Manchmal ist der Mensch schlecht drauf. Er hat eben so seine Schwächen. Seine moralische Fehlbarkeit mal beiseite, schon rein technisch gibt es Probleme: Körperlich anstrengende Arbeiten machen ihn krank, monotone Tätigkeiten reduzieren seine Konzentration und erhöhen die Fehlerquote. Und mit zunehmendem Alter sinkt oft die Gesamtproduktivität. Einem Roboter passiert so etwas nicht.
Auf der anderen Seite: Automatisierung, so ist das heute noch, lohnt sich erst ab höheren zu produzierenden Stückzahlen. Deshalb legen selbst in Hightech-Betrieben immer noch Menschen Hand an. Schauen Sie mal in mittelständische Industriebetriebe. Sogar in Elektronik-Unternehmen werden Sie noch viele Handarbeitsplätze entdecken.
Das hat nicht nur Kostengründe. Kleine Losgrößen, wechselnde Auftragslage, kundenindividuelle Produktvarianten und spontane Änderungen im Produktionsablauf – der Mensch, seine Flexibilität, seine Spontaneität und sein Problemlösungsvermögen werden in den meisten Betrieben dringend benötigt. Die „Umrüstzeit“ eines erfahrenen Werkers auf ein anderes Produkt beträgt nur Sekunden, im Notfall kann er den fehlenden Hammer mit einer Zange oder einem Stein ersetzen. Er kann im Gegensatz zu Maschinen eigenständig Situationen bewerten, autark abwägen und Entscheidungen treffen. Toll. Wären da nicht seine Schwächen, siehe oben.
Was liegt also näher, als die Stärken von Mensch und Roboter zu kombinieren? Echte Cyborgs, technisch-biologische Mischlinge, sind technisch noch nicht ganz machbar und wecken unabhängig davon eher ungute Assoziationen – denken Sie an Frankenstein oder die Borg aus Star Trek. Und auch die in Japan immer wieder zu sehenden Exoskelette findet nicht jeder sympathisch. Wer will schon eine Mischung aus Terminator und Ritter Kunibert durch seine Werkhalle laufen sehen?
Also ist derzeit die Kollaboration das Mittel der Wahl. Dem Menschen wird ein williges und fähiges Helferlein an die Seite gestellt, das all die monotonen, schweren und lästigen Routineaufgaben übernimmt. Rasenmäher- und Staubsaugroboter sind erste Vorboten, autonom agierende fahrerlose Transportsysteme übernehmen bereits die Laufburschenarbeit in Betrieben. Was jetzt noch fehlt, ist der typische Handlanger an der Werkbank.
Die Cobots kommen
Da trifft es sich gut, dass seit einigen Jahren eine neue, zum Teil sogar recht preisgünstige Generation von Robotern auf den Markt drängt: Kompakte Leichtbauroboter, die auf eine direkte Zusammenarbeit mit Menschen ausgelegt sind und die klein genug sind, dass sie den Menschen, wenigstens optisch, nicht erschlagen. Die Kameraden von ABB, Fanuc, Kuka oder Yaskawa sehen sympathisch aus und sind kaum größer als ein Hund, der Männchen macht.
Gefährlich sind sie trotzdem. Dass ein Sechsachsroboter mit Armdimensionen eines Gewichthebers und hocheffizienten Getriebemotoren im Inneren den rechten Haken eines Profiboxers übertrifft, kann man sich leicht ausrechnen – auf Anhieb sehen kann man es nicht. Und genau das ist eines der Hauptrisiken: Der Cobot wird unterschätzt.
Und selbst wenn wir davonausgehen, dass der Mensch vorsichtig ist: In der schönen neuen Welt sind Kollisionen von Menschen und Robotern Szenarien, die tatsächlich und unter Umständen sogar regelmäßig vorkommen können. Szenarien, auf die sich Sicherheitstechniker einstellen müssen, bei denen sich der Mensch also nicht verletzen darf.(Eine Anmerkung am Rande: Vielleicht werden es uns die Maschinen künftig einmal übel nehmen, dass nie klar formuliert wurde, dass bei derartigen Kollisionen auch der Roboter keinen Schaden nehmen sollte. Der Form halber erwähne ich es hiermit explizit!)
Nachdem der eine oder andere Rempler sich im Betrieb kaum vermeiden lassen dürfte, bleibt die Frage, ab wann ein Mensch eigentlich verletzt ist? Wieviel Schmerz ist erträglich? Für solche Fragen gibt es mittlerweile Normen. Die ISO/TS 15066 zum Beispiel bietet ein Körperzonenmodell, in dem für jedes relevante Körperteil Schmerzgrenzwerte aufgeführt sind, die vorher an Probanden getestet wurden. Allerdings: Je nach Applikation (spitzes Werkstück, schafkantiges Werkzeug, für den Prozess notwendige hohe Geschwindigkeit) kann es trotz modernster Sensorik und schnellen Safety-Algorithmen schwierig werden, Mensch und Maschine zusammenzubekommen. Es gibt schlichtweg keine sicheren Roboter, sondern nur sichere Roboter-Anwendungen.
Auf der anderen Seite: Es gibt auch keine per se sicheren Menschen. Es kommt eben auf die Erziehung an... Und um nochmal auf den Menschen und seine Schwächen zu sprechen zu kommen: Was ist, wenn ein Mensch sich absichtlich gegen den Roboter wirft, um zu sagen „er war’s“? Vielleicht um eine Schadensersatzforderung zu stellen? Böse Menschen soll‘s ja auch geben. Der Roboter kann zu seiner Verteidigung meist wenig sagen. Mit ein wenig künstlicher Intelligenz könnte er sich aber mit dem einen oder anderen Rempler rächen...
Vielleicht müssen wir die Betriebsräte überzeugen, dass in solchen Bereichen doch Überwachungskameras installiert werden, analog zu den Black Boxes in Flugzeugen, die auch nicht generell ausgelesen werden, sondern nur im Falle eines Falles. Vielleicht müssen wir den Cobots aber auch nur beibringen, kompetent über die Bundesliga zu fachsimpeln. Unter Freunden verzeiht man schließlich auch mal einen kräftigeren Ellebogen-Knuff, oder?