Vorgänge im menschlichen Gehirn faszinieren Neurowissenschaftler seit Jahrzehnten. Über die Messung von Hirnströmen ziehen sie Rückschlüsse auf das Befinden des Menschen und die Funktionsweise unseres Denkorgans. Im neuen Forschungsgebiet der Neuroarbeitswissenschaft werden diese Erkenntnisse genutzt, um Arbeitsumgebungen und technische Geräte menschengerechter zu gestalten.
Das neu eröffnete NeuroLab am Fraunhofer IAO erforscht speziell, was im Gehirn passiert, wenn Menschen technische Geräte benutzen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mensch-Computer-Schnittstellen entwickeln, die mentale und emotionale Nutzerzustände erkennen und sich automatisch an individuelle Bedürfnisse anpassen.
Mit dem NeuroLab eröffnet das Fraunhofer IAO eine Testumgebung für Fragen der Neuroarbeitswissenschaft. Im Fokus stehen Assistenzsysteme im Fahrzeug, in der Mensch-Roboter-Kollaboration sowie in der Wissensarbeit. Das Video zeigt, wie die Forschung im NeuroLab aussieht.
Im Oktober 2015 wurde das neue "Labor für Neuroarbeitswissenschaft", wie es vollständig heißt, feierlich eröffnet. Peter Hofelich, Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, betonte in seinem Grußwort zur Eröffnung die Chancen für die Mensch-Technik-Interaktion der Zukunft: "Die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft sind für alle erkennbar – wir sind mitten in der Neugestaltung der vernetzten und digitalen Arbeitswelt von morgen. Baden-Württemberg hat alle Voraussetzungen, Leitanbieter und Leitmarkt für die Produktion und Mobilität der Zukunft zu werden. Der Mensch muss im Mittelpunkt des Technikwandels stehen, dazu leistet das NeuroLab des Fraunhofer IAO einen wesentlichen Beitrag."
Professor Wilhelm Bauer, Institutsleiter des Fraunhofer IAO, hob hervor: "Mit dem Brückenschlag zur Neurowissenschaft heben wir die Arbeitsforschung auf eine ganz neue Ebene. Erkenntnisse über das Erleben, die Motivation und die Belastung bei der Arbeit helfen uns, Geräte viel menschengerechter zu gestalten und so erfolgreich am Markt zu platzieren."
Forschungsroadmap für die Neuroarbeitswissenschaft
Experten aus den Neurowissenschaften diskutieren schon seit längerer Zeit die zukünftigen Entwicklungen und Anwendungspotenziale von Gehirn-Computer-Schnittstellen. Entstanden ist eine Forschungsroadmap für das Feld der Neuroarbeitswissenschaft. "Wenn wir die Gehirn-Computer-Schnittstelle aus dem medizinischen Kontext in das Arbeitsumfeld bringen wollen, müssen wir die Menschen in den Fokus stellen. Zukünftige Forschung muss sich direkt an den Nutzerinnen und Nutzern orientieren", fordern Kathrin Pollmann und Dr. Mathias Vukelic, die die Forschung im NeuroLab verantworten.
Die ersten Studien sind bereits angelaufen. Momentan untersuchen Pollmann und Vukelic, was bei ihren Probanden im Gehirn passiert, wenn sie mit Assistenzsystemen arbeiten. Dazu setzen sie Elektroenzephalographie (EEG) und Funktionale Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) ein. Zusätzlich zu diesen neurowissenschaftlichen Methoden erfassen sie die Muskelaktivitäten im Gesicht – so können sie beispielsweise erkennen, wenn die Benutzer angestrengt die Augen zusammenkneifen, lächeln oder in welche Richtung sie schauen. Hierdurch soll eines Tages eine Benutzungsschnittstelle entstehen, die bestimmte Hirnzustände wie Stress oder Freude erkennt und das Verhalten von Assistenzsystemen entsprechend anpasst.