Während die Menschheit wächst, gehen die Agrarflächen pro Kopf weltweit zurück. Laut Prognosen der Landwirtschaftsorganisation der Vereinigten Nationen (FAO) müssen Landwirte bis zum Jahr 2050 auf nachhaltige Weise jedoch rund 50 Prozent mehr Ertrag erwirtschaften, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Damit diese Gleichung künftig aufgeht, braucht es in der Landwirtschaft Pflanzenschutz und technische Innovationen. Beides muss möglichst umweltschonend sein. Dafür haben sich Bosch und Bayer jetzt zusammengeschlossen. Die Unternehmen werden in einer dreijährigen Forschungskooperation die Smart-Spraying-Technologie entwickeln, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln effizienter macht.
Sprühen und sparen
Auf dem Feld konkurrieren Nutzpflanzen wie Mais oder Weizen mit Unkräutern um den Platz an der Sonne, um Wasser und Nährstoffe. Die Folge: schlechtere Ernten. Um die unerwünschten Pflanzen effizient zu bekämpfen, hilft derzeit meist nur der großflächige Einsatz von Herbiziden, obwohl Unkräuter nicht immer gleich verteilt auf dem Feld wachsen. So werden auch Nutzpflanzen und Ackerböden mit Pflanzenschutzmitteln besprüht – und das kann die Umwelt belasten. „Wir wollen gemeinsam mit Bosch neue Wege gehen und unterschiedliche Technologien zusammenbringen, damit Herbizide nur dort ausgebracht werden, wo sie wirklich notwendig sind“, sagt Tobias Menne, Leiter des Bereichs Digital Farming bei Bayer.
Besonders im frühen Wachstumsstadium sind Unkräuter schwer zu bestimmen. Die neue Smart-Spraying-Technologie kann mithilfe von Kamerasensoren Nutzpflanze von Unkraut unterscheiden und durch eine spezielle Applikationstechnik Pflanzenschutzmittel zielgerichtet auf Unkräuter sprühen und somit die Umwelt schonen. „Mit Smart Spraying bringen wir mehr Intelligenz auf den Acker“, sagt Dr. Johannes-Jörg Rüger, Vorsitzender des Bereichs Commercial Vehicles and Off-Road bei Bosch. Der Unterschied zu bisherigen Systemen auf dem Markt: Diese bieten lediglich eine „Grünerkennung“, können aber nicht zwischen Kulturpflanze und Unkraut unterschieden.
Auf den Punkt gebracht
Und so funktioniert es: Bevor der Landwirt auf das Feld fährt, hilft ein digitaler „Feldmanager“ dabei, die Situation auf dem Feld einzuschätzen, und empfiehlt den geeigneten Zeitpunkt für eine Unkrautbehandlung. Das exakte Erkennen der Unkräuter und das Sprühen mit Pflanzenschutzmitteln erfolgt während der Überfahrt in einem Arbeitsgang. Dabei nehmen mehrere Kameras über die gesamte Arbeitsbreite der Feldspritze verteilt lückenlos Bilder auf. Die unterschiedlichen Unkräuter werden erkannt und die Behandlungsmaßnahme festgelegt. Noch während der gleichen Überfahrt wird das Herbizid in der notwendigen Aufwandmenge und Mischung mit den passenden Applikationsparametern zielgerichtet auf entsprechende Unkräuter gesprüht – unkrautfreie Bereiche bleiben unberührt. Das funktioniert blitzschnell, innerhalb von Millisekunden.
„Smart Spraying ist ein Quantensprung in der Unkrautbekämpfung“, sagt Björn Kiepe, Leiter Agronomy innerhalb von Digital Farming bei Bayer. „Wir verknüpfen moderne Technologie zur Unkrauterkennung mit der Möglichkeit, verschiedene Wirkstoffe situativ und sehr präzise mit einer räumlichen Auflösung von deutlich unter einem Meter anzuwenden. Das wird es Landwirten noch leichter machen, nachhaltigen Pflanzenschutz zu praktizieren.“ Ganz wichtig: Vorbehandlungen, Wirkstoffwechsel und Fokus auf einen bestmöglichen Wirkungsgrad der eingesetzten Herbizide fließen in das System ein, um Resistenzen bei Unkräutern zu vermeiden.
Schwerpunkte der Bosch-Forschung sind die hocheffektive Sensorik, intelligente Analyseverfahren und das selektive Sprühsystem. In die Partnerschaft mit Bosch bringt Bayer seine Erfahrung auf den Gebieten Geographische Informationssysteme (GIS) einschließlich der Entwicklung von Algorithmen als Basis für agronomische Entscheidungen, Integrierter Pflanzenschutz, Formulierungstechnik und Applikationstechnik ein. jl