Sicherheit, Reichweite und Kosten: Das sind die drei großen Prämissen der Elektromobilität. An erster Stelle steht eindeutig die Sicherheit: Lithium-basierte Traktionsbatterien werden derzeit meist völlig abgekapselt in Batteriegehäusen in das Fahrzeug integriert, um damit die Batterie vor allen denkbaren Belastungen und äußeren Einflüssen zu schützen. Dieser „Panzer“ wirkt sich auf Bauweise, Gewicht, Größe und Gesamtdesign des Fahrzeugs aus.
„Im Sinne der Sicherheit schützen Fahrzeughersteller Traktionsbatteriekomponenten lieber mehr als eventuell notwendig, um auf alle Fälle auf der sicheren Seite zu sein. Dadurch ergeben sich aber im Gegenzug gewisse Einschränkungen. Ein Grund für diese Vorgehensweise ist, dass das Verhalten der Batteriekomponenten, beispielsweise Batteriezellen, unter Crashbelastungen noch zu wenig erforscht wurde“, erklärt Wolfgang Sinz vom Institut für Fahrzeugsicherheit der TU Graz. Gegenwärtige Forschungen beschränkten sich zudem meist auf das Verhalten neuer Fahrzeugtraktionsbatterien, ohne beispielsweise den möglichen Einfluss von Vorbelastungen, etwa durch Alterung, zu berücksichtigen. Genau hier setzt das Team rund um Wolfgang Sinz gemeinsam mit namhaften nationalen wie internationalen Partnern aus Forschung und Industrie im Rahmen des COMET-Projekts „SafeBattery“ an, das im April 2017 Fahrt aufgenommen hat.
Batterien mit unterschiedlichen Vorleben testen
In dem vierjährigen FFG-geförderten Forschungsprojekt steht das mechanische, elektrochemische und chemisch-thermodynamische Verhalten von Einzelzellen und Einzelmodulen auf Lithiumbasis unter Crashbelastungen im Zentrum. Dabei untersuchen die Forschenden Komponenten mit unterschiedlichem Vorleben, denn „die Sicherheit muss nicht nur bei neuen Batterien in jedem Fall gewährleistet sein, sondern auch bei Traktionsbatterien in Fahrzeugen, die schon ein bestimmtes Maß an Vibrationen, an eventuellen leichten mechanischen Belastungen infolge leichter Unfälle und an kalendarischer Alterung beziehungsweise zyklischer Alterung hinter sich haben“, sagt Sinz. Auch andere Einflussfaktoren auf das Batterieverhalten im Crashfall werden genau unter die Lupe genommen, wie der Ladezustand oder die Temperatur.
Das „SafeBattery“-Team will die Grenzen der Batterienzelle ausloten, um in weiterer Folge Parameter zu definieren, die dazu genutzt werden, dass diese Grenzen in der Praxis niemals überschritten werden. Dafür braucht es eine enge Zusammenarbeit nicht nur mit Industriepartnern von AVL über Steyr Motors bis Audi und Daimler, sondern besonders TU Graz-intern mit den Expertinnen und Experten des Instituts für Chemische Technologie von Materialien und mit dem Kompetenzzentrum Virtual Vehicle. „In diesem Projekt kreuzen sich viele Disziplinen. Wir haben eine ganze Reihe von Einflussparametern und müssen das Mosaik erst in seine Einzelteile zerlegen und untersuchen. Erst dann können wir Empfehlungen zu Bau, Integration und Betrieb der Batterien abgeben“, sagt Sinz.
Eigens entwickelte Prüfstände für Crash-Szenarien
In der institutseigenen Crashtesthalle hat das Team eigens entwickelte Prüfstande mit maßgeschneiderten Mess- und Sensortechnologien für verschiedene Crash-Szenarien für Batterien und deren Komponenten aufgebaut, „ein weltweit einmaliger Versuchsaufbau, der qualitativ hochwertige Messdaten und Erkenntnisse über die gesamten hochkomplexen Vorgänge, die meist nur wenige Millisekunden dauern, gewinnen kann“, sagt Sinz. Dazu kommen numerische Berechnungsverfahren und Simulationen, um die multiphysikalischen Vorgänge besser zu verstehen.
Ergebnis ist ein umfassendes Wissen über das Verhalten von Traktionsbatterien unter Crashbelastungen, das als Basis genutzt werden kann, um Antriebsbatterien noch optimaler in das jeweilige Fahrzeugkonzept sicher zu integrieren. Mit diesem Wissen lassen sich kritische Zustände von Batterien schon in der Entwicklung, aber auch im Betrieb frühzeitig erkennen und durch spezifische Maßnahmen vermeiden. Zusätzlich sind Zellhersteller interessiert an gezielten Anforderungsspezifikationen. „Wir wollen mit den gewonnen Erkenntnisse dazu beitragen, mehr Spielraum für die Reichweite und das Fahrzeugdesgin bei stets gewährleisteter Sicherheit zu erreichen“, fasst Sinz zusammen.
Ein weiterer Fokus des Projekts: Gemeinsam mit dem Institut für Chemische Technologien von Materialien werden die Untersuchungen nicht nur für State-of-the-Art Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyten durchgeführt, sondern auch mit der nächsten Generation an Lithium-Batterien mit All Solid State Elektrolyten. „Uns interessiert hier, ob die kommende Generation an Antriebsbatterien einige Mankos der derzeitigen Systeme gar nicht mehr aufweist oder vielleicht neue, andere Schwachstellen mit sich bringt“, sagt Sinz. hei