Neuron

Wissenschaftler nutzten pluripotente Stammzellen, um im Labor menschliche Hirnorganoide zu züchten, die auf Computerchips befestigt werden. (Bild: BSIP/Universal Images Group)

Vor mehr als zehn Jahren züchteten Forscher erstmals Hirnorganoide aus menschlichen pluripotenten Stammzellen. Die Kultivierung war jedoch viele Jahre lang auf zweidimensionale Proben beschränkt, was ihre Funktionalität einschränkte. Durch neuere Entwicklungen bei der Züchtung dreidimensionaler Organoide kann die potenzielle Rechenleistung erweitert werden. Dazu wird die neuronale Aktivität des biotechnologisch hergestellten Gewebes mit Computerchips nutzbar gemacht.

Die jüngsten Fortschritte im Bereich der organoiden Intelligenz (OI) wurden von einem Team von Mitarbeitern des Haihe Laboratory of Brain-Computer Interaction and Human-Computer Integration der Universität Tianjin und der Southern University of Science and Technology erzielt. Laut den Forschern handelt es sich bei ihrem „Open-Source Brain-on-Chip Intelligent Complex Information Interaction System“ (MetaBOC) um eine Innovation, die den Weg für komplexere menschliche Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) ebnen könnte. In ferner Zukunft wäre möglicherweise sogar die Reparatur neurologischer Schäden denkbar.

Im Anschluss an die Kultivierung gehirnähnlichen Gewebes erfolgte die Verpflanzung des Organoids auf einen Elektrodenchip, wodurch eine Interpretation externer elektrischer Signale ermöglicht wurde. Der Chip ist laut Berichten in der Lage, Robotersysteme so zu steuern, dass sie nach Simulationstrainingseinheiten in der Umgebung navigieren und Objekte greifen können. Um dieses Kunststück zu vollbringen, integrierten die Forscher Algorithmen des maschinellen Lernens in das durch den Organoiden verstärkte neuronale Computernetzwerk. Dieser Ansatz stellt einen bemerkenswerten Erfolg bei der Erforschung der „hybriden Intelligenz“ dar.

„Der MetaBOC-Chip ermöglicht es ihm, durch Kodierung und Dekodierung sowie Stimulations-Feedback mit der Außenwelt zu interagieren“, erklärte Ming Dong, Vizepräsident der Universität Tianjin und geschäftsführender Direktor des Haihe-Labors für Gehirn-Computer-Interaktion und Mensch-Computer-Integration, am 28. Juni in einer Erklärung.

Play-Doh-Cyborg oder erster Schritt zum Aufstand der Maschinen?

Die begleitenden Bilder zeigen einen Knetmasse-ähnlichen Organoiden, der im Kopf eines zweibeinigen Roboters montiert ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass uns derzeit keine Pläne für eine Entwicklung Mensch-Maschine-Cyborg-Armeen bekannt sind. Der winzige Kampfroboter dient lediglich als Modell, um die potenzielle Erscheinung zukünftiger künstlicher Intelligenzmaschinen zu veranschaulichen.

Bis es dann doch irgendwann soweit ist, gilt es für die Wissenschaftler, eine Reihe von Hürden zu überwinden, mit denen das Forschungsgebiet derzeit konfrontiert ist. In einem Gespräch mit der South China Morning Post wies Li Xiaohong, Professor an der Universität Tianjin und Mitautor der Studie, auf „Engpässe wie geringe Entwicklungsreife und unzureichende Nährstoffversorgung“ hin, für die noch Lösungen gefunden werden müssen.

Die Forschung zielt auch darauf ab, Hirnorganoide zur Wiederherstellung der Hirnfunktionalität bei Menschen mit neurologischen Problemen oder eingeschränkter Mobilität aufgrund eines Schlaganfalls einzusetzen. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlichten Studie konnte das Team nachweisen, dass die Bestrahlung der Organoide mit niederfrequenten Ultraschallwellen das Wachstum des neuronalen Netzes anregt. Dies eröffnet die Möglichkeit, eines Tages ähnliches Gewebe auf echte menschliche Gehirne zu transplantieren, und könnte einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung nicht-invasiver Verfahren leisten.

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