Kullen - Bürsten in der Robotik

Uli Vollmer mit einer Bürste an einem Fanuc-Roboter. (Bild: Kullen)

Herr Vollmer, welchen Stellenwert hat das Thema Bürsten in der Robotik für Kullen?

Das Thema ist brandaktuell und immer mehr im Kommen. Bis vor 15 Jahren war das noch gar kein Thema bei uns. Damals wurden sehr viele Bürstenprozesse noch manuell durchgeführt. Im Laufe der Zeit hat man dann eben festgestellt, dass es deutlich prozesssicherer und günstiger ist, wenn die Bauteile montagefertig aus den Produktionsanlagen kommen. Dafür gibt es heute ganze Entgrat- oder Reinigungszellen, in denen Bauteile mit Bürsten gereinigt oder entgratet werden. Das Entgraten von Bauteilen nach einem Fräs-, Dreh- oder Bohrprozess ist notwendig, um Beschädigungen am Endprodukt durch lose werdende Grate und Späne zu vermeiden. Hierbei spielt auch die Arbeitssicherheit eine gewisse Rolle. So kam es mitunter früher beim händischen oder manuellen Entgraten häufig zu Schnittverletzungen durch scharfe Kanten an Bauteilen. Mit der Robotik kann das nicht mehr passieren, weil eben kein Mitarbeiter die Bauteile berühren muss.

Kullen - Bürsten in der Robotik.
Tellerbürsten von Kullen lassen sich laut Vollmer ganz genau auf Kundenwünsche abstimmen. (Bild: Kullen)

Welche speziellen Eigenschaften müssen Industriebürsten für die Robotik mitbringen?

Die Bürstwerkzeuge müssen eine sehr lange Standzeit haben, soll heißen: Die Charakteristik der Bürste, also ihre Wirkung sollte sich im Laufe der Zeit nicht verändern.

Das bedeutet, sie müssen sehr robust sein, ja?

Genau.

Was bedeutet das denn für die Materialien dieser Bürsten?

In der Robotik kommen sehr häufig abrasive Bürsten mit unterschiedlichen Kornarten zum Einsatz. Hierbei handelt es sich vor allem um Polyamid-Filamente mit eingebetteten Schleifkörnern. Die Kornarten der Borsten reichen von Aluminiumoxyd, das sehr weich ist, bis hin zu Diamant. Sehr häufig kommt Siliziumcarbid zum Einsatz.

Und warum ausgerechnet diese Materialien?

Diese Abrasivborsten haben am Bauteil eine schleifende Wirkung. Soll heißen: Die Kanten lassen sich damit sehr definiert verrunden, was ich mit Stahldrahtbürsten so nicht schaffe, weil wir dort eine schlagende Wirkung haben und immer eine gewisse Einkerbung des Drahtes an der Kante sehen. Trotzdem kommen natürlich auch häufig noch Drahtbürsten zum Einsatz, weil es eben Werkstoffe gibt, die mit Abrasivbürsten nicht zu bearbeiten sind. Das hängt auch mit der Gratgröße zusammen. Ab einer gewissen Gratgröße brauche ich eine Drahtbürste, da komme ich mit der Schleifborste nicht mehr hin.

Wie sieht es denn speziell bei Kullen aus – hat Kullen ein spezielles Robotikbürstenprogramm?

Das ist immer kundenabhängig. Das heißt, wir stellen zwar keine Bürsten her, die speziell für die Robotik produziert werden, aber wenn der Kunde uns die Informationen gibt, welche Geometrien er vorliegen oder welche Maschinen er zur Verfügung hat, stellen wir die Bürste kundenspezifisch her. Also es kann durchaus sein, dass ein und dieselbe Bürste in der Robotik, in konventionellen Maschinen, in manuellen Entgratwerkzeugmaschinen oder Handmaschinen im Einsatz ist.

Apropos, kommen Maschinenbauer hierzu schon früh in der Entwicklung auf Sie zu oder reden wir bei diesen Bürsten von Aufsatzwerkzeugen?

Wir arbeiten sehr häufig bereits in der Entwicklungsphase mit Anlagenbauern zusammen. Das heißt, wir kennen das Bauteil oder wir stimmen uns dann mit dem Maschinenbauer ab, welche Bürste geeignet ist. Hier spielen dann Faktoren wie Antriebsleistungen, Drehzahlen, die Art der Lagerung oder die Anstellung der Bürste eine Rolle.

Können Sie das näher skizzieren? Inwiefern wirken sich diese Faktoren aus?

Die Bürstenauswahl ist abhängig vom Bauteil. So stellt sich zum Beispiel die Frage: Wie viele Bürsten brauche ich überhaupt, um das Bauteil komplett zu entgraten? Oder: Welche Kanten am Bauteil müssen überhaupt entgratet werden? Und: Wie kann die Bürste angestellt werden? Kann ich mit einer Planbearbeitung arbeiten, oder brauche ich eine Umfangbearbeitung? Und auch die vorgegebene Taktzeit vom Hersteller spielt eine große Rolle und nach Klärung dieser Punkte wird die Bürste in Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauer ausgelegt.

Mit welchen Anfragen kommen Maschinenbauer gezielt auf Sie zu?

Im Normalfall bekommen wir Zeichnungen vom Bauteil, die der Endkunde dem Maschinenbauer zur Verfügung stellt. Anhand der Zeichnung und in Absprache mit dem Maschinenbauer oder dem Endkunden legen wir dann die Bürsten aus. Hierzu führen wir intern Vorversuche durch, um wirklich die optimale Bürste für den Kunden auszulegen. In unserem hauseigenen Versuchscenter haben wir hierzu konventionelle Maschinen, Bearbeitungszentren, Fräsmaschinen und Drehmaschinen. Wir können Fliehkrafttests und Lifetimetests durchführen, wo wir die Standzeit der Bürste, der späteren Realität beim Kunden entsprechend, testen.

Ok, dann kommen wir vielleicht mal bisschen zu Ihren aktuellen Produkten. Gibt es da ein Produkt, das Sie momentan in diesem Kontext hervorheben möchten und was kann dieses Produkt?

Also da möchten wir auf jeden Fall unsere gegossenen Tellerbürsten hervorheben. Das ist ein relativ neues Produkt am Markt. Bei dieser Art von Bürste werden die Borsten durch ein Gießverfahren in den Grundkörper eingebracht. Das bringt den Vorteil, dass die Borsten sehr dicht aneinander gereiht werden und wir so eine sehr hohe Abtragleistung erzielen können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Bürsten ganz genau auf Kundenwünsche abgestimmt werden können, was bei anderen Verfahren teilweise nicht möglich ist, weil wir da auf Komponenten zurückgreifen müssen, die wir nicht ändern können. Das kann ich bei der gegossenen Tellerbürste wunderbar machen.

Herr Vollmer, vielen Dank.

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