In einer Welt, in der Maschinen untereinander und mit den Kunden vernetzt sind, ändert sich die Verkabelung grundsätzlich – so kann ein Netzwerkstecker in der Industrie-4.0-Welt direkt in der Maschine enden. Dafür müssen die Stecker nicht nur klein sein und hohe Datenraten garantieren, sondern auch strapazierfähiger und zudem besser gegen elektromagnetische Effekte geschützt werden. Sie existieren etwa in der Umgebung von Motoren oder Starkstromkabeln.
Ein Trend ist klar: Zukünftig werden vermehrt Steckertypen nachgefragt, welche die Anforderungen der Bürowelt nach hoher Datenübertragungsrate erfüllen und gleichzeitig die ruppigen Einsatzbedingungen der Industrie überstehen. Das ist schon seit den 80er Jahren zu beobachten, als sich mit der Dezentralisierung die Steuerungselektronik aus dem Schaltschrank in die Motoren und Sensoren verlagerte. Die Bustechnik löste dabei zunehmend die Parallelverdrahtung ab und reduzierte zunächst sogar den Bedarf an Leitungen und Steckverbindern. Gleichzeitig ermöglichte diese Technik Anwendungen, die zuvor unwirtschaftlich waren. Außerdem entwickelte sich das Ethernet rasant. Neben den klassischen Anwendungen Energie und Signale kam so die Datenübertragung ins Anlagenfeld. Letztere unterscheidet sich von der Signalübertragung durch sehr große Datenmengen, zum Beispiel für Visualisierungen, und Standards aus der IT-Welt, die eine direkte Verknüpfung mit ERP-Systemen ermöglichen.
Einer für alle: Hybrid-Steckverbinder
Die Versorgung mit jeweils eigenen Energie-, Signal- und Datenleitungen ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Deshalb haben viele Hersteller Kombiprodukte im Portfolio. So lassen sich mit einem Stecker alle Verbindungen zu einer Maschine herstellen. Dabei müssen diese Komponenten widersprüchliche Anforderungen erfüllen.
Normalerweise würde man so „unverträgliche“ Systeme wie die störungsintensive Energiezufuhr eines Frequenzumrichters und ein Netzwerkkabel möglichst weit entfernt voneinander verlegen. Im Hybrid-Steckverbinder müssen sie sich einen immer knapper werdenden Platz teilen, denn die Kunden fordern Miniaturisierung. Wie das geht zeigt zum Beispiel der Hybrid-Steckverbinder M23 von Phoenix Contact. Ob es sich nun um einfache Drehstrom-Versorgung mit Signal und Daten bei 630 VAC handelt, oder um eine Gleichspannungs-Versorgung bis 850 VDC für dezentrale Servo-Antriebe – mit Aderquerschnitten bis vier Quadratmillimetern bietet der Steckverbinder ausreichend Reserve. Für Signale stehen vier Kontakte mit einem Aderquerschnitt bis ein Quadratmillimeter zur Verfügung. Ein besonderes Merkmal dieses Produkts ist ein Cat5-Element, mit dem nahezu alle gängigen Bussysteme sowie kundenspezifische Datenschnittstellen verkabelt werden.
Gerhard Liewer, Produkt Marketing Manager bei Phoenix Contact, verdeutlicht die Vorzüge: „Der integrierte Datenstecker ist als Sternvierer mit 0,8-Millimeter-Kontakten ausgeführt. Diese sind gegenüber 0,6-Millimeter-Kontakten nicht nur deutlich robuster, sie erlauben zudem eine einfache und sichere Konfektionierung. Bei Anwendungen, die keine geschirmte Datenschnittstelle erfordern, kann das Daten-Element durch ein vier-poliges ungeschirmtes Signal-Element ersetzt werden.”
Datenübertragung ohne Kupfer
Die hohen Datenübertragungsraten, die im vorigen Abschnitt bereits angesprochen wurden, treiben manchen Planer zur Verzweiflung. Ist das Umfeld zu störintensiv, genügt der kleinste Fehler in der Schirmung und das IT-Netz bricht zusammen. Eine elegante Lösung sind Lichtwellenleiter. Gerade hier bieten sich natürlich Hybrid-Stecker an, da selbst eine Hochleistungs-Anwendung voller Störsignale den Datenverkehr per Photonenstrom weder galvanisch noch elektromagnetisch beeinflussen kann.
Fischer Connectors hat für Hybrid-Anwendungen im Frühjahr 2014 einen besonders kompakten Steckverbinder auf den Markt gebracht, das Modell FOH 2-2. Dazu Martin Wimmers, Geschäftsführer der Unternehmensteile in Deutschland: „Die Hauptanwendungen für unsere Produkte sind Medizin, Industrie sowie Sicherheit und Verteidigung. Entsprechend hoch sind die Qualitätsansprüche. So genügt der Eindringschutz der Schutzklasse IP68 gesteckt, beziehungsweise IP67 ungesteckt. Außerdem erfüllt unser Produkt die IEC-Norm 61753-1 Kat. E für extreme Umgebungsbedingungen.”
Auch U.I. Lapp bietet unter der Marke Hitronic LWL-Verkabelungssysteme für POF-, PCF- und Glasfaserleitungen an. Als logische Konsequenz entwickelt Lapp auch entsprechende Steckverbinder. Mit dem Epic Stecksystem hat Lapp auch eine hybride Lösung im Portfolio. Produktmanager Joachim Strobel beschreibt den Trend: „Im Maschinenbau wird aktuell noch meist eine reine LWL-Steckverbindung als Duplex-Variante für eine bidirektionale Datenübertragung eingesetzt. Das Interesse an kundenspezifischen Kombi-Steckern für LWL und elektrische Übertragung nimmt jedoch zu. Der Anschluss mit nur einem Stecker spart Platz und erhöht die Packungsdichte.” Doch je mehr Möglichkeiten ein hybrides System bietet, desto mehr stellt sich die Frage nach Konfektionierung und Lagerhaltung.
Konfektionierung versus Vor-Ort-Montage
Bei der Montage ist sich die Branche einig: Vor Ort wird nur noch montiert, wenn es nicht anders geht. Die Einkäufer möchten am liebsten Komplettlösungen via „One-Stop Shop“, das heißt den Bezug von einem Hersteller, wie Mariana Maglione, Head of Product Management bei Multi-Contact, bestätigt: „Mit der fertig konfektionierten Übertragungsstrecke aus Kabel und Steckverbinder sparen die Kunden Zeit. Damit kann eine kundenspezifische Entwicklung unter Umständen wirtschaftlicher sein, als ein Standard-Einzelteil.“
Gerhard Liewer von Phoenix Contact bestätigt: „Viele Anlagen- und Maschinenbauer scheuen den Aufwand für Fachpersonal, Spezialwerkzeuge und Prüfprozeduren. Darüber hinaus entscheiden sich immer mehr Anwender für kunststoffumspritzte Steckverbinder. Diese genügen den Anforderungen an verschärfte Umgebungsbedingungen sowie der Nicht-Manipulierbarkeit.”
Die Kunden von Lapp verlangen mit Blick auf möglichst schlanke Produktionsprozesse ebenfalls immer häufiger komplette, vorkonfektionierte Verkabelungssysteme. So werden Fehlerquellen reduziert und die Installationszeiten gesenkt. Produktmanager Strobel schränkt jedoch ein: „Bei einigen Anwendungen muss die Montage vor Ort erfolgen. Hier kommen häufig unsere Epic Rechteckstecker zum Einsatz, die im Innenbereich genügend Stauraum bieten und einfach ohne Spezialwerkzeug zu montieren sind.”
Fischer Connectors ist bemüht, den Kunden alle Freiheiten zu lassen. Wimmers erklärt: „Wenn ein Steckverbinder, mit oder ohne Kabelkonfektion, unser Werk verlässt, wird der Kunde in der Lage sein, das Produkt selbst zu integrieren. Wir unterstützen ihn hierbei mit entsprechenden technischen Dokumenten und Anleitungen.“
Plagiate: Fünf Cent gespart – Risiko maximiert
Ein typisches Beispiel ist die Schweizer Nobeluhr zum Schnäppchenpreis, garantiert billig und garantiert gefälscht. Doch nicht immer sind die Verhältnisse so klar, denn einige Nachahmer greifen zu einem Trick. Mariana Maglione von Multi-Contact beschreibt das Phänomen: „Oft bewerben Firmen ihre Produkte als ‚steckkompatibel‘ mit besonders beliebten oder bewährten Produkten anderer Hersteller. Eine Kompatibilität mag dann zwar mechanisch gegeben sein, auf der technischen Ebene liegen die Fakten jedoch anders. Die Hersteller verwenden jeweils unterschiedliche Materialien mit verschiedenen elektrischen Eigenschaften; das kann beim Kreuzverbau katastrophale Konsequenzen haben.“ Zu hohe Belastung bei der Stromübertragung, Erwärmung und die Gefährdung der Anwendersicherheit nennt man bei Multi-Contact als die größten Risiken.
Die Anwender sind sich der Gefahren oft nicht bewusst und vertrauen auf die Aussage der Hersteller in Bezug auf die vermeintliche Kompatibilität. „Tatsächlich kann jedoch niemand für die Stabilität von Kreuzverbauten garantieren. Prüfstellen wie TÜV und UL weisen in der Regel sogar explizit darauf hin, dass die jeweils getesteten Werte und die entsprechenden Zertifizierungen ausschließlich für die Verwendung von Produkten desselben Herstellers gelten“, sagt Maglione. Anderes gilt nur, wenn zwei oder mehrere Firmen sich zusammentun und ihre Produkte gemeinsam im Kreuzverbau testen und zertifizieren lassen, was jedoch höchst selten vorkommt.
Auch bei Fischer Connectors kennt man das Thema aus eigener, leidvoller Erfahrung. Wimmers spricht es offen an: „Wir wissen, dass einige Unternehmen, vor allem in Asien, Steckverbinder von branchenführenden Unternehmen kopieren und haben auch schon Plagiate unserer Produkte gefunden. Allerdings ist die Kopie nie so gut wie das Original.“ Damit benennt er auch gleich einen möglichen Schutzmechanismus. Zwar kann man sich nicht zu 100 Prozent vor Plagiaten schützen – wie auch vor jedem anderen Betrug. Aber täuschend echte Nachahmungen sind bei Steckverbindern für den Maschinenbau relativ unüblich. Anders als beispielsweise bei gefälschten Medikamenten sind die Qualitätsunterschiede bei diesen mechanischen Bauteilen meist durchaus zu erkennen. Der Anwender ist den Fälschungen nicht schutzlos ausgeliefert.
So schätzt man auch bei Lapp die Lage ein. Strobel verweist auf die typischen Fehler der Nachahmer: „Kunden, die sich mit Steckern auskennen, erkennen sehr schnell, ob ein Produkt präzise gearbeitet ist, zum Beispiel wie sauber die Gewinde geschnitten und die Bolzen montiert sind, und ob die Dichtungen einwandfrei fixiert sind.“ Eine gleichbleibend hohe Qualität ist bei den Markenherstellern selbstverständlich. Das wissen auch die Kunden. Dabei profitieren sie nicht nur von der Qualität der Produkte, sondern auch von zukünftigen Entwicklungen.
Neue Anforderungen, neue Branchen
Wie in vielen Branchen ist auch bei den Steckverbindern die Technik ständig im Wandel, einerseits getrieben von Kundenanforderungen, aber andererseits auch von der Innovationskraft der Hersteller. So hat zum Beispiel Multi-Contact die Idee des Hybridsteckers weiterentwickelt, sowohl was die Medien als auch das Engineering betrifft: Mit dem modularen, kundenspezifisch konfigurierbaren Steckverbindersystem CombiTac lassen sich nicht nur Module für Signale und Daten, Leistung bis 300 A, Hochspannung bis 5 kV, Lichtwellenleiter und Thermoelemente vereinen. Multi-Contact geht noch einen Schritt weiter und erlaubt es, sogar Druckluft und Flüssigkeiten mit den elektrischen und Lichtsignalen zu kombinieren.
Mit dem eigens entwickelten Online-Konfigurator hat der Kunde zudem die Möglichkeit, seine individuelle Konfiguration zusammenzustellen und direkt in Auftrag zu geben. Generell sieht man bei Multi-Contact den Trend zu höherer Leistung. Mariana Maglione erwähnt hier Anfragen nach einer wachsenden Anzahl von Steckzyklen bis zu einer Million, beispielsweise für automatische Prüfstrassen in der Automobil- oder Elektronikindustrie. Im Maschinenbau und in der Robotertechnik sind zunehmend größere Temperaturbereiche und höhere Datenmengen gefragt.
Auch Joachim Strobel von Lapp hebt die Robotik hervor: „Unsere Kunden im Robotikbereich benötigen immer speziellere, auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnittene Kabel mit dem dazu passenden Steckverbinder – und das bei engsten Platzverhältnissen. Hier kommt das modulare System mit Spezialkabeln zum Einsatz oder auch Rundstecker, die einen kleinen Bauraum aufweisen.“
Gerhard Liewer von Phoenix berichtet von einer anderen Anwendung: „Die Hersteller moderner Servomotoren und der dazugehörigen Steuerungstechnik setzen verstärkt auf die ‚Einkabellösung‘. Dabei entfällt der klassische Feedback-Stecker. Um die Geberdaten dennoch geschirmt zur Steuerung zu führen, bietet sich hier unser M23-Hybridsteckverbinder mit einer geschirmten Daten-Schnittstelle an.“ Der Hybrid-Steckverbinder M23 wurde auf Kundenanfrage entwickelt. Inzwischen ist er in vielen Anwendungen etabliert: Tablet-IPCs für Robotersteuerungen, Montage-Automaten mit Datenarchivierung oder dezentrale Frequenzumformer.
Autor Martin Witzsch, freier Journalist für ke NEXT