Kommt man dem CR-35iA zu nah, reagiert er ein wenig reserviert. Er erstarrt, sobald er berührt wird. Bereits eine Berührung mit 30 Newton reicht aus, um ihn zum Anhalten zu bewegen. Bringt man 150 Newton auf, schaltet er sich automatisch in den Notaus. So präsentiert sich der irgendwie freundlich wirkende Industrieroboter auf der Hannover Messe 2015 am Stand von Fanuc. Das Unternehmen ist das erste Mal seit 11 Jahren wieder auf der Industriemesse vertreten und präsentiert den CR-35iA in grün, einer Farbe, die es Menschen Forschungen zufolge leichter macht, auf den Roboter zuzugehen. Und tatsächlich: am Stand des Roboterherstellers scheinen die Besucher keinerlei Berührungsangst zu haben.
Auf der Hannover Messe 2015 wird der kollaborative Roboter zum ersten Mal einen ausgestellt – gleichzeitig mit einer Vorstellung im japanischen Stammwerk. Der Roboter trägt die Typenbezeichnung CR-35iA. Mit 35 Kilogramm Traglast sprengt er die bisher geltenden Grenzen. Wo allgemein bei fünf bis zehn Kilogramm Schluss ist, geht der Roboterhersteller einige Schritte weiter. Hier soll allerdings zunächst Schluss sein. Kollaborative Roboter sind nicht länger gleichzusetzen mit Leichtbaurobotern. Bei einer Traglast von 35 kg kann der CR-35iA für ernsthafte industrielle Prozesse in der Produktion eingesetzt werden. Von den beiden ersten Robotern, die von Fanuc nach Deutschland kommen, geht ein Modell direkt in eine Testapplikation zu einem Automobilhersteller. Hier wird er direkt in einer realen Anwendung einen sogenannten roten Arbeitsplatz ersetzen, einen Arbeitsplatz also, der für den Mitarbeiter eine starke körperliche Belastung darstellt.
Dabei ist der Roboter mit 35 Kilogramm Traglast eine echte Erleichterung. Und wie in den Anfängen der Roboterpopulation geht es wieder darum, dem Roboter die schweren und ungeliebten Arbeiten zu überlassen. Anstrengende Routinetätigkeiten sowie Arbeitsplätze mit ungünstigen ergonomischen Bedingungen, werden sein bevorzugtes Einsatzgebiet sein. Nur arbeitet der Roboter nicht mehr hinter einem Schutzzaun. Ergänzend kann der Mensch seine kognitiven, sensorischen Fähigkeiten einbringen – und beide erledigen ihren Job in kongenialer Weise. Teamarbeit ist das Stichwort, der Mensch soll schließlich nicht kategorisch aus der Produktionshalle verbannt werden.
Alle bereits bisher zu den Robotern des Unternehmens gehörenden Sicherheitsfunktionen bleiben erhalten. Generell handelt es sich bei dem kollaborativen Roboter um einen Fanuc-Roboter im neuen Gewand. Unter seinem grünen Soft Cover steckt sozusagen ein gelber Fanuc.
Im Arbeitsbereich des Roboters können Zonen mit unterschiedlich ausgeprägten Sicherheitszonen definiert und aktiv genutzt werden (DCS). Der Roboter behält seine volle Funktionalität. Der Mensch behält seine volle Einflussmöglichkeit. Die Möglichkeit viele Standardoptionen im Bereich der Soft- und Hardware der konventionellen Roboter nutzen zu können, eröffnet völlig neue Dimensionen. So ist z.B. der Einsatz von iRVision, dem integrierten Kamerasystem, problemlos im 2D/3D- Bereich möglich. Oder die Verwendung der Simulationssoftware Roboguide mit der Reichweiten oder Machbarkeitsstudien durchgeführt werden können, sind mit dem CR-35iA weiterhin möglich.
Die Programmierung basiert ebenfalls auf der Standardoberfläche, so dass keine komplette Umschulung der Betreiber nötig ist. Generell sind zwei Szenarien das ideale Einsatzfeld des CR-35iA. Bei maximaler Sicherheit kann der Roboter eigenständig und unabhängig direkt neben einem menschlichen Arbeitsplatz arbeiten. Und auch das soll nicht unerwähnt bleiben:
auch zwei Roboterarbeitsplätze können noch enger als bisher zusammengerückt werden. Entwickelt wurden kollaborative Roboter wie der CR-35iA für die direkte Zusammenarbeit mit Menschen. Der Roboter übernimmt am gemeinsamen Arbeitsplatz beispielsweise das Heben und Halten schwerer Werkstücke oder von Modulen. Ebenso ist eine Kooperation an einem gemeinsamen Montageplatz möglich.
Neue Einsatzbereiche erwartet
Getestet hat FANUC die Eigenschaften eines kollaborativen Roboters bereits an einer Version mit drei Kilogramm Traglast. Diese Versionen waren auf der Jimtof in Japan und auf der IMTS in Chicago gezeigt worden. Als entscheidendes Kriterium gilt „Contact Stop”. Der CR-35iA erfüllt die Sicherheitsanforderungen der ISO 10218, performance level d (PL d) und wurde vom TÜV entsprechend zertifiziert. Der weiche Überzug stellt einen zusätzlichen Schutz zur Reduzierung der Berührungskräfte dar. Als zweite wichtige Funktion gilt die „Push to Escape“, bei der sich der Roboter vom Werker in jede beliebige Richtung verschieben lässt.
Wie gewissenhaft das Unternehmen den CR-35iA entwickelte, zeigt auch die Farbwahl. Untersuchungen haben gezeigt, dass der für den weichen Schutzüberzug gewählte Farbton als besonders freundlich wahrgenommen wird. So gehen Technik und Optik Hand in Hand. Erwartet werden für den neuen Roboter auch neue Einsatzbereiche. Wo bisher mehr oder weniger einfache Handlinggeräte ausschließlich durch Armkraft eines Menschen bewegt wurden, lässt sich mit einem CR-35iA ein gewinnbringender Automatisierungsschritt machen.
Allen voran hat die Automobilindustrie Interesse an kollaborativen Robotern angemeldet. Die Motorenfertigung und Montagearbeitsplätze stehen im Fokus. Aus der Praxis ergeben sich Marktchancen beim Be- und Entladen von Werkzeugmaschinen, aber auch an Verpackungsstationen, wo der Roboter das Handling übernehmen kann und menschliche Arbeitskräfte Prüf-, Kontroll- oder Versandaufgaben ausführen. Sehr positiv bewertet Olaf Kramm, Geschäftsführer Fanuc Deutschland, die Marktchancen: „Bis 2020 halte ich die Installation von 2000 Einheiten in Deutschland für ein realistisches Ziel.“