Wie von Geisterhand gesteuert
Automated Guided Vehicles in der Fertigung
Sinkende Preise, robustere Technik und neue Navigationssysteme fördern den Trend hin zu mehr Fahrerlosen Transportsystemen in der Fertigung – unter anderem im Automobilbau.
In Kooperation mit dem Spezialisten für Fahrerlose Transportsysteme Sinova aus Brasilien bietet der Maschinenbauer Tünkers verschiedene Automationslösungen für den europäischen Markt an. Die aktuelle Forderung nach mehr Flexibilität mit der Zielvorgabe einer frei-programmierbaren Fabrik – Software-Anlagen statt Hardware-Anlagen – machen Automated Guided Vehicles (AGV) oder deutsch Fahrerlose Transportsysteme (FTS) unter anderem für den Karosseriebau interessant. Sinkende Preise, robustere Technik und neue Navigationssysteme fördern diesen Trend. Diese AGV-getriebenen Fabriklayouts sind gleichsam eine besondere Herausforderung, weil klassische Förderbänder und Shuttleanlagen substituiert werden müssen.
Mit AFS-Stauförderern, EXPERT Shuttles und Hub-Senkförderern bietet Tünkers eine breite Palette Lösungen für Logistikkonzepte in der Automobilfertigung an. In der Logistik ist der Airport-Scooter ein wichtiges Produkt, der unter anderem auf den Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf, Singapur, Paris und Dubai für den Transport von Gepäckwagen eingesetzt wird.
Mithilfe von FTS können verschiedene Formate transportiert werden:
- Kleinteile werden in Boxen, Stapelbehältern, Förderbändern oder Staubändern befördert.
- Großteile wie Seitenwände oder Bodengruppen können als Einzelteil auf Trägern oder direkter Aufnahmetechnik befördert werden.
- Zu guter Letzt werden auch Kleinstteile in standardisierten Tablets oder Euro-Paletten bewegt.
Neben Versorgungs-AGVs zum Transport der Teile zwischen Bestands- und Produktionslinie sowie Varianten zum sicheren Transport von Teilen durch Gänge und Flure trotz Bewegung von Menschen und anderen Fahrzeugen, installieren die Tünkers-Ingenieure auch Prozesslinien-AGVs zur sicheren Bearbeitung und Montage direkt auf dem Transportsystem. Hierzu werden fahrerlose Plattformen mit unterschiedlicher Spann- und Greiftechnik versehen. Neben den Plattformen für Montagelinien umfasst das Programm auch Schlepper, Unterfahrschlepper, Rollenbahnen und Stapler zur Kopplung mit den AGVs.
Freies Werkslayout
Der frei navigierbare Stauförder-AGV ist eine Tünkers-Entwicklung, mit der eine freie Gestaltung des Werks- oder Zellenlayouts möglich wird. Jeder AGV wird als zusätzlicher Bauteilpuffer eingesetzt und kann vom Werker, vom Roboter oder auch direkt von einem angekoppelten Stauförderer beladen werden. Die letztgenannte Variante bringt einen Zeitvorteil mit sich, da das Be- und Entladen in nur einem Arbeitsschritt erfolgen kann. Auch größere Entfernungen, eine nicht geradlinige Förderung oder Förderung durch mehrere Gebäudekomplexe stellen für die Stauförder-Variante kein Problem dar.
Dazu ergänzend werden die autonomen Anwendungen durch den Einsatz des von Tünkers entwickelten pneumatischen Feinpositionierungssystem sehr präzise. Das Kopplungselement MCP 80 ermöglicht die Feinpositionierung von +/- 0,1 Millimeter.
Möglichkeiten der Navigation
Das Herz eines AGV ist ein Industrie-PC, der die komplette Systemlogik verwaltet. Er ist verbunden mit den Steuerungen, Controllern, Sensoren und Aktoren, welche über verschiedene Kommunikationsprotokolle wie Ethernet, Ethercat, RS232 und optional CAN-Bus kommunizieren. Dazu verfügt das Transportsystem über ein Kamerasystem, welches am Boden des Fahrzeuges platziert ist. Hierüber werden die zur Orientierung notwendigen optischen Signale oder Kontraste identifiziert. Über einen Regelkreis findet eine automatische Fehlerkorrektur statt, welche in Bewegungssignale des AGVs umgesetzt wird. Das System erkennt anhand der Streckenauswahl Abzweigungen entsprechend eines programmierten Zieles.
Flexible Steuerungsmöglichkeiten
Die Navigation der Systeme kann per Induktion, Optik oder Laser erfolgen. Während bei der Induktions-Navigation eine baulich aufwändige Maßnahme zum Einlassen des Kabels in den Boden notwendig ist, sind bei den anderen beiden Lösungen keine baulichen Anpassungen notwendig. Die optische Navigation erfolgt über eine einfach auf den Boden aufgebrachte Spurführung, die seitens des AGVs durch eine Kamera mit LED-Beleuchtung erkannt wird.
Opto-elektronische Laserscanner werden hingegen am AGV montiert, um die moderne Form der Laser-Navigation über strategisch angebrachte Reflexionsspiegel entlang der Route zu ermöglichen. Zur Implementierung der Laser-Steuerung wird die Umgebung mit einem Fahrzeug gescannt und eine 2D-Umgebungskarte erzeugt, die auf dem PC bearbeitet werden kann. Hier können Zielpunkte, Lade- und Parkstationen, Einbahnstraßen oder gesperrte Bereiche definiert werden, die dann an alle AGVs übertragen werden.
Sicherheit geht vor
Damit Mensch und Roboter gefahrlos miteinander arbeiten können, besitzt das AGV serienmäßig Sicherheitskomponenten zur Geschwindigkeitskontrolle, zur Anti-Kollisionskontrolle, zur Überwachung der Steuerzeiten sowie Not-Aus-Schalter. Die Umgebung des AGVs wird von einem Lasersystem in einem Umkreis von bis zu sieben Metern überwacht. Sobald ein Hindernis erkannt wird oder ein Objekt in den einprogrammierten Sicherheitsbereich eintritt, löst das Lasersystem aus und das AGV wird umgelenkt oder der Betrieb der Maschine sofort gestoppt. Die Programmierung erfolgt in der Regel auf zwei Ebenen:
- Kontrollierte Geschwindigkeit: Wenn ein Objekt oder eine Person in diesem Bereich erkannt wird, verlangsamt sich das AGV bis zur Freigabe des Bereiches.
- Not-Aus: Sobald ein Objekt in diesem Bereich erkannt wird, wird ein Nothalt ausgelöst. Das heißt, die Motoren werden stromlos geschaltet oder die elektromagnetische Bremse eingeschaltet. Nach einer erneuten Freigabe nimmt das AGV den Betrieb wieder auf.
Mit dem richtigen Design-Layout erreicht die elektronisch-optische Ausführung eine Sicherheitskategorie von SIL 3, 2 und PLD bei der Objekterkennung. Darüber hinaus wird der Zustand des AGV kontinuierlich überwacht und eine schnelle Identifizierung von Systemausfällen sichergestellt. Damit wird das Ausfallrisiko im Vergleich zu herkömmlichen Systemen um ein Vielfaches reduziert.
Bei aller sicherheitsunterstützenden Technik muss auch das Umfeld der AGVs gewisse Anforderungen erfüllen, damit die Fahrzeuge sicher und ohne Unterbrechung in Betrieb sein können. So ist die Strecke sauber zu halten, frei von Objekten, öligen Stellen, Flüssigkeiten oder Verunreinigungen, die den Kontakt zwischen Antriebsrädern und Boden beeinträchtigen. Gegenstände sollten nicht auf der Strecke stehen. Zudem ist es sinnvoll, einen Sicherheitsabstand von mindestens 0,5 Metern von gespeicherten Geräten oder Gegenständen zur Strecke des AGVs einzuhalten. jl
überarbeitet von Redaktion Automation NEXT