Laut einer McKinsey-Studie wünschen sich 86 Prozent der Arbeitnehmer flexiblere Arbeitsmodelle. Doch viele Unternehmen ziehen nur langsam nach. Dabei könnte ein höherer Frauenanteil im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) den Fachkräftemangel abfedern. Eine Chance, die allerdings schon an Schulen und Universitäten verpasst wird. Das zeigten Avanade und Microsoft auf einer Veranstaltung zum Weltfrauentag Ende März in München. Eine Microsoft-Umfrage zeigt, dass 54,9 Prozent der Befragten erklärten, dass die Mehrheit der MINT-Lehrer männlich ist. Und 53,5 Prozent denken zuerst an einen Mann, wenn sie sich einen Wissenschaftler vorstellen.
Es fehlt uns an weiblichen Rollenvorbildern
Dr. Christine Haupt, Geschäftsführung Microsoft Deutschland: „Es fehlt uns an weiblichen Rollenvorbildern.“ Man müsse vor allem Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren für MINT-Bereiche begeistern, um später Frauen in diesen Bereich zu bringen. Denn während dieser fünf Jahre sei das Interesse an Naturwissenschaften und Technik am größten. Doch nicht nur der MINT-Bereich könnte davon profitieren, sondern auch die Unternehmen allgemein. Fakt ist, dass ab einem Alter von 35 Jahren weniger Frauen im Job sind. Gründe sind der steigende Arbeitsdruck, der Spagat zwischen Familie und Arbeit, eine Machokultur in manchen Unternehmen oder die schlechte Vergütung in Teilzeitanstellungen.
Diese Probleme könnte man laut Haupt mithilfe der Digitalisierung beheben: „Die digitale Transformation schafft wichtige Grundlagen, die die Vereinbarkeit von privaten, familiären und beruflichen Zielen erleichtern.“ Das bedeute, dass sich Frauen dank Smartphone, Skype und Co. flexibel ihre Arbeitszeiten einteilen könnten, damit den Fachkräftemangel in einigen Bereichen abfedern und Unternehmen erfolgreicher machen würden. Denn eine McKinsey-Studie zeigt, dass Unternehmen mit einer größeren Diversität, seien es Frauen oder Experten aus dem Ausland, drei Mal effizienter und innovativer arbeiten als Unternehmen ohne eine „Multi-Kulti-Belegschaft“. Wie ein flexibles Arbeitsmodell funktionieren kann, zeigt Microsoft Deutschland. Seit Jahren bestimmen Mitarbeiter Arbeitszeit und -ort selbst.
Wir müssen Stereotypen beseitigen
Doch nicht nur flexible Arbeitsmodelle helfen Unternehmen, erfolgreicher zu werden. Sie stehen generell vor der Herausforderung, für Industrie 4.0 gut ausgebildete Fachleute zu finden. Professorin Dr. Isabell Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der TU Universität München, erklärte auf der Veranstaltung, dass sich in den Unternehmen eine deutliche „Verschleunigung“ abzeichnet. Die exponentiellen Entwicklungen forderten die Mitarbeiter neu heraus, denn exponentielles Denken und Entwickeln wird heute nicht geschult. Es sei entscheidend, dass Individualisierung nicht nur für Kunden und ihre Produkte wichtig stattfinde, sondern auch für Mitarbeiter. „Eine andere Denkweise ermöglicht Innovationen“, erklärte Welpe. Dazu zähle aber nicht nur ein neues Arbeitsmodell, sondern auch andere Sichtweisen und Denkmuster – wie bei Frauen.
Damit Diversität im Unternehmen funktioniert, muss aber vor allem die festgefahrene Denkweise von Männern und Frauen aufgebrochen werden. Stereotype beseitigen sozusagen. Weg von der klassischen Wärme- und Kompetenzzuschreibung von Mann und Frau: Ein typischer Mann ist sympathisch und sehr kompetent. Vor allem beim strategischen und analytischen Denken wird Männern eine sehr große Kompetenz zugesprochen – von Männern und Frauen. Eine typische Frau wird hingegen als sehr mitfühlend und weniger kompetent eingestuft. Das seien klare Stereotypen, erklärte Welpe in ihrem Vortrag, die beseitigt werden müssten. Ein wichtiger erster Schritt, um Frauen in MINT-Bereiche zu holen, durch flexible Arbeitsmodelle zu halten und dadurch weibliche Rollenvorbilder für junge Mädchen zu schaffen.
Ein Aufgabe, die im Rahmen von Industrie 4.0 und den neuen technischen Herausforderungen gelöst werden muss. Wie sagte einmal Tom Malone, Direktor des MIT Center for Collective Intelligence: „Einige der wichtigsten Innovationen entstehen nicht durch neue Technologien, sondern durch andere Arten, zusammenzuarbeiten und Arbeit zu organisieren.“