Herr Dr. Hennemann, welche Rolle spielt die Kameratechnik in einer Robot-Vision-Anwendung?
Roboter sind in erster Linie blinde Befehlsempfänger, die vorgegebenen und fest definierten Bahnen folgen. Bevor sie zu autonom arbeitenden Mitarbeitern werden, müssen sie ihre Umgebung adaptiv erfassen und auf jede Situation reagieren können. Um selbständig auf unterschiedliche Gegebenheiten reagieren zu können, unterstützt 3D-Kameratechnik die Roboter bei der Umgebunganalyse. Je nach Anwendung und Größe der zu greifenden Teile müssen eventuell mehrere 3D-Kameras verwendet werden, um ein ausreichend großes Sichtfeld oder eine Rundumerfassung von Objekten bieten zu können. Die adaptive Robotersteuerung Mikado ARC ermöglicht neben statischen Umgebungskameras auch den mobilen Betrieb einer 3D-Kamera direkt am Roboterarm. Das ermöglicht eine detailliertere Inspektion von Objekten und Umgebung aus mehreren Blickwinkeln und steigert die Qualität der Roboterarbeit. Wo 3D-Kameras in Grenzbereichen Schwierigkeiten aufweisen Objekte zu identifizieren, unterstützen 2D-Kameras durch Kantendetektion, Farberkennung oder Messaufgaben. Desweiteren ist durch 2D-Kameras auch ein Erfassen zusätzlicher Informationen, wie Inhalte von Barcodes möglich. Die Kombination beider Technologien verbessert die Analyse aller notwendigen Objekteigenschaften, was auch für die Früherkennung von Fehlern wichtig sein kann.
„Adaptive Systeme und der Einsatz von Kamera- und Auswertetechnik sind für eine Null-Fehler-Produktion unabdingbar.“
Dr. Martin Hennemann, Produktmanager 3D-Kameratechnik und Robotik, IDS Imaging Development Systems
Was muss ein Robot-Vision-System heute und künftig leisten und welche Vorteile sehen Sie darin?
Ein Robotik-Vision-System sollte Automatisierern eine hohe Varianz von Werkstücken bei gleichzeitig kurzen Rüstzeiten ermöglichen. Beispielsweise sollte es möglich sein, dieses schnell und einfach auf wechselnde Situationen anzupassen. Wenn sich Teilewechsel vom Maschinenbediener ohne Programmieraufwand in wenigen Minuten selbst vornehmen lassen, spart dies Zeit und Kosten und bringt Flexibilität. So ist zum Beispiel das Fachwissen über Kommunikation und Steuerung unterschiedlicher Robotersysteme in der adaptiven Robotersteuerung Mikado ARC bereits integriert. Über vereinfacht abgebildete Kommandos wird die Roboter-Hardware abstrahiert, was weitere Vorteile mit sich bringt. Prozessabläufe sind dadurch ohne Anpassungen mit jedem Roboter ausführbar. Um Kollisionen bei den Roboterfahrten und eine 100-prozentige Reproduzierbarkeit der Robotergriffe sicher zu stellen, plant die Steuerung automatisch jeden Roboterarm-Fahrweg mit inverser Kinematik und verfügt zusätzlich über eine Lagenachführung der Greifpositionen.
Die Inbetriebnahme einer Robot-Vision-Anwendung ist komplex und zeitaufwändig. IDS verspricht dem Anwender “It‘s so easy”. Was ist darunter zu verstehen?
Unsere adaptive Robotersteuerung setzt direkt bei den Anforderungen und Aufgaben des Systemintegrators und des Maschinenbedieners an. Der Umgang mit der Steuerung ist selbst für Anfänger ohne Vorkenntnisse erlernbar. Die Roboterzelle, die Greiferausführung und weitere Basisparameter werden mittels standardisierter Roboter-Beschreibungsdateien modelliert. So können Positionen und Dimensionen von Komponenten oder deren mögliche Bewegungen und Transformationen bis ins Detail beschrieben werden, ohne dabei die grundlegende Kommunikation und Programmierung des verwendeten Roboters kennen zu müssen. Grundlagen und Basiswissen, wie die Verarbeitung und Auswertung von Bildmaterial, erledigt die Robotersteuerung im Hintergrund. Anwender müssen dazu keine Bildverarbeitungsexperten sein. Aufwändiges Programmieren ist nicht notwendig.
Für welche Anwendungen eignet sich die Lösung?
Die adaptive Robotersteuerung ist für das sogenannte Bin Picking, also den Griff in die Kiste, geeignet und für Depalettierung sowie ein lagerichtiges Übergeben von Teilen an Folgemaschinen, Magazine oder sonstige Aufnahmen. Durch die einfache Handhabung bei der Einrichtung, im Betrieb und bei Umrüstungen lassen sich auch Arbeitsschritte im Prototypenbau oder in Kleinserien automatisieren. Aber auch optimierte Prozessabläufe mit minimalen Taktzeiten von circa vier Sekunden sind realisierbar. Zudem helfen die integrierten Simulationswerkzeuge Arbeitsschritte zu optimieren, noch bevor Zeit und Geld in Prototypen investiert werden muss. Mithilfe der integrierten Physik-Engine lassen sich realitätsnahe Situationen von Bin-Picking-Szenarien beliebig oft und reproduzierbar simulieren. Dadurch genügen beispielsweise für Testläufe mit neuen Greifertypen die CAD-Daten, um Vorhersagen über Taktzeiten und den erreichbaren Entleerungsgrad der Boxen machen zu können. Die Robot-Vision-Komplettlösung ist auch für die Planung, Entwicklung und Wartung geeignet. Mit einer direkten Anbindung an die Maschinensteuerungen mittels Protokollen wie Profinet oder OPC-UA ist die Lösung schon jetzt für Industrie 4.0 gerüstet.
Ist das Ziel der Null-Fehler-Produktion mit solchen Robot-Vision-Systemen in greifbarer Nähe?
Eine perfekte Produktion ohne Nacharbeit und Mängel ist eine Idealvorstellung, die sich auch mit hohen Kosten und modernster Technologie nicht realisieren lässt. Viele Fehler basieren auf unvorhersehbaren Situationen oder Anomalien. Die Herausforderung ist, diese frühzeitig zu erkennen und Folgefehler zu vermeiden, um Produktionsunterbrechungen entgegenzuwirken. Adaptive Systeme wie Mikado ARC und der Einsatz von Kamera- und Auswertetechnik ist für alle unabdingbar, die dem Ziel der Null-Fehler-Produktion einen großen Schritt näher kommen wollen. hw
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