James E. Heppelmann ist CEO von PTC.

James E. Heppelmann ist CEO von PTC.

Die Firma PTC wurde 1985 gegründet und ist heute an der Nasdaq gelistet. Die Firma liefert Lösungen mit denen Unternehmen ihre Entwicklungs- und Wartungsprozesse über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg optimieren – von der Konzeption, der Entwicklung und der Beschaffung bis hin zum After-Market-Service.

Herr Heppelmann, wenn Sie an die nächsten fünf Jahre denken, was werden die Trends in der produzierenden Industrie sein?
In der Welt der Produkte und der Fertigung werden sich die sogenannten smarten Produkte durchsetzen, das gilt im gleichen Maß für die Endkonsumenten wie für die Hersteller. Daraus resultieren drei Trends, welche die Industrie und auch viele Geschäftsmodelle beeinflussen werden. Als erstes wird es eine Werteverschiebung vom Produkt zum Service rund um das gelieferte Produkt geben. Das kann in manchen Bereichen so weit führen, dass das Produkt verschenkt wird, um anschließend den Service zu verkaufen. Der zweite wichtige Trend ist, das Software wichtiger als Hardware wird. Wenn Sie den Markt der Mobiltelefone betrachten, so definieren sich die Produkte eher durch ihre Betriebssysteme iOS versus Android, als durch die Hardware. Der dritte Trend ist Vernetzung. Menschen wollen mit Menschen in Verbindung stehen. Das sogenannte Internet der Dinge wächst extrem rasant. Experten schätzen, dass in zwanzig Jahren über eine Billionen Geräte, Maschinen und Produkte miteinander kommunizieren können. Demgegenüber stehen dann ungefähr neun Milliarden Menschen, die über das Internet vernetzt sind. Die physische Welt wächst mit der virtuellen zusammen. All diese Trends führen dazu, dass sich auch die Geschäftsmodelle verändern werden.

Ihre Firma hat Kunden auf der ganzen Welt. Sehen Sie kulturell bedingte Unterschiede, was die Breitschaft betrifft, technische Innovationen anzunehmen und umzusetzen?
Ich sehe die Unterschiede eher generationsgegeben als kulturell verteilt. Die junge Generation wächst mit großem Selbstverständnis in der vernetzten Welt auf und ist es gewohnt, sich dort mitzuteilen und andere an ihrem Leben teilhaben zulassen. Unsere Generation ist da eher skeptischer und die Generation unserer Väter steht dem meistens ablehnend gegenüber. Diese Tatsache gilt in Asien, Europa und Amerika gleichermaßen.

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“Wir werden uns von alten Denkmustern verabschieden müssen”, so die Sicht auf unsere vernetzte Zukunft von PTC-CEO James E. Heppelmann.

Auf dem Münchener Management Kolloquium sagte der Vorstandsvorsitzende von Bosch Rexroth, Dr. Ing. Karl Tragl, dass wir uns vom alten Denken der Sicherheit und des Patentschutzes ein Stück weit verabschieden müssen, wenn Industrie 4.0 erfolgreich sein soll. Sehen Sie das genauso?
Das sehe ich genauso. Wie eben schon gesagt, lernt die junge Generation, dass sie einen Teil ihrer Privatsphäre aufgeben muss, wenn sie sich voll vernetzen will. Jedes Smartphone kennt den Aufenthaltsort seines Besitzers und viele Apps greifen darauf zurück. Sehen Sie hier auf meinem Telefon, welchen Apps ich erlaube darauf zuzugreifen und welchen nicht. Gibt mir eine App dadurch, dass sie weiß wo ich bin, keinen Mehrwert für mich und ich sehe nicht ein, wofür sie das wissen muss, dann schalte ich das ab. Bei meinem Kind zum Beispiel sind diese Beschränkungen nicht aktiv. Das ist aber in keinem Fall jugendlicher Unbekümmertheit oder Ignoranz geschuldet, sondern liegt in seinem Verständnis, dass dieses so sein muss. Alles, was wir tun, hat einen Preis und wenn wir die Industrie 4.0 mit all ihren Möglichkeiten wollen, dann werden wir uns von vielen alten Denkmustern und Gewohnheiten verabschieden müssen.

Können die Europäer und die USA von den Asiaten lernen und umgekehrt?
In der Vergangenheit haben die USA viele Bereiche der produzierenden Industrie an Asien und auch Europa verloren. Denken Sie nur daran, wie beherrschend Japan jahrelang im Automobilbau war. Viele Produktionskonzepte wurden dort entwickelt und sicherten ihnen große Erfolge. Das gleiche trifft auf Deutschland zu – eine starke Automobilwirtschaft und absolute Spitzenleistung im Maschinenbau. Aber all das ist sehr hardwarelastig. In den USA dagegen haben wir das Silicon Valley und sind weltweit führend in der Softwarebranche. Mir fällt im Moment nur eine deutsche Firma ein, die international stark in der Softwarebranche ist und keine einzige aus Japan. Mit der Schwerpunktverschiebung von Hardware auf Software sehe ich die amerikanische Wirtschaft im Vorteil und kann nur davor warnen, sich zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen und den Fokus auf perfekt konstruierte Hardware zu legen.

Wenn wir über Industrie 4.0 reden, so fällt mir auf, dass die Deutschen alles normieren und spezifizieren wollen, während der amerikanische Ansatz eher Hands on geprägt zu sein scheint. Also wir probieren etwas aus und schauen, ob es funktioniert, wenn nicht, dann finden wir eine andere Lösung. Wie bewerten Sie die beiden Ansätze?
Ich denke, dass beide Ansätze ihre Berechtigung und in der Vergangenheit schon zu großen Erfolgen geführt haben. Ich sehe allerdings auch die Gefahr, dass man durch zu viele Normen etwas schafft, das nicht mehr beherrschbar und praktikabel ist. Die deutschen Firmen arbeiten jedoch jetzt schon an Lösungen für ihre Fertigung und an neuen Produkten. Sie warten nicht darauf, dass irgendwelche Organisationen und Gremien ihnen Standards vorschreiben. Unsere Produkte helfen ihnen dabei, jetzt innovativ zu sein und sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Gibt es Firmen, denen Sie die Größe und Marktmacht zutrauen, solche Standards quasi neu zu schaffen?
Ich nenne hier nur Google, die durchaus in der Lage sind, Standards einzuführen und durchzusetzen. Audi, Honda und General Motors kooperieren mit Google und wollen Android und deren Möglichkeiten in ihren Fahrzeugen benutzen. Die Gründung der Open Automotive Alliance zeigt, wohin es gehen kann.

Sie sprachen vorhin davon, dass sich viele Geschäftmodelle ändern werden, wie könnten diese neuen Geschäftsmodelle aussehen?
Vielleicht sollte man sich erst einmal klar machen, was dieser technische Wandel überhaupt bedeutet. Hersteller können plötzlich wirklich ganz tiefe Einblicke in ihre Kundenstruktur und Denkweise bekommen. Was zählt wirklich für meine Kunden? Wie und wie oft wird mein Produkt wirklich genutzt? Wenn Sie als Hersteller heute beim Kunden anrufen und ihn befragen, dann bekommen Sie Antworten entweder nur von den Kunden, die ihr Produkt wirklich lieben, oder die total unzufrieden damit sind. Die Mitte antwortet nicht. Jetzt ist es technisch möglich, dass das Produkt seinen Hersteller anruft und ihm mitteilt, wie oft es benutzt wird, wann und wo. Wenn die Hardware immer unwichtiger wird und der Service rund um das Produkt genutzt wird, um Geld zu verdienen, hat das auch große Auswirkungen auf die Produktqualität. Zum Beispiel bezahlt der Kunde die Nutzungsdauer und nicht mehr das Produkt. Wird bei manchen Produkten heute das Ersatzteilgeschäft groß geschrieben und dadurch ein technischer Verfall mit in das Produkt eingebaut, so will man in Zukunft genau das vermeiden. Ich spreche da von einem Serviceparadies. Die Produkte sollen halten und nicht ausfallen.
Stellen Sie sich vor, was es für die Automobilindustrie bedeuten würde, wenn sie nur noch einen Motor für eine Modelreihe bauen würde und die vom Kunden gewünschten Eigenschaften per Software freischaltet. Das kann auch über die Cloud geschehen. Ein Familienvater besitzt zum Beispiel einen BMW mit 450 PS. Sein Sohn, gerade 18, leiht sich den Wagen, um am Wochenende mit seinen Freunden loszufahren. Vor dem Wochenende bucht der besorgte Familienvater beim Hersteller die Umprogrammierung des Motors auf 120 PS, da er meint, dass der Sohn diese viel besser beherrscht als 450. Technisch überhaupt kein Problem. Und die Fertigungskosten sinken alleine über die Economy of Scale enorm für den Bau der Motoren.
Mittels Apps kann also die Kapazitätsauslastung und die Benutzung der Produkte gesteuert und verändert werden.

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Unterhielten sich am Flughafen München: James E. Heppelmann, CEO von PTC (links) und Stephan Schwarz, freier Autor für ke NEXT.

Sehen Sie überhaupt eine Begrenzung für Smart Products, gibt es überhaupt noch ein Produkt, was in der Zukunft nicht smart werden kann?
Ich bin mir sicher, wenn wir hier nur zehn Minuten ein Brainstorming durchführen, würden uns zu jedem Produkt ein paar Anwendungen einfallen, die das Produkt smart werden ließen. Denken Sie zum Beispiel an Brücken: Jeder wird sich fragen: Warum sollten Brücken smart werden. Aber nach Fukushima mussten die Japaner alle Brücken danach überprüfen, ob sie noch die geforderte Tragfähigkeit und Belastbarkeit hatten. Wären die Brücken smart gewesen und hätten dementsprechende Sensoren in sich verbaut gehabt, dann hätten sie sich von sich aus bei der Regierung melden können und eine Reparatur oder  einen Abriss mit anschließendem Wiederaufbau beantragen können.
Mein Lieblingsbeispiel sind übrigens Parkplätze. Die Stadt San Francisco hat ihre Parkplätze smart gemacht und über eine App können Autofahrer sehen, wo in ihrer Nähe freie Parkplätze vorhanden sind. Sie können ankommen und die von ihnen gewünschte Parkzeit buchen. Bleibt das Auto länger stehen, dann verständigt eine andere App eine Politesse, die den Parksünder dann gleich aufschreibt. Diese Anwendungen wurden mit Hilfe von ThingWorx entwickelt und zeigen, wohin die Reise gehen kann.
Also noch einmal: Die Möglichkeit, dass Dinge sich vernetzen und mit anderen Dingen oder Menschen kommunizieren, wird unser Leben tiefgreifend verändern und auch die Art, wie wir und welche Geschäfte wir machen.

Kann das einer der Gründe sein, warum Mark Zuckerberg 19 Milliarden US Dollar für WhatsApp bezahlt hat?
Ich denke schon. Schauen Sie doch einmal, welche klassische Firmen Facebook für 19 Milliarden Dollar hätte kaufen können. Bei WhatsApp dreht es sich nur um Kommunikation und darum, in Verbindung zu bleiben. Wer weiß, in welche Richtung sich das noch weiter entwickelt. Es zeigt jedenfalls klar: Vernetzung ist die Zukunft. Und auch ThingWorx wächst mit dem Social Media zusammen.

Wenn Sie einem CEO aus der produzierenden Industrie nur einen Tipp geben dürften, was würden Sie ihm raten?
Machen Sie sich klar, was diese Trends für Ihr Geschäftsmodell und ihre Industrie bedeuten. Dann handeln sie. Vielleicht noch einmal ein Blick auf die Automobilindustrie: Stellen Sie sich vor, wie umwälzend die Auswirkungen wirklich wären, wenn man in Zukunft keine Autos mehr kauft, sondern nur noch die Benutzung bezahlt. Das mag jetzt noch Utopie sein, aber ernsthaft durchgespielt sollte man dieses Szenario schon einmal haben.

Die Fragen stellte Stephan Schwarz, freier Autor für ke NEXT

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