Herr Professor Glück, bei unserem Schunk-Besuch auf der Automatica ist uns neben Ihrer bekannten Fünf-Finger-Hand SVH auch eine „Industriehand“ aufgefallen. Die SVH-Hand schien uns deutlich komplexer als ihr neueres Pendant – bislang war sie ja auch eher ein Forschungsprojekt. Nun soll aber auch die SVH industrietauglich werden. Wo genau liegen die Unterschiede zwischen beiden Greifsystemen – der älteren SVH-Version und der neuen „Industriehand“, die Sie nun ebenfalls auf der Automatica vorgestellt haben?

Beide Produktkonzepte folgen konsequent einem Segmentierungsansatz für Roboterhände der Zukunft. Sie unterscheiden sich im Antriebs- und Kinematik-Konzept sowie in der Steuerung. Während die SVH-5-Fingerhand einen möglichst universellen Einsatz zum Ziel hat, ist die SIH-Industriehand auf die Bedürfnisse der produzierenden Industrie, insbesondere auf die flexible, automatisierte Montage, zugeschnitten. Bei ihr nutzen wir Erfahrungen aus der Bionik sowie moderne Motoren- und Elektronik-Konzepten, um mit einer preisattraktiven Lösung ein adaptives Greifen zu ermöglichen. Mithilfe einer intelligenten Greiferregelung können über ein einfach zu bedienendes Interface vielfältige Greifprozesse umgesetzt werden, ohne sie exakt zu programmieren.

Prof. Dr. Markus Glück ist Chief Innovation Officer bei Schunk.
Prof. Dr. Markus Glück ist Chief Innovation Officer bei Schunk. (Bild: Schunk)

Die SVH-Hand dürfte mit neun Motoren und komplexerer Technik deutlich teurer sein als die „Industriehand“ mit nur fünf Motoren…Versprechen Sie sich dennoch Abnehmer für die ältere Version, wegen ihrer höheren Sensitivität zum Beispiel?

Beide Hände haben auch in Zukunft ihre Berechtigung: Mithilfe ihrer neun Motoren und einer komplett in die Handwurzel integrierten Steuer-, Regel- und Leistungselektronik kann die SVH sehr flexibel unterschiedlichste Greifoperationen durchführen. Dank Direktantrieb gewährleistet sie dabei eine maximale Präzision. Die preisattraktive SIH hingegen ist speziell für den Einsatz in der Industrie ausgelegt, weniger komplex und einfacher zu bedienen.

Gibt es bereits erste Anfragen aus der Industrie für diese flexiblen Fingergreifsysteme? Und wenn ja, in welchen Anwendungen können diese ihre Stärken besonders ausspielen?

Das Interesse an flexiblen Greifhänden ist groß. Einsatzfelder sind robotergestützte Montageabläufe, die dem menschlichen Vorbild nahekommen und eine hohe Bewegungsflexibilität erfordern. Auch in der Logistik werden Greifhände ihre Stärken ausspielen, wo variantenreiche Handhabungsarbeiten zu erledigen sind. Dasselbe wird von der Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie gefordert. Und auch in der medizinischen Assistenz und im Pflegebereich sind vergleichbare Erwartungen an Greifsysteme benannt. Wir werden ab 2019 sowohl aktuelle Anfragen aus der akademischen Welt als auch aus unterschiedlichsten Industrie-Marktsegmenten bedienen. Dies wird ergänzt durch Kooperationsanfragen verschiedenster Kollaborationsgruppen, die sich mit Automatisierungsansätzen der Zukunft in Produktion, Logistik sowie in der modernen Service- und Assistenzrobotik beschäftigen.

Vielen Dank, Herr Professor Glück!

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