Für komplexe Formen
Handwerk: Wie ein Roboter neue Aufträge sichert
Eine Tischlerei setzt auf den KR500-Roboter von Kuka. Wie der Handwerksbetrieb davon profitiert und was das für die tägliche Arbeit im Betrieb bedeutet, haben wir bei einem Besuch vor Ort erfahren.
"Einen Roboter? Nein, den brauche ich nicht!" So oder ähnlich hört man es oft im Brustton der Überzeugung und vielleicht noch garniert mit einem milden Lächeln aus dem Mund von zahlreichen Handwerkern. Was sollen sie auch mit den Riesenteilen anfangen, die sie meist nur aus großen Industriebetrieben kennen? Doch halt: Die Potenziale von Robotern liegen, gerade im Handwerk, buchstäblich auf der Hand.
Wer produktiver werden will und der Konkurrenz nicht hinterherschauen möchte, sollte sich also flugs über Einsatzmöglichkeiten informieren. Denn von den Vorteilen von Kollege Roboter können auch Handwerksbetriebe profitieren - wie unser Beispiel zeigt.
Wer das (alte) Handwerk nicht ehrt...
Um die Nostalgiker - die also, die noch selbst gerne Säge, Hobel und Schweißgerät schwingen - für Roboter zu begeistern, bedarf es vor allem eines: Erfolgsgeschichten der Roboter-Automatisierung. Eine solche schreibt die Tischlerei Eigenstetter aus Rehna in Mecklenburg-Vorpommern. Der Handwerksbetrieb ist spezialisiert auf maßgeschneiderte Treppen, Möbel, Innenausbau und Lösungen für die Industrie. "Das betrifft zum Beispiel Themen wie Engineering, Formenbau oder große und schwere Teile", erklärt Martin Eigenstetter, studierter Maschinenbauer und geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Im Jahr 2011 schlug er für die Schreinerei ein neues Kapitel auf.
Für kreisrunde Haustür braucht es neue Technologie
Der Auftrag damals: Eine kreisrunde Haustür mit Stichbogen für einen Rundturm zu produzieren – handwerklich eine echte Herausforderung und nur schwer umsetzbar. Das richtige Werkzeug hierfür? Nicht etwa die alte 5-Achs-CNC-Fräsmaschine des Handwerksbetriebs, sondern ein niegelnagelneuer Industrieroboter KR500 von Kuka: Fünf Bewegungsachsen, vier Meter Reichweite, bis zu 500 Kilogramm Traglast und eine punktwiederholgenaue Präzision von 0,08 Millimetern beim Fräsen.
Mit dem neuen Roboter sollten nun auch die kompliziertesten Formen möglich sein. So lagen denn auch die Argumente für ein bis dato im Holzhandwerk einzigartiges Roboterfräszentrum schnell auf dem Tisch. "Es gibt im Handwerk viele Dinge, die sich seit Jahrhunderten bewähren und dann muss man eben schauen, dass diese Werkzeuge mit den neuen Herausforderungen harmonieren", erklärt Martin Eigenstetter seine Philosophie.
Welcher Roboter eignet sich im Handwerk für welchen Einsatz?
Einmal eingekauft, galt es nun nur noch, den KR500 zu einem Holzbearbeitungs-Gelenkarmroboter für das neue automatisierte Fräszentrum umzubauen. Über Monate tüftelte das Team an Konfiguration und Programmierung. Ein Systemintegrator stattete den Roboterarm schließlich mit einer hochtourig laufenden Werkzeugspindel aus. Den sicheren Halt des Werkstücks gewährleistet heute eine eigens entwickelte Haltevorrichtung beim Fräsvorgang.
Mit einer Mensch-Roboter-Kollaboration, wie sie sich mit Cobots realisieren lässt, hat das neue Roboterfräszentrum freilich nur wenige Gemeinsamkeiten. Martin Eigenstetter: "Man muss immer unterscheiden, ob nun wirklich ein Handhabungsroboter nötig ist oder ob man Tool-to-Part arbeiten möchte wie mit einer Werkzeugmaschine. Nichtsdestotrotz arbeiten wir gerade mit dem Fraunhofer-Institut an einem Cobot-Projekt, wo wir dann auch vorhaben, Part-to-Tool zu arbeiten."
Handwerk: Vom Tischler zum Roboter-Programmierer?
Gunnar Mai ist Tischler bei der Tischlerei Eigenstetter und verweist auf die Vorteile des neuen Roboter-Kollegen im Fräszentrum: "In formverleimten Treppen zum Beispiel, großen gebogenen Wangen", die in Handarbeit nur mit extremem Aufwand anzufertigen wären.
Mai nennt die Stärken der Technologie: komplexe, dreidimensionale Formen und mehrfach gekrümmte Oberflächen in höchster Präzision. "Wir haben zum Beispiel eine große Schiffschraube hergestellt", erinnert sich Mai: "Drei Meter groß und hoch, von beiden Seiten gefräst, in alle Richtungen verdreht und alleine schon durch die Bearbeitungshöhe von über einem Meter gab es für uns hier überhaupt keine Alternative zum Roboter - auch was die Genauigkeit anbelangt." Für Mai sind das jedoch nicht die einzigen Argumente auf Seiten des neuen Kollegen: "Der Roboter hat uns viel ungesunde Arbeit abgenommen, viel schwere Arbeit und auch der Staub beim Arbeiten ist weniger geworden."
In die Zukunft mit dem neuen Roboter-Fräszentrum hat Handwerker Mai selbst einiges investiert, auch weil der Betrieb seine Mitarbeiter von Anfang an in die Entwicklung miteinbezogen hat. Besonders das speziell entwickelte Programm, das die Planungsdaten aus dem CAD/CAM-System in Roboterbewegungen umwandelt, war für alle Mitarbeiter eine echte Herausforderung. "Für mich war das Programmieren technisch komplett Neuland", gesteht der Tischler. "Wir haben im Team viel ausprobiert und es hat eine Weile gedauert aber wir haben es durchgezogen."
Der Lohn des Ganzen: Heute sieht sich das Handwerksunternehmen für nahezu jede komplexe Form gewappnet.