
Rückblick auf die Automatica 2023: Neben vielen Cobots waren auf der Messe auch die "großen Brüder" zu sehen. (Bild: Peter Koller / ANX)
Eine Erhebung des Forschungsdienstes Statista vom Dezember 2024 unterstreicht die Brisanz der Situation. So ist die Verbreitung von KI-Technologien in der Produktion in China mit 94 Prozent am höchsten. Mit überraschend großem Abstand folgen die USA auf Platz zwei. Hier setzt mit 46 Prozent knapp die Hälfte der produzierenden Unternehmen auf KI. Die DACH-Region bildet mit nur 20 Prozent das Schlusslicht der Befragung.
Einer, der das nicht nachvollziehen kann, ist Christian Fenk, CSO beim Münchner KI-Spezialisten Robominds: „Was das Angebot an KI-Lösungen für die Produktion angeht, ist Europa weltweit führend. Wer daran zweifelt, sollte zur Automatica kommen und sich von dem breiten KI-Angebot für alle Bereiche der Automatisierung überzeugen lassen. Unternehmen, die den Einstieg in diese Technologie dennoch hinauszögern, riskieren ihre Wettbewerbsfähigkeit“.
Intelligente 3D-Vision ersetzt Teachen und Programmieren
Eine der Grundvoraussetzungen für die Realisierung intelligenter Robotiklösungen ist die Kombination von 3D-Vision mit leistungsfähiger KI. Diese Technologie ermöglicht es Robotern, situationsgerecht zu agieren und dynamische Aufgaben zu übernehmen. Damit wird eine Abkehr von starr programmierten Abläufen möglich und die Maschinen erreichen ein Höchstmaß an Autonomie.
Wie solche Lösungen in der Praxis aussehen, zeigen auf der Automatica zahlreiche Anbieter aus der Bildverarbeitung, darunter auch Start-ups wie Mech-Mind Robotics. Das 2016 gegründete Unternehmen hat mit Unterstützung von Intel und weiteren Investoren eine Gesamtfinanzierung von über 200 Millionen US-Dollar eingeworben und zählt bereits heute zu den wichtigen Playern, wenn es um die Lösung anspruchsvollster Automatisierungsaufgaben mit KI und Deep Learning geht.
"Hey Robot, lass uns mal reden..."
Ein KI-Thema, das in naher Zukunft von entscheidender Bedeutung sein wird, ist die Sprachprogrammierung. Könnte man Roboter über natürliche Sprache programmieren, wäre die größte Hürde für ihren Einsatz mit einem Schlag genommen. Und tatsächlich rückt der Traum von der einfachen Sprachprogrammierung in greifbare Nähe, wie ein Blick nach Augsburg zeigt.
Dort beschäftigt sich ein Team von Kuka seit einiger Zeit mit generativer KI zur Generierung von Programmiercodes. Worum es dabei geht, bringt Roland Ritter, Leiter Software Portfolio Management bei Kuka, auf den Punkt: „Wir entwickeln derzeit einen KI-Chatbot, der Befehle in natürlicher Sprache in Codes umsetzt, um den Roboter für die jeweilige Aufgabe zu programmieren. Wenn das gelingt, kann jeder in die Roboterprogrammierung einsteigen.“
Mobile Roboter: autonomer Einsatz dank KI
Wie bei der stationären Robotik spielt auch bei Autonomen Mobilen Robotern (AMR) die künstliche Intelligenz eine Schlüsselrolle. Hier dürfte der Einfluss im Bereich der autonomen Navigation am größten sein, denn KI ermöglicht den vollständig Einsatz von AMR in komplexen, sich ständig verändernden Umgebungen.
Nicht umsonst hat ABB Robotics 2023 Sevensense Robotics übernommen. Das Schweizer Unternehmen ist auf die VSLAM-Technologie (Visual Simultaneous Localization and Mapping) spezialisiert. Diese KI-basierte Technologie gilt als Game Changer, da sie es AMR ermöglicht, sich in unbekannter Umgebung zu orientieren und präzise zu navigieren. Sami Atiya, Leiter der Division Robotics & Factory Automation bei ABB: „Ausgestattet mit Bildverarbeitungstechnologie und KI scannt jeder mobile Roboter einen bestimmten Teil des Gebäudes. Die Sichtfelder aller Roboter werden zu einer kompletten Karte zusammengefügt, so dass die AMR auch in sich schnell verändernden Umgebungen autonom arbeiten können.“
Low-cost-Automation für den Mittelstand
In Gestalt der Mensch-Roboter-Kollaboration dringt die Robotik auch immer stärker in den Mittelstand vor. Ein konkretes Beispiel liefert das Unternehmen Bender+Wirth. Der Mittelständler suchte eine Lösung zur Montage von CoBs (Chip-on-Board Bausteinen), doch klassische Systemintegratoren sprengten das Budget. Dank einer selbst konzipierten Roboterzelle mit Scara-Robotern von Epson konnte die Automation in Eigenregie umgesetzt werden.
Geschäftsführer Martin Bender betont: „Die einfache Integration und Programmierung waren entscheidend – unser Mitarbeiter konnte nach einer Schulung bei Epson die Anlage selbst einrichten.“ Ein Beispiel, das zeigt, wie auch kleinere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen vom Einsatz moderner Robotik profitieren können.
KI und Cobot werden zum Dream Team
Je einfacher und intuitiver die Bedienung kollaborierender Roboter wird, desto mehr Einsatzmöglichkeiten eröffnen sich. Kein Wunder also, dass die Hersteller alles daran setzen, ihre Cobots durch den Einsatz künstlicher Intelligenz für ein möglichst breites Aufgabenspektrum zu qualifizieren. So hat Universal Robots kürzlich mit dem UR AI Accelerator eine Lösung vorgestellt, die es Entwicklern ermöglicht, ihre Robotiklösungen mit modernster KI-Technologie auszustatten.
In eine ähnliche Richtung geht Delta Electronics. Das Unternehmen zeigt auf der Automatica mit dem Cognibot Kit, wie sich die Cobots der D-Bot-Serie mit fortschrittlichen kognitiven Fähigkeiten wie Sprachsteuerung, 3D Machine Vision, künstlicher Intelligenz und mehr ausstatten lassen. Durch die verbesserte Leistung erweitert Delta die Einsatzmöglichkeiten der Cobots in verschiedenen Produktionsumgebungen erheblich. Michael Mayer-Rosa, Global Head of Intelligent Robot Systems (IRS) bei Delta, erklärt: Das Cognibot-Kit macht kognitive Robotik für Unternehmen jeder Größe zugänglich. Dies ist besonders vorteilhaft für Länder wie Deutschland, in denen mittelständische Unternehmen weit verbreitet sind und mit einem Mangel an Arbeitskräften zu kämpfen haben."