Eine Diät der agilen Art verordnen innovative Unternehmen ihrem Engineering: Bei der agilen Software-Entwicklung specken nicht die Programmierer ab, sondern sie verringern den Aufwand für ihre Softwareentwicklung. Praxisberichte von IT Engineering und Trumpf.
Weil die Software bei Maschinenbau-Projekten oft sehr spät entwickelt wird, sind wir relativ oft von Konzeptänderungen betroffen“, berichtet Wolfram Schäfer, Geschäftsführer des Software-Dienstleistungsunternehmen IT Engineering aus Pliezhausen. „Dann lassen sich Termine meist schlecht einhalten: Das führt dann wiederum zu unzufriedenen Kunden.“ Die Schwaben entschieden sich schließlich, nach der sogenannten Scrum-Methode zu entwickeln.
Diese entstand anhand der Erfahrung von Entwicklern, dass sich bei vielen Projekten wegen deren Komplexität kein detaillierter Ablaufplan erstellen lässt. Anwender dieses empirischen Verfahrens entwickeln Schritt für Schritt Teilprojekte, deren Ergebnisse wiederum die Basis für das weitere Vorgehen sind. So entstehen Feedbackschleifen, die frühzeitig dafür sorgen, dass ein Projekt eng an den Bedürfnissen des Unternehmens ausgerichtet wird. Die Scrum-Methode steht und fällt also mit dem Zusammenspiel von Entwickler und Kunde.
„Die Motivation bei den Mitarbeitern zum Einsatz der Scrum-Methode war von Anfang an sehr hoch, weil sie ja selbst etwas verändern wollten“, Wolfram Schäfer, IT Engineering
Bewährt habe sie sich beispielsweise bei einem Auftrag für einen Maschinenbauer. Die Dienstleister sollten die Software für eine Produktionsanlage so anpassen, dass diese sich in eine kostengünstige und trotzdem leistungsstarke Universal-Werkzeugmaschine mit allerdings eingeschränktem Funktionsumfang wandelt. „Das Unternehmen hatte das bestehende Maschinenkonzept vereinfacht“, erklärt Schäfer. „Indem er die Kinematik einschränkte und die Freiheitsgrade reduzierte, konnte der Kunde deutlich Kosten senken – mit erheblichen Auswirkungen auf die Software. Es galt, das Bedienkonzept, das Generieren der Bewegungsabläufe und die Benutzerführung für die Werkzeugauswahl anzupassen.“
Dank eines intelligenten Softwareassistenten lassen sich die Maschinen nun komfortabel bedienen, und auf ihnen unterschiedliche Produkte fertigen. Schäfer bilanziert: „Weil Konstruktion und Software-Bedienkonzept bei diesem Projekt von Anfang an eng aufeinander abgestimmt waren, kann sich die abgespeckte, deutlich kostengünstigere Variante der Universalmaschine in puncto Leistung durchaus mit ihrer großen Schwester messen.“
Agil zur CAM-Software
Doch nicht nur Softwarehäuser, auch Maschinenhersteller setzen auf die agile Softwareentwicklung. Einen echten Fan dieser Vorgehensweise gibt es etwa bei Trumpf Werkzeugmaschinen in Ditzingen. Matthias Munk, Leiter Softwareentwicklung CAD/CAM, schätzt sie vor allem bei Änderungswünschen der Kunden: So ist es bei Programmen typisch, dass sie einem permanenten Wandel unterliegen und dass sie sich ständig weiterentwickeln.
Munk berichtet: „Der Anwender wünscht sich flexible Reaktionen, weil sich die Anforderungen an die Programme ständig ändern. Ebenso müssen wir intern auf sich wandelnde, strategische Ausrichtungen im Haus flexibel reagieren.“ Erschwerend komme hinzu, dass diese permanent eingehenden Anforderungen planbar sein müssen, denn der interne und externe Kunde sollte realistische einhaltbare Liefertermine erhalten. Das sei eine enorme Herausforderung bei Software-Paketen, deren Entwicklung nicht wenige Tagen, sondern oft viele Monate dauere. Entwickler benötigen aber Transparenz über den Entwicklungsfortschritt, um zuverlässig über den Stand der Dinge zu berichten.
Der oberste Softwareentwickler von Trumpf ist vor allem wegen der Aufteilung der Entwicklung in kleinere Arbeitsinhalte für die agile Softwareentwicklung. „Je kleiner die einzelne Pakete ausfallen, desto besser ist meine Abschätzgenauigkeit und umso geringer ist das Risiko, wenn mal etwas nicht klappt“, sagt der Fachmann. „Ich kann hier frühzeitig korrigierend eingreifen, weil die Pakete einzeln geprüft werden.“ Der Auftraggeber erhält rechtzeitig ein Feedback, wenn ein Projekt zeitlich aus dem Ruder läuft. Er könne dann mit dem Kunden frühzeitig mögliche neue Schritte abstimmen.
Dazu zählen: Verlängern des Entwicklungszeitraums, Erhöhen der Personalkapazität oder – was am häufigsten vorkomme – Umsetzung in Stufen. Munk: „Einen derartig flexiblen Spielraum zum Reagieren erhalte ich nur frühzeitig, aber nicht eine Woche vor dem eigentlichen, zugesagten Liefertermin.“
In drei Schritten Realisierbarkeit prüfen
Die Methodik der agilen Softwareentwicklung gliedert sich in Roadmap-Planung, Bewertung der Kapazitäten und Machbarkeitsanalyse. „Mit dieser groben Einteilung in drei Bereiche lässt sich schnell ermitteln, ob sich das Projekt so realisieren lässt“, sagt der Abteilungsleiter. „Danach folgt die detaillierte Planung, bei der wir die wichtigsten Eigenschaften, die Key-Features, ermitteln.“
„Es geht nicht um eine Programmiersprache, sondern um die Art und Weise der Softwareentwicklung“, Matthias Munk, Trumpf Werkzeugmaschinen
Am Ende stehen dann viele kleine Einzelprojekte, deren Realisierung in der Regel maximal wenige Wochen dauern. „Wir arbeiten bei der agilen Softwareentwicklung im Vier-Wochen-Takt. In diesem Zeitraum setzen die Entwickler die Arbeitspunkte um, die sie sich für diesen Arbeitsabschnitt vorgenommen haben“, sagt Munk. „Mich interessiert anhand des nun aktuellen Wissens besonders, wie lang das Verwirklichen der restlichen Aufgabe tatsächlich dauert. Da erkenne ich frühzeitig terminliche Ausreißer.“ Außerdem ließen sich mit dem Kunden die Auswirkungen von neuen Wünschen und Anforderungen auf die Terminschiene genauer darlegen und diskutieren.
Munks Abteilung entwickelt beispielsweise Programme (Stichwort: CAM), die das Zuschneiden der Elemente eines Bauteils auf einer Trumpf-Lasermaschine steuern. Mit dieser CAM-Software lassen sich auch die elektronischen Zeichnungen (CAD) der Bauteile erstellen, die oft aus vielen hundert einzelnen Elementen bestehen. „Wir verwenden die Geometriedaten aus dem CAD, um dann die Teile so eng wie möglich auf der Blechtafel zusammenzulegen, damit der Laser sie effektiv zuschneidet und gleichzeitig nur sehr geringer Blechabfall entsteht“, sagt Munk.
„Wir optimieren das Einstechen des Lasers oder das Bearbeiten der Ecke.“ Ebenso entwickelt und optimiert das Unternehmen auch CAM-Software für seine Stanz- und Kombimaschinen, bei denen es zusätzlich auf das Berücksichtigen der unterschiedlichen Stanzwerkzeuge ankommt.
Die Herausforderung bestehe darin, dass die erstellten Rechenprozesse im Programm, die sogenannten Algorithmen, sich zum optimalen Bearbeiten von heutigen und zukünftigen Maschinen eignen müssen. Insbesondere die unendliche Teilevielfalt bei den Auftraggebern stellt enorme Anforderungen an die Flexibilität der Algorithmen. „Jeder von unseren Anwendern zu bearbeitender Auftrag ist individuell, die Bauteile und ihre Komplexität ist komplett unterschiedlich“, gibt Munk zu bedenken. „Daher muss die von uns entwickelte Algorithmik universell sein, damit sie sich leicht an neue Teile, Bearbeitungstechnologien und Entsorgungskonzepte anpassen lässt.“
Anwender überzeugen
Munk startete mit der schrittweisen Einführung der agilen Softwareentwicklung vor über drei Jahren mit gutem Erfolg. Skeptisch waren anfangs außer den Entwicklern auch die Anwender, die sinngemäß fragten: „Es kommt alle vier Wochen ein neues Release. Braucht ihr wirklich so viele?“ Früher gab es pro Jahr nur ein Release und Fehlerkorrekturen bei Bedarf.
Das Meinungsbild hat sich mittlerweile komplett gewandelt. Trumpf fragte die Vertreter der weltweiten Tochtergesellschaften, wie sie die Taktung und die Qualität der Software bewerten. In einer geheimen Abstimmung erhielt das zweite Software-Release, nach der Umstellung auf die Agile Entwicklung, noch die Note vier, aber beim vierten schon eine glatte 1,0.
Munk erzählt: „Die Vorgehensweise kam intern so gut an, dass nun auch die Maschinenentwickler nach der agilen Methode arbeiten werden, die sich nach entsprechender Anpassung generell an viele Anwendungen anpassen lasse.“ do
Trumpf auf der Hannover Messe: Halle 7, Stand A48.
Autor: Nikolaus Fecht, freier Autor für ke NEXT
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