr ungewöhnlich, dass uns als Mittelständler eine solche Direktinvestition ermöglicht wurde – noch dazu im Maschinenbau, den die chinesische Regierung als Schlüsselbranche definiert hat.“ Hier zeigt sich, dass die Öffnung und Liberalisierung von Chinas Industrie fortgesetzt wird, die neue chinesische Wirtschaftpolitik sich in der Praxis auswirkt.
JFY produziert Werkzeugmaschinen für die Blechbearbeitung und gilt in China nach Stückzahlen als Marktführer bei Stanz- und Biegemaschinen. Auch bei Laserschneidmaschinen gewinnt das Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Mit 700 Mitarbeitern erwirtschaftete JFY 2012 einen Jahresumsatz von umgerechnet rund 70 Millionen Euro. Mit dieser Übernahme baut Trumpf in China seine Stellung im mittleren Preissegment stark aus.
Interview mit Dr.-Ing. Mathias Kammüller, Trumpf
Strikte Zweimarkenstrategie
Im Oktober 2013 sind Trumpf und der chinesische Werkzeugmaschinenhersteller Jiangsu Jinfangyuan CNC Machine Company Ltd. (JFY) eine enge Kooperation eingegangen: Trumpf hat eine Mehrheitsbeteiligung von rund 72 Prozent an dem chinesischen Unternehmen erworben. JFY produziert mit 700 Beschäftigten Werkzeugmaschinen für die Blechbearbeitung und ist Marktführer in China bei Stanz- und Biegemaschinen.
Mit dem Erwerb von Anteilen am chinesischen Werkzeugmaschinenbauer JFY hat Trumpf einen Fuß in den chinesischen Werkzeugmaschinenmarkt gesetzt. Will Trumpf dort den chinesischen Werkzeugmaschinenbauern in den unteren Preissegmenten Konkurrenz machen?
Trumpf ist bereits seit 1983 im chinesischen Markt präsent. Die erste Tochtergesellschaft in China gründeten wir im Jahr 2000 und seit 2004 produzieren wir im Werk in Taicang in der Nähe von Shanghai. Heute stellen wir dort Werkzeugmaschinen für den chinesischen Markt her.
Mit unserem bisherigen Angebot an Werkzeugmaschinen für die flexible Blechbearbeitung und Lasertechnologie bewegen wir uns im Highend-Segment. JFY bedient überwiegend das mittlere Marktsegment und ist nach verkauften Stückzahlen einer der führenden lokalen Anbieter. Durch die Akquisition von JFY bauen wir unsere gute Position in China weiter aus, denn sie ermöglicht uns den Zugang zu dem für China wichtigen mittleren Preissegment. Durch unser Engagement vor Ort können wir zudem der lokalen Wettbewerbssituation, die durch kleinere lokale und dynamisch wachsende Anbieter geprägt ist, besser begegnen. Wir wollen mit JFY noch stärker an der Dynamik des chinesischen Marktes partizipieren als bisher.Mit welcher Strategie möchte Trumpf weitere Marktanteile in China/Asien gewinnen?
Sowohl JFY als auch Trumpf sind in ihren Segmenten starke und etablierte Marken. Wir verfolgen daher eine strikte Zweimarkenstrategie, die beiden Unternehmen treten unabhängig voneinander auf. Dennoch stärkt die Akquisition von JFY auch Trumpf China, da der Marktzugang deutlich verbessert wird. Firmen, die ihren Bedarf bisher im mittleren Marksegment gedeckt haben, können sich jetzt innerhalb der gleichen Unternehmensgruppe ins Highend-Segment weiterentwickeln.
Wir werden zudem neue Produkte für den chinesischen Markt stärker lokalisieren und die Produktion in China weiter ausbauen. Auch Entwicklungsaktivitäten direkt in China für den lokalen Markt sind ein Thema.Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass chinesische Werkzeugmaschinenhersteller im Gegenzug mit ihren preiswerteren Maschinen den deutschen Markt erobern könnten?
Für den Moment sehe ich darin keine große Gefahr, da die deutsche Produktion hauptsächlich im Hightech-Segment unterwegs ist. Die günstigen Maschinen chinesischer Hersteller entsprechen nicht den hohen lokalen Anforderungen, die wir in Europa erfüllen müssen. Wie sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist noch offen. Aber Stand heute ist der Wettbewerb aus China aus technischer Sicht noch nicht so weit, um eine wichtige Rolle im deutschen Markt zu spielen.Die Fragen wurden gestellt von Ingrid Fackler, Redaktion
Chinesische Werkzeugbauer kaufen sich ein
Umkehrt haben sich auch bereits chinesische Konzerne in Deutschland eingekauft. 2004 wurde die Firma Schiess nach finanziellen Schwierigkeiten vom chinesischen Maschinenbauer Shenyang Machine Tool Group (SMTCL) übernommen. Nach anfänglichen Sorgen über die Strategie der chinesischen Mutter zeigte sich jedoch, dass SMTCL in Schiess investierte, die Produktion ausbaute. Anderseits redeten die neuen Eigner nur wenig ins Tagesgeschäft hinein. SMTL mit über 20.000 Beschäftigten kümmere sich eher zu wenig um Schiess mit seinen 380 Mitarbeitern, war aus dem Unternehmen zu hören. Mit einem neuen chinesischen Geschäftsführer investiert die chinesische Mutter weiter in die Zukunft des Traditionsunternehmens. Schiess eröffnete in Berlin eine Europazentrale mit Entwicklungszentrum, in dem Maschinen für SMTCL konstruiert werden sollen. Über den Großkonzern SMTCL bekommt Schiess umgekehrt einen guten Zugang zum asiatischen Markt.
Chinesische Produzenten kommen verstärkt mit modernen, jedoch immer noch preiswerten Maschinen auf den Weltmarkt. Besonders in Schwellenländern laufen die Verkäufe gut. Doch auch in die führenden Industrieländer beginnen chinesische Maschinenbauer zu liefern. Dalian Kede Numerical Control verkaufte im vergangenen Jahr erstmals ein fünfachsiges CNC-Highspeed-Vertikal-Bearbeitungszentrum nach Deutschland. Drei weitere Maschinen gingen nach Japan.
Chinesische Wettbewerber weltweit
Der VDW beauftragte die Unternehmensberatung EAC (Euro Asia Consulting PartG), den chinesischen Wettbewerb auf dem Weltmarkt eingehender zu untersuchen. Zumindest den Komponentenherstellern drohe so schnell noch keine Gefahr, stellte EAC fest. „Chinesische Komponentenherstellern bleiben nach wie vor technologisch hinter der internationalen Konkurrenz zurück, Mangel an Innovation, Qualität und Präzision markieren hier die wesentlichen Probleme“, so ein Fazit der Untersuchung. Die strategischen Zielsetzungen der chinesischen Werkzeugmaschinen-Hersteller richteten sich EAC zufolge auf den Ausbau von Vertriebsschienen, die Anhebung der Technologieposition und die Stärkung der eigenen Innovationsfähigkeit. Mittelfristig sehen chinesische WZM-Hersteller ihr wichtigstes Absatzpotenzial im volumenstarken Heimatmarkt.
Die deutschen Maschinenbauer mit Fertigung in der VR China erwarten für 2014 konstante Auftragseingänge oder sogar eine leichte Marktbelebung. Grundsätzlich gelte es, sich den Besonderheiten des Marktes anzupassen. Hierzu zähle, die hohen Qualitätserwartungen chinesischer Kunden an deutsche Maschinen zu erfüllen, die Maschinen aber zugleich auf das nach wie vor geringere „Wartungsverständnis“ der Kunden hin auszulegen. Chinas Markt für moderne Werkzeugmaschinen ist noch recht jung; daher steht der Verkauf im Vordergrund. Für Wartungs- und Servicedienstleistungen müssen die Kunden erst sensibilisiert werden. Künftig werden Geschäfte mit Teilen, Wartung, Service und Weiterentwicklung bestehender Anlagen jedoch eine zunehmende Bedeutung bekommen.
Die richtige Lösung finden
Wer in China wachsen will, darf sich nicht nur aufs High-End-Segment konzentrieren. Dies bedeutet Abschied zu nehmen von überdimensionierten Lösungen, die der Kunde weder benötigt noch kauft. Manche Hersteller bieten nun verstärkt günstige Einsteigermodelle an. Andere Unternehmen betreiben eine Zweimarkenstrategie und kaufen inländische Firmen auf.
Darüber hinaus wird die Beschaffung der Teile vor Ort immer wichtiger. Auch gilt es, neue Produkte und Anwendungen mit Kunden zu entwickeln.
In jüngster Zeit hat sich der Wettbewerb in China verschärft. Wettbewerber für deutsche Maschinenbauer sind zunehmend lokale Anbieter. Diese punkten nicht nur durch Schnelligkeit, hohe Flexibilität und niedrigere Preise, sondern auch mit besserer Qualität. Hinzu kommt die internationale Konkurrenz. Gerade japanische Maschinenbauer profitieren derzeit von der Abwertung des Yen.
Für die deutschen Maschinenbauer führt kein Weg am stärkeren Engagement auf dem größten Werkzeugmaschinenmarkt der Welt vorbei. Dabei muss verstärkt vor Ort produziert und eingekauft werden. Mit einfachen Exporten kann der Weltmarkt immer weniger bedient werden. Eine Fertigung in China kann aber auch die Produktion und somit Arbeitsplätze in Deutschland sichern. fa