Durch die Industrie 4.0. werden Produktionsabläufe immer vernetzter. Die Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit sind vielfältig. Ein Beispiel: Ein Unternehmen plant, eine bestehende Fertigungsstrecke durch einen Fertigungsschritt zu ergänzen. Eine zusätzliche Maschine soll zum Einsatz kommen, die aber nur bei einem bestimmten Produkttyp benötigt wird. Außerdem ist vorgesehen, ein Kamerasystem anzubringen, das den korrekten Sitz der Anbauteile feststellt und die unterschiedlichen Produkttypen automatisch erkennt. Um diese Änderungen integrieren zu können, muss der Schutzzaun vor dem Senkrecht-Förderer entfernt werden. In diesem Bereich entstehen neue Gefahrenstellen.
„Für hohe und niedrige Risiken liefert die EN ISO 13857 jeweils eine Tabelle, die es ermöglicht, die Höhe der trennenden Schutzeinrichtung zu bestimmen.“
Jörg Handwerk, Geschäftsführer von CE-Con
Diese werden durch das Gestell des Kamerasystems und das Fördersystem verursacht. Der Anlagenbetreiber muss das Sicherheitskonzept entsprechend der Arbeits- und Gesundheitsschutzanforderungen an die Veränderungen anpassen. Zum einen erhöht sich das Risiko bei bestehenden Gefährdungen (Senkrecht-Förderer). Zum anderen kommen neue Gefährdungen hinzu (Scherstelle Kamerasystem). Früher hatte man die Gefahrenbereiche mithilfe von Zäunen gesichert. Im Industrie-4.0-Zeitalter ist dies so nicht mehr möglich, da Mensch, Maschine und Logistiksysteme interagieren müssen.
Eine Gefährdungsbeurteilung durchführen
Erfahrungsgemäß können die zur Herstellung benötigten Fertigungsmaschinen oft nicht getauscht werden. Entsprechend muss das bestehende Schutzkonzept angepasst werden, um eine Mensch-Maschine-Interaktion zu ermöglichen. So entstehen neue Risiken oder die Risiken bei bestehenden Gefahrenstellen werden erhöht. Bei solchen Umbauten ist darauf zu achten, dass die Mitarbeiter keinen Gefahren im Umgang mit der Maschine ausgesetzt werden. Innerhalb der Betriebssicherheitsverordnung besteht die Verpflichtung, dass die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig oder anlassbezogen an jedem Arbeitsplatz durchgeführt werden muss. Hierbei ist immer der aktuelle Stand der Sicherheitstechnik zu berücksichtigen. Mit der Gefährdungsbeurteilung soll bereits vor der Auswahl und der Beschaffung der Arbeitsmittel begonnen werden. Dabei ist vor allem die Eignung des Arbeitsmittels für die geplante Verwendung, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation zu berücksichtigen. Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung am Arbeitsmittel entbindet übrigens nicht von der Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung entbindet.
Konsequenzen der Veränderungen
Bei Umbauten oder Modernisierungen ist der Betreiber verpflichtet, zu überprüfen, ob es sich bei Veränderungen um eine „wesentliche Veränderung von Maschinen“ handelt. Stellt sich während der Überprüfung heraus, dass dies der Fall ist, so wird er zum Hersteller und die veränderte Maschine wie eine neu in Verkehr gebrachte Maschine angesehen. Das gesamte Konformitätsbewertungsverfahren muss neu durchlaufen werden. Beim oben aufgeführten Beispiel heißt das: Aus der Betriebssicherheitsverordnung ergibt sich die Anforderung zur Überprüfung, ob es sich bei den Änderungen – zusätzliche Maschine, Kamerasystem – um „wesentliche Veränderungen“ handelt. Es muss geklärt werden, ob sich neue Gefährdungen durch einfache Schutzeinrichtungen hinreichend minimieren lassen. Ob das möglich ist, entscheidet sich beim Erstellen einer Risikobeurteilung.
Häufig kommt es im Zuge einer innerbetrieblichen Optimierung zur kompletten Neustrukturierung ganzer Fertigungshallen. Es entstehen Produktionslinien, in denen Bestandsmaschinen und neue Maschinen miteinander verbunden werden, um einen wertschöpfungsorientierten Produktionsprozess zu verwirklichen. Auch in diesem Fall ist eine Risikobeurteilung durchzuführen, die aufzeigt, welche Art von Schutzeinrichtungen vorhandene Gefährdungen, die durch das Verbinden der Maschinen entstanden sind, minimieren können. Greifen nach einem Umbau bestehende Sicherheitskonzepte nicht mehr, die innerhalb der Konformitätsbewertung der Maschinenhersteller ausgearbeitet wurden, ist eine komplette Neubewertung entsprechend den Anforderungen aus dem Anhang I der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG unerlässlich. Dazu gehört auch das Erstellen aller hierfür notwendigen Dokumente.
Im aufgeführten Beispiel könnte das Sicherheitskonzept so aussehen: Durch einen Sicherheitslaserscanner wird der Bereich auf dem Boden vor der eigentlichen Gefährdung überwacht. Durch Verletzung des Schutzfeldes wird die komplette Fertigungsstrecke sicherheitsgerichtet still gesetzt, sodass keine Gefahr bringende Bewegung der Maschine mehr vorhanden ist. Um ein anwendungsgerechtes Sicherheitskonzept zu entwickeln, reicht es nicht aus, nur die vorhandenen Gefährdungen zu analysieren und nacheinander zu beheben. Es ist notwendig, Schutzkonzepte zu erarbeiten, die keinen negativen Einfluss auf die Produktion haben. Denn sonst besteht immer die Gefahr, dass vorhandene Sicherheitseinrichtungen umgangen werden, wenn dadurch die Maschinenbedienung zu umständlich wird. aru
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