AVE Mizar im Flug

Der AVE Mizar – eine elegante, innovative und neuartige Art, mit einem Ford Pinto in die Luft zu fliegen. (Bild: performance.ford.com)

Die Geschichte um ein fliegendes Auto – genauer gesagt des fliegenden Ford Pinto endet genauso wie man sich das dachte. Und das aus mehreren Gründen:

Es gibt nur wenige Autos, die einen schlechteren Ruf in Sachen Sicherheit haben als der Ford Pinto, der schon wenige Jahre nach seiner Markteinführung im Jahre 1970 dafür berüchtigt war, bei Auffahrunfällen Feuer zu fangen. Viele Menschen würden sich in diesem Auto nicht wohlfühlen, geschweige denn, dass sie damit in die Luft fliegen würden – und das nicht zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte. Hätte sich der Ruf des Pinto schneller verschlechtert, hätte dies vielleicht das Leben der Männer gerettet, die versuchten, aus dem Pinto ein fliegendes Auto zu machen.

Original Crash-Test-Aufnahmen aus dem Jahr 1970 - der Pinto hat schon in der Entwicklung kein gutes Bild abgegeben.

Das Konzept eines fliegenden Autos in den überfüllten Metropolen dieses Planeten war schon immer ein Wunschtraum von Konstrukteuren und Erfindern. Der Traum ist wahrscheinlich so alt wie der erste Science-Fiction Film Metropolis aus dem Jahre 1927 aber mindestens so alt wie Zurück in die Zukunft als Doc Brown am Ende des Films den DeLorean zurücksetzt und mit bedeutungsschwangerer Stimme verkündet: „Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen.

Und heute im Jahre 2023 scheint es ja so als würde das Konzept fliegendes Auto endlich aufzugehen. Wenn man den Presseberichten der letzten Monate glauben darf, dann scheint es voranzugehen mit den fliegenden Autos. Klein Vision aus der Slowakei hat immerhin ein Lufttüchtigkeitszeugnis der EASA bekommen. Das Modell des Unternehmens hat eine Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern und erreicht auf der Straße etwa 160 km/h. Der Motor stammt von BMW, das Fahrzeug fährt und fliegt mit Benzin von der Tankstelle. Nach Angaben des Erfinders dauert es nur zwei Minuten und 15 Sekunden, um den Hybrid in ein fliegendes Fahrzeug zu verwandeln. Dazu muss lediglich ein Schalter umgelegt werden. Das Fahrzeug kann auf Gras und Asphalt starten und landen, wobei eine Strecke von etwa 300 Metern benötigt wird.

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Soweit war man 1971 noch lange nicht, als die beiden Flugingenieure Henry Smolinski und Harold Blake versuchten, ein kommerziell nutzbares Flugauto herzustellen, indem sie die Flügel, Motor, Druckpropeller und einen Teil des Rumpfes einer Cessna Skymaster an einen Ford Pinto anbauten und das Konstrukt, das wie das Kind einer unheiligen Ehe zwischen Auto und Flugzeug aussah, AVE Mizar tauften.

So wie sie sich das vorstellten, konnte man mit dem Pinto zum Flughafen fahren, das Auto mit der Flugzeugzelle verbinden und sich auf die Startbahn begeben. Dort würde die kombinierte Schubkraft des Auto- und des Flugzeugantriebs einen ungewöhnlich kurzen Start von etwa 150 Metern ermöglichen. Es könnte dann mit 130 Knoten (rund 240 km/h) durch den Himmel cruisen. Der amerikanische Traum in der Luft. Dank der Kombination aus Klappen und Vierradbremsen sollte die Landestrecke mit nur etwas über 150 Metern ebenfalls kurz sein. Das Vehikel sollte 1600 km ohne Auftanken zurücklegen können.

Sowohl das Auto als auch das Flugzeug wurden über eine halb-gemeinsame Steuerung bedient, die das Lenkrad in ein vollwertiges Steuer verwandelt. Durch Drehen des Lenkrads wurden die Querruder bewegt, um das Rollen zu steuern, durch Drücken und Ziehen an der Lenksäule wurden die Höhenruder betätigt, um die Neigung zu steuern, und ein zusätzliches Pedalpaar steuerte das Seitenruder. Hart, wenn man bedenkt, dass die meisten Amerikaner nicht mal mit einer normalen Schaltung fahren können.

Jetzt muss man bedenken, dass das Konzept Pinto für den US-Amerkanischen Markt geradzu revolutionär war. Denn: das Auto war klein. Grund für die Entwicklung des Pinto war, dass Ford eine Alternative zu den immer erfolgreicher werdenden importierten Kleinwagen anbieten wollte. Besonders erfolgreich war in diesen Jahren der VW Käfer, aber auch die Verkaufszahlen japanischer Hersteller stiegen von Jahr zu Jahr.
Dennoch: So richtig hinbekommen haben die Konstrukteure bei Ford den Pinto nicht - die Konstruktion des Pinto sah vor, dass der Kraftstofftank zwischen der Hinterachse und dem hinteren Stoßfänger angebracht wurde. Was bei einem Auffahrunfall jetzt passiert, dürfte klar sein. Um einen weiteren klassischen Science-Fiction-Film mit fliegenden Autos zu zitieren – in "Das 5. Element" sagt die rothaarige, leicht bekleidete Leeloo nachdem sie in das Flugtaxi gefallen ist: „Mächtiger Bada Boom“.

Alles in allem also eine großartige Idee, dieses Auto als Basis für ein Fluggerät zu nehmen. Um die Sache noch schlimmer zu machen: Wenn man so sehr von einer Idee überzeugt ist, dass man eine gewisse Betriebsblindheit entwickelt, um die Idee mit der Brechstange real werden zu lassen, ist das auch keine gute Idee.

Am 26. August 1973 hab der Mizar das erste Mal ab. Gesteuert von einem professionellen Testpiloten. Unglaublicherweise hob das Gefährt auch ab, blieb aber nicht lange in der Luft. Ein Flügel begann sich auf der rechten Seite zu lösen und der fliegende Pinto machte eine glimpflich verlaufende Notladung in einem anliegenden Bohnenfeld. Vielleicht hätte man das Konstrukt mit mehr als nur Blechschrauben fest machen sollen…

Aber dummerweise war die PR-Maschinerie schon angeworfen, der fliegende Pinto sollte doch irgendwie unters Volk gebracht werden. Immerhin gab es schon 34 Vorbestellungen, die inflationsbereinigt 114.500 $ pro Pinto in die Kasse spülen sollten. Auch gab es Gerüchte, dass der Wagen in einem James-Bond-Film mitspielt.

Am 11. September 1973 beschlossen also die beiden Erfinder Smolinski und Blake die Sicherheit ihrer Erfindung live zu demonstrieren, hoben in der neuesten Version des AVE Mizar (jetzt mit 300 PS starkem Motor) ab. Zeugen berichteten davon, dass der Wagen 2 Minuten in der Luft war, bevor sich der Pinto vom Fluggestell löste, herunterfiel und beim Aufprall – ja was? Genau: explodierte. Die beiden Erfinder waren sofort tot.

Mächtiger Bada Boom.

Bernhard Richter verantwortlicher Redakteur keNEXT
(Bild: B.Richter)

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.

Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.

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